Unternehmer-Chancen im Chemie-Sektor

Panthermedia/Jesper Klausen

Ökosystem mit vielen Chancen

Das Ökosystem Chemie passt sich den großen Megatrends an – Nachfrage nach Produkten durch verstärkte Urbanisation, den Themenbereichen Wasserversorgung und Aufbereitung, Energieversorgung, verbesserter Zugriff auf erneuerbare Rohstoffe sowie Gesundheit und Ernährung. Hierbei finden Transformationsprozesse der Wertschöpfungsketten statt, bei denen chemische Innovationen entscheidend Einfluss haben können oder diese Transformation überhaupt erst ermöglichen. Diese Innovationen stammen häufig aus Universitäten oder Forschungseinrichtungen und lassen sich fernab von komplexen Entscheidungsstrukturen in großen Unternehmen in Start-ups entwickeln und kommerzialisieren.

Organische Chemie und Energie: Vision…

Interessante Nischen entstehen im Bereich Energie beispielsweise bei organischen Batterien, die möglicherweise als Kathodenmaterial „Tempo“ (2,2,6,6-Tetramethylpiperidin-N-oxyl-Radikal) verwenden und hierbei hohe Leistungsdichten erzielen. Tempo-Polymer-Derivate ermöglichen Kapazitäten von marktüblichen Li-Ionen-Akkumulatoren, so dass eine Substitution zumindest denkbar ist. Besonders charmant erscheint dabei nicht nur die Möglichkeit, Cobalt als teuren Rohstoff in Batterien zu ersetzen. Sollten sich diese Polymere potenziell mit Drucktechnologien nutzen lassen, wäre über die Verarbeitungstechnologie eine Skalierung im industriellen Maßstab möglich.

…und Realität

Dass sich für Unternehmer durch solche Ansätze Chancen eröffnen, zeigt das vom High-Tech Gründerfonds gründungsfinanzierte Team von Heliatek. Der Hersteller von organischen Photovoltaik-Zellen startete als Ausgründung aus der TU Dresden sowie der Universität Ulm. Die Idee ist 2007 gewesen, mit Photozellen auf Oligomer-Basis den Wirkungsgrad von organischen Solarzellen von knapp 5% deutlich zu erhöhen. Mit einem erhöhten Wirkungsgrad und geringeren Herstellungskosten sollte die Innovation einer Kommerzialisierung zugeführt werden. Den Unternehmern gelang innerhalb von sechs Jahren der Wandel vom Technologieentwickler hin zum industriellen Hersteller. Über ein Rolle-zu-Rolle-Verfahren gelingt die Skalierung im industriellen Maßstab von organischen Photovoltaikzellen.

Langfristige Perspektive wichtig

Auch wenn die Entwicklung bei Heliatek weiter ist als bei dem oben beschriebenen Kathodenmaterial für Akkumulatoren – Chancen entstehen für Gründer in der Chemie, wenn Sie sich frühzeitig mit Innovationen in einer Nische positionieren. Langfristige Entwicklungen, die beispielsweise aus einem proof-of-concept in einer Ausgründung aus einer Universität oder einem Unternehmen zu einem Produkt weiterentwickelt werden sollen, brauchen dabei Finanzierungspartner, die diese Entwicklungszeiten verstehen. Beim Unternehmensaufbau ist zugleich ein Netzwerk aus möglichen Kooperations- und Finanzierungspartnern wichtig, um gerade den längeren Entwicklungszyklus bis zum Markteintritt zu tragen. Gerade hier bietet die chemische Industrie durch ihre Kooperationsbereitschaft Anknüpfungspunkte zu Konzernen wie auch mittelständischen Unternehmen.

Netzwerk und Finanzierung

Für Chemie-Start-ups lassen sich konkret beim High-Tech Gründerfonds sehr gute Chancen zur Unternehmensentwicklung heben, da er ein leistungsstarkes Netzwerk in die Chemie pflegt. Dieses Netzwerk wird nicht zuletzt durch die Investoren Altana, BASF und Evonik sichtbar. Jungen Unternehmern öffnen sich hierdurch Möglichkeiten, auf bestehendes Know-how zuzugreifen. Zugleich lassen sich frühzeitig Kunden- und Lieferantenbeziehungen aufbauen und nicht zuletzt bieten sich auch Finanzierungsmöglichkeiten an. Im Beispiel der Heliatek traten Bosch, BASF und RWE Innogy als Industriepartner bei Finanzierungsrunden gemeinsam mit Wellington Partners, eCapital, dem Technologiegründerfonds Sachsen und GP Bullhound bei und unterstützen den Unternehmensaufbau.

Von Enabler bis Produktion

Die Geschäftsmodelle im Ökosystem Chemie können dabei deutlich variieren. Während eine Sichtweise auf die Chemieindustrie die des klassischen „Enablers“ ist, zeigt das Beispiel der Heliatek, dass auch Kern-Chemieunternehmen Endprodukte auf den Markt bringen können. Zugleich benötigen die Entwicklungen von neuen Materialien angepasste Analytik- und Messtechnologien, wodurch auch hier Innovationen gefordert sind und sich Potenziale eröffnen. Spannend ist dabei die Dynamik von Geschäftsmodellen, bei denen sich Start-ups zunächst als Technologielieferant positionieren und bei weiterem Aufbau durch eine eigene Produktion vorwärts integrieren und ein höheres Wachstum schaffen.

Fazit:

Das Entscheidende auch bei Unternehmen in der Chemie ist, dass im Gründerteam eine klare Ausrichtung auf den Aufbau des Unternehmens und auf Umsatzerzielung – das kann auch vor Forschungs- bzw. Erkenntnisgewinn sein – liegen sollte. Unternehmern in der Chemieindustrie bieten sich dann spannende Ansätze und vielfältige Chancen.

 

  

Zum Autor

Ron Winkler ist Wirtschaftschemiker und Investment Manager des High-Tech Gründerfonds, der rund 207 Portfoliounternehmen zählt. Der Seedphasen-Fonds finanziert Unternehmensgründungen mit einer technologiebasierten Innovation.