Interview mit Albrecht Deißner, KfW, und Jörg Binnenbrücker, Capnamic Ventures

VC Magazin: Was gilt denn heute in diesen Bereichen als „schnelles“ Wachstum?

Binnenbrücker: Bei den hohen Renditezielen, die Venture Capital-Investoren verfolgen, muss das Start-up seinen Wert innerhalb weniger Jahre vervielfachen können, damit unser eigenes Geschäftsmodell funktioniert. Wir schauen uns nur Unternehmen an, die ein stark überdurchschnittliches Wachstum generieren können und dieses idealerweise bereits gezeigt haben. Stetiges Wachstum allein reicht für einen Venture Capital-Geber nicht aus. Zum Beispiel prüfen wir gerade ein Start-up, das erst acht Monate alt ist, aber bereits 5 Mio. EUR Umsatz gemacht hat. Nach solchen Storys suchen wir.

VC Magazin: Wie aktiv sorgen Sie für die Einhaltung der formulierten Wachstumsziele?

Binnenbrücker: Es ist das Konzept von Capnamic, als werttreibender Partner zu agieren. Wir bringen die Kontakte zu unseren Corporate-Investoren mit, bringen die Start-ups ins Gespräch mit den Konzernen und können dadurch neue Entwicklungen ermöglichen, beispielsweise indem wir die Tür zu einer Reichweitenpartnerschaft mit einem großen Player öffnen, um so den Vertrieb anzuschieben. Start-ups tun sich meistens schwer, bei großen Konzernen überhaupt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Unsere Investoren sind alle Corporates, die den Kontakt zu jungen Unternehmen suchen. Weil sie schon indirekt über unseren Fonds beteiligt sind, fällt ihnen eine Zusammenarbeit entsprechend leichter.
Deißner: Die KfW übernimmt hauptsächlich die Funktion des Kapitalgebers, der Lead-Investor muss sich klar in der Unternehmensbetreuung engagieren. Dabei ist uns bewusst, dass sich aus den ständig verändernden Markt- und Produktentwicklungen Anpassungen bei der Strategie und den gesetzten Zielen ergeben können. Mit dem Lead-Investor analysieren wir die Veränderungen, die hierfür erforderlichen Entscheidungen und Maßnahmen werden gemeinsam mit allen Beteiligten getroffen.

VC Magazin: Was sind klassische Wachstumsherausforderungen, mit denen Start-ups sich schwertun? Wo drückt der Schuh am meisten?

Binnenbrücker: Die jungen Unternehmen unterschätzen sehr häufig die Struktur. Sie wachsen schnell und wild, aber wenn die Entwicklung dann einmal eine Delle nimmt, sind sie nicht vorbereitet. Dann müssen überall Strukturen wieder eingezogen werden. Das Wachstum des Unternehmens und das des Teams müssen immer im Einklang zueinander stehen. Das bedeutet übrigens auch, sich rechtzeitig Verstärkung an Bord zu holen. Hier agieren wie als Sparringspartner und helfen den Unternehmen, sich von Beginn an auf das Wachstum vorzubereiten.
Deißner: Eine weitere Herausforderung für Start-ups liegt darin, sich rechtzeitig und vorausschauend um die weitere Unternehmensfinanzierung zu kümmern. Kapitalstarke Investoren an Bord können schwierige Phasen auch einmal überbrücken. Oft werden die Schwierigkeiten beim Einwerben von frischem Kapital aber unterschätzt, denn außer für die absoluten Highflyer ist es für junge Technologieunternehmen bei der momentanen Marktlage nicht einfach Kapital einzuwerben. Wichtig ist es daher für die Verantwortlichen, sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen, um Verzögerungen bei der Finanzierung und damit der Entwicklung des Unternehmens insgesamt zu vermeiden.

VC Magazin: Wie groß ist bei Ihnen der Spielraum für eine solche Überbrückungsphase?

Binnenbrücker: Das hängt natürlich auch von der Höhe des Betrags ab, der benötigt wird, und von der Performance des Unternehmens. Bislang konnten wir das immer recht gut darstellen.
Deißner: Die KfW investiert ja Kapital aus dem ERP-Startfonds, deswegen können wir sehr weit vorne in der Unternehmensentwicklung in frühen Phasen ansetzen. Wir wissen aber auch, dass es in der weiteren Entwicklung immer wieder Phasen gibt, in denen nicht alles nach Plan abläuft, und es folgt auch nicht immer die eine Finanzierungsrunde nahtlos auf die andere. Hier beweisen wir, dass wir ein verlässlicher Partner sind, und bringen die nötigen finanziellen Mittel mit, um auch in diesen Phasen zu unseren Portfoliounternehmen zu stehen.