„Investoren gehen keine Nachrangdarlehen ein“

VC Magazin: Herr Dr. Sandler, welchen Unterschied macht es, ob man eine Unternehmensbeteiligung über Aktien oder als stille Beteiligung eingeht?

Sandler: Für den Investor haben Aktien den großen Vorteil an der richtigen Stelle beteiligt zu sein, denn wenn man bei jungen Wachstumsunternehmen mit einem Nachrangdarlehen, einem partiarischem Darlehen oder einer stillen Beteiligung investiert ist, dann ist das de facto Fremdkapital. Das begrenzt aber die Teilnahme am unternehmerischen Erfolg immer in irgendeiner Weise, während auf der Verlustseite das komplette Risiko vorhanden ist. Nur wenn der Anleger mit Eigenkapital beteiligt ist, wie alle anderen Gesellschafter auch, ist das zweifelsfrei. Venture Capitalisten und Business Angels gehen schließlich auch keine Nachrangdarlehen ein.

VC Magazin: Was bedeutet das für den Anleger genau?

Sandler: Über Aktien bewahren die Investoren ihre Fungibilität, also die Möglichkeit sich von ihrer Beteiligung auch wieder trennen zu können. Und das ganze wesentlich flexibler als bei Nachrangdarlehen, die eine Laufzeit von fünf bis sieben Jahren haben. Das ermöglicht es den Anlegern nicht nur auf die persönliche Entwicklung zu reagieren, sondern auch auf wirtschaftliche Gegebenheiten und Entwicklungen in der Branche. Außerdem hat man bei einer Beteiligung über Aktien auch die Möglichkeit eines späteren Einstiegs, je nach Risikoprofil des Investors.

VC Magazin: Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie über Crowdinvesting Kapital einsammeln?

Sandler: Der Nachteil für die Unternehmen bei den aktuellen Beteiligungsformen ist, dass die Investoren einen Rückzahlungsanspruch gegen die Gesellschaft haben, egal wie die Zusatzverzinsungen ausgestaltet sind. Bei Aktien ist der große Vorteil, dass das Unternehmen Eigenkapital erhält, bei dem es keine Rückzahlungsverpflichtung gibt.

VC Magazin: Wie wählt Bergfürst die Unternehmen aus, die sich auf der Plattform präsentieren?

Sandler: Wenn man den Vergleich mit einem Fußballspiel anstellt, dann sind wir die Stadionbetreiber und Schiedsrichter, auf dem Spielfeld bewegen sich Unternehmer und Investoren. Natürlich wird ein Emissionsprosekt und eine Equitystory erstellt, aber der Einzelinvestor kann keine Due Diligence im eigentlichen Sinne durchführen. Als Due Diligence-Ersatz muss das Unternehmen die Marktfähigkeit des Produkts oder der Dienstleistung, den sogenannten Proof of Principle, nachweisen können.

VC Magazin: Welche Rolle spielt für Unternehmen der Marketing-Effekt bei der Entscheidung „pro Crowdinvesting“?

Sandler: Der Marketing-Effekt ist natürlich nicht zu unterschätzen. Im klassischen Börsenhandel kennt das Unternehmen am Tag nach der Emission seine Aktionäre nicht mehr, da Transaktionen zwischen den Banken der Aktionäre stattfinden. Über unsere vinkulierten Namensaktien können die Investoren die Aktien frei übertragen, die einzige Auflage ist, dass sich der Erwerber mit vollständiger Anschrift registrieren muss. Darüber stellen wir sicher, dass der Emittent direkt mit seinen Aktionären kommunizieren kann. Nachdem unsere Emittenten vor der Herausforderung der Marktdurchdringung stehen, ist die Möglichkeit der direkten Kommunikation sehr wichtig.

VC Magazin: Wie schätzen Sie die Entwicklung des deutschen Crowdinvesting-Markts in den nächsten Jahren ein?

Sandler: Meine Erwartung ist, dass die Zahl der Anbieter noch deutlich wächst. Ich denke, dass im Bereich Crowdinvesting eine ähnliche Entwicklung stattfinden wird, wie wir sie vor einigen Jahren im E-Commerce gesehen haben. Ich bin mir sicher, dass wir in wenigen Jahren eine komplette Finanzierungsstruktur über das Web haben werden und zwar in allen Bereichen, von Unternehmen bis zum privaten Consumer. Aus dem einfachen Grund, dass die Menschen mit der Art und Weise wie Banken arbeiten nicht mehr zufrieden sind.

VC Magazin: In letzter Zeit sieht man vermehrt Investing-Runden, die in unter einer Stunde abgeschlossen sind. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?

Sandler: Ist gibt in Deutschland die Bereitschaft von privaten Anlegern in Wagniskapital zu investieren. Wenn jetzt Zeichnungsrunden in weniger als einer Stunde abgeschlossen sind und die Investoren damit in einem gewissen Maß ins Blaue hinein kaufen, ist die Nachricht doch, dass das Angebot zu klein ist.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Zum Gesprächspartner:

Dr. Guido Sandler ist CEO der Crowdinvestment-Plattform Bergfürst. Zuvor gründete Sandler die Berliner Effektenbank AG (1998), eine reine Investmentbank, und die E*Trade Bank AG (1999), die sich auf das Discount Brokerage konzentrierte.