Interview mit Christoph Gerlinger, German Startups Group

VC Magazin: Viele Start-ups klagen darüber, dass es schwer sei in Deutschland große Finanzierungsrunden einzusammeln. Ihr habt ein eigenes Growth-Pocket – wie ist Dein Blick auf die momentane Situation?
Gerlinger: Wir haben im letzten Jahr ein paar Eisbrecher wie das Investment von Sequoia Capital in die 6Wunderkinder oder von Bill Gates in Researchgate gesehen, die zeigen, dass wir uns in Deutschland auf einige große Bewertungen und große Exits freuen können. Ich bin sicher, dass wir schon in Kürze auch in Deutschland sogenannte Unicorns, also Start-up-Bewertungen von mehr als 1 Mrd. EUR, sehen werden. Diese Unternehmen sind dennoch oft erst wenige Jahre alt. Solche Exit-Bewertungen sind sehr wichtig, um mehr Venture Capital nach Deutschland zu ziehen, insbesondere für die Growth Stage. Wir wollen weiteres Geld einsammeln und uns da stark engagieren.

VC Magazin: Stichwort 6Wunderkinder: Welche Lehren kann man aus deren bewegten Unternehmensgeschichte für die eigenen Beteiligungen ziehen?
Gerlinger: Für konkrete Lehren fehlen mir tiefere Einblicke bei den 6Wunderkindern. Aber wenn man es etwas abstrakter sehen möchte, kann man die Lehre ziehen, dass Unternehmertum nie linear verläuft, sondern sehr volatil mit vielen Höhen und Tiefen. Das habe ich auch selbst in meiner Zeit als Unternehmer immer wieder feststellen dürfen bzw. müssen.

VC Magazin: Nochmal zu Thema Exit: Wie stehst Du den Bestrebungen eine neue deutsche Technologiebörse einzuführen gegenüber
Gerlinger: Ich unterstütze diese Bemühungen sehr, nicht nur weil ich selbst zwei Unternehmen an die Börse gebracht habe. Ein solcher zweiter Exitkanal neben Mergers & Acquisitions würde der gesamten Venture Capital-Branche hierzulande sehr gut tun, da durch die bloße zusätzliche Exit-Option weiteres Kapital auch für die vorgelagerten Entwicklungsphasen der Start-ups angezogen würde. Die Einwände, nach denen es mit dem Entry Standard bereits ein entsprechendes Börsensegment gibt und nur die Anleger fehlen, halte ich für falsch. Der Entry Standard ist ein unübersichtlicher Gemischtwarenladen mit Aktien und Anleihen aus allen möglichen Branchen. Wenn man ein eigenes Segment schafft, zu dem ausschließlich Wachstumsunternehmen Zugang erhalten, schafft das zum einen bei den Anlegern eine höhere Wahrnehmung und erlaubt ihnen auf der anderen Seite eine leichtere Selektion. Leider haben wir in Deutschland nach dem Platzen der Dotcom-Blase das Kind mit dem Bade ausgeschüttet und mit dem neuen Markt das Börsensegment für Wachstumsunternehmen komplett geschlossen, während sich das US-Äquivalent Nasdaq längst von der damaligen Krise erholt hat und eine Finanzierungs- und Kapitalallokationsfunktion von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung trägt. Das schafft Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Shareholder Value, kurz Wohlstand.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zum Gesprächspartner:
Christoph Gerlinger ist Gründer und CEO der German Startups Group. Zuvor war er unter anderem als Gründer und CEO bei Frogster Interactive Pictures tätig und brachte das Unternehmen 2006 an die Börse.