Erster Entwurf einer deutschen Crowdfunding-Regulierung

Kritikpunkte an den Voraussetzungen

Zu den oben genannten Voraussetzungen gibt es jedoch auch eine Reihe von Kritikpunkten. Maximal 1 Mio. EUR: Der zulässige Finanzierungsbetrag von 1 Mio. EUR erscheint aus deutscher Sicht als große Erleichterung; lag der Maximalbetrag doch bisher bei 100.000 EUR pro Jahr. Da auf europäischer Ebene die Prospektrichtlinie (2010/73/EU) eine zwingende Prospektpflicht erst für Angebote ab 5 Mio. EUR vorsieht, muss sich der deutsche Gesetzgeber jedoch fragen lassen, warum nicht auch größere Crowdfunding-Finanzierungen von der Ausnahme profitieren können. Beschränkung auf partiarische Darlehen oder Nachrangdarlehen – keine Ausnahme für Equity-Crowdfunding:Für die Beschränkung der Ausnahme auf partiarische Darlehen und Nachrangdarlehen und damit die quasi gesetzliche Vorgabe dieser Form der Vermögensanlage für Crowdfunding erscheinen keine Gründe ersichtlich. Während ansonsten sämtliche Arten von Vermögensanlagen gleich behandelt werden, soll nun ausgerechnet im Bereich Crowdfunding eine Differenzierung erforderlich sein – dies widerspräche jeder Gesetzessystematik. Auch aus Gründen des Anlegerschutzes erscheint diese Unterscheidung nicht sinnvoll. Maximal 10.000 EUR: Die Beschränkung auf einen maximalen Anlagebetrag von 10.000 EUR je Anleger und Angebot erscheint nicht unbedingt unangemessen. Aus Gründen eines effektiven Anlegerschutzes könnte unter Umständen angedacht werden, ob nicht – ähnlich der Regulierung in title III des amerikanischen JOBS Act – die zulässige Investmenthöhe je Anleger in Bezug auf dessen Einkommen und/oder Vermögen festgelegt werden könnte. Darüber hinaus würde diese Begrenzung jegliche professionellere Investoren ausschließen. Gerade die Idee des „Anker-Investors“, der der Crowd auch eine gewisse Sicherheit vermitteln könnte, würde damit vereitelt werden. Aus diesem Grunde sollte überlegt werden, auch sogenannte semiprofessionelle und professionelle Anleger – wie sie bereits in der europäischen Venture Capital-Verordnung (EUVeCa) vorgesehen sind – zuzulassen. Auf diese Weise könnten sich Business Angels oder Venture Capital-Gesellschaften mit größeren Tickets an Crowdfunding-Kampagnen beteiligen.

Anforderungen an Crowdfunding

Unter den vorstehenden Voraussetzungen findet das VermAnlG nur in sehr eingeschränktem Maße auf Crowdfunding Anwendung. Die entscheidende Erleichterung der geplanten Ausnahmeregelung dürfte die Nichtanwendbarkeit der Prospektpflicht sein. Dieses ist zu begrüßen, da die mit einer Prospektpflicht einhergehenden Kosten das Ende des Crowdfunding in Deutschland bedeutet hätten. Dennoch verbleiben eine Reihe aufsichtsrechtlicher Anforderungen, die teilweise nur schwer mit dem Geschäftsmodell Crowdfunding übereinzubringen sein dürften.

Vermögensanlageninformationsblatt

Sobald sich ein Anleger mit mehr als 250 EUR beteiligt, muss das Unternehmen ihm ein sogenanntes Vermögensanlageninformationsblatt (VIB) zur Verfügung stellen. Inhalt und Umfang sind dabei gesetzlich vorgeschrieben. Neben der Übermittlung des VIB an den Anleger soll das VIB durch den Anleger unterzeichnet und anschließend per Post an das Unternehmen übersendet werden. Diese Anforderungen dürften beim (internetbasierten) Crowdfunding aufgrund des Medienbruches zu erheblichen Auswirkungen auf die Akzeptanz bei den angesprochenen Investoren führen. Ein vergleichbarer Anlegerschutz ließe sich etwa unproblematisch durch eine entsprechende Online-Bestätigung des Anlegers oder die Übersendung einer unterzeichneten Kopie per E-Mail erreichen.

Werbung

Schließlich enthält der Gesetzentwurf erhebliche Verschärfungen die Werbung für Vermögensanlagen betreffend. Danach darf Werbung für Vermögensanlagen nur noch in Medien erfolgen, „deren Schwerpunkt zumindest auch auf der Darstellung von wirtschaftlichen Sachverhalten liegt“, und die Werbung muss zugleich „im Zusammenhang mit einer solchen Darstellung“ stehen. Diese Regelung soll – nach derzeitigem Stand des Entwurfs – in vollem Umfang auch das Crowdfunding betreffen und könnte dazu führen, dass das Bewerben von Kampagnen über Facebook, Twitter oder ähnliche soziale Netzwerke zukünftig nicht mehr zulässig sein könnte. Dies wäre beim Crowdfunding äußerst problematisch, da hier gerade eine breite Öffentlichkeit angesprochen werden soll, um die Finanzierung durch eine Vielzahl von kleineren Investments zu schultern.

Fazit

Bedenkt man, dass Ziel des Kleinanlegerschutzgesetzes zunächst lediglich der Schutz der Kleinanleger vor unseriösen und riskanten Kapitalanlagen war, ist die Aufnahme eines explizit auf das Crowdfunding zugeschnittenen Ausnahmetatbestands ausdrücklich zu begrüßen. Damit sich diese neue Finanzierungsart am Markt etablieren kann, sind jedoch Änderungen an dem bisherigen Gesetzentwurf notwendig, um die Regulierung – unter Berücksichtigung des Anlegerschutzgedankens – an die tatsächlichen Gegebenheiten und Anforderungen des Crowdfundings anzupassen: Anhebung des Maximalbetrags auf über 1 Mio. EUR, Ausweitung der Crowdfunding-Ausnahme auf sämtliche Arten von Vermögensanlagen, Zulassen von semiprofessionellen Anlegern im Sinne der europäischen Venture Capital-Verordnung (EUVeCa), Verzicht auf Unterschriftserfordernis beim VIB und Ausnahme von den neuen Werbeeinschränkungen. Werden diese Punkte im weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigt, könnte von einer gelungenen ersten Crowdfunding-Regulierung in Deutschland gesprochen werden.

D1 Tanja Aschenbeck-FlorangeD1 Thomas Nagel

Tanja Aschenbeck-Florange ist Partnerin im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht, Finanzierung bei Osborne Clarke in Köln. Ein besonderer Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Beratung zu bankaufsichtsrechtlichen Fragestellungen – hier insbesondere im Zahlungsverkehrs- und sonstigen Aufsichtsrecht für Zahlungsdienstleister und Industrieunternehmen. Auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts ist Tanja Aschenbeck-Florange zudem auf die Strukturierung von Kapitalanlagen/alternativen Investments, insbesondere von (geschlossenen) Investmentfonds, Genussrechten und Crowdfunding spezialisiert. Thomas Nagel ist als Rechtsanwalt im Bereich Bank- und Kapitalmarktrecht, Finanzierung bei Osborne Clarke in Köln tätig. Er berät nationale und internationale Konzerne im Bereich des Kapitalmarktrechts und bei bankaufsichtsrechtlichen Fragestellungen. Seine Schwerpunkte liegen dabei im Zahlungsverkehrs- und sonstigen Aufsichtsrecht und in der Strukturierung von Kapitalanlagen, alternativen Investments und Crowdfunding.