Earn-out: Wer schreibt, bleibt nicht immer

Panthermedia/Birgit Reitz-Hofmann

Konstellation mit unterschiedlichen Interessen

Die Ausgestaltung von Earn-out-Klauseln ist bereits in „gängigen“ Unternehmenskaufverträgen mit zwei Interessenlagern sehr komplex und scheitert oft während der Vertragsverhandlungen oder später in der praktischen Umsetzung. Die Struktur der meisten Start-ups bringt jedoch weitere, im Einzelfall oft noch schwierigere Herausforderungen mit sich: Hier gilt es, die Vorstellungen dreier Gruppen zu berücksichtigen: des Käufers, der Gründer und der oftmals am Earn-out zu beteiligenden Venture Capital-Investoren. Während dem Käufer daran gelegen ist, den Venture Capital-Investoren nach deren Exit jegliche Einflussmöglichkeit auf das Geschäft zu nehmen, verlangen diese, dass der Käufer nicht zum ihrem Nachteil in das Geschäft des Targets eingreift. Die Gründer stehen irgendwo dazwischen: Zumindest für eine Übergangszeit dienen sie, wenn auch ungewollt, zwangsläufig zwei Herren; ein Interessenkonflikt, dessen Streitpotential nicht selten dazu führt, dass man sich am Ende vor Gericht wiedersieht – und zwar in jenen Fällen, in denen sich das Geschäft nicht so entwickelt, wie dies prognostiziert war.

Schmaler Grat zwischen Freiheit und Beschränkung

Was kann solchen Streitigkeiten vorbeugen? Eine detaillierte Beschreibung der Berechnungsgrundlagen für den Earn-out, Beispielsrechnungen sowie gut durchdachte Regelungen zu Informations- und Eingriffsrechten der einzelnen Parteien helfen, solchen Streitigkeiten vorzubeugen. Die schwierigste und zugleich wichtigste Aufgabe ist es jedoch, den Manipulationsspielraum der jeweils anderen Partei weitestgehend einzuschränken, ohne damit gleichzeitig dem Käufer derart enge Handschellen anzulegen, dass das Target in seinem wirtschaftlichen Fortkommen zu Lasten aller Parteien beschnitten wird. Hier bewegen sich die Parteien auf einem schmalen Grad. Nähme man dem Käufer, der in der Regel einen signifikanten Betrag investiert z.B. gänzlich die Möglichkeit, das Target zu integrieren und damit Synergien zu erzielen, die sich auf die finanzielle Lage des Targets positiv auswirken, so wäre dies letztlich nicht nur für den Käufer nachteilig. Anderseits zeigt die Erfahrung, dass die Gewährung eines zu großen Freiraums sehr kreativ und oftmals zu Lasten der Venture Capital-Investoren missbraucht wird.

Komplexität kein Erfolgsgarant

Den idealen Vertrag, der unter Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit jedwede Manipulationsmöglichkeit ausschließt, gibt es auch im Venture Capital-Segment nicht. Und auch wenn dies zunächst so scheint: Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht immer in der Komplexität der vertraglichen Ausgestaltung. Mit einer dezidierten abschließenden Beschreibungen von Dos und Don‘ts nach amerikanischem Vorbild riskieren die Parteien Regelungslücken oder wirtschaftlich unsinnige oder sogar gefährliche Einschränkungen. Oftmals werden am Ende nämlich diejenigen Fälle praxisrelevant, die bei der Vertragserstellung nicht vorhergesehen und einer sachgerechten Regelung zugeführt werden konnten. Durch eine allzu komplexe Ausgestaltung des Vertragswerks steigt die Wahrscheinlichkeit von streitprovozierenden Inkonsistenzen. Außerdem riskiert man, dass der Earn-out, mit dessen Hilfe man ursprünglich die unterschiedlichen Vorstellungen der Parteien zusammenbringen wollte, in der täglichen Unternehmenspraxis zum Fluch oder mindestens zum Hemmschuh wird.

Fazit

Deshalb sollte die Parteien zumindest in Erwägung ziehen, bei den Dos und Don‘ts auf gut durchdachte generische und flexible, aber justiziable Regelungen zurückzugreifen. Wenn diese mit der Orientierung an Erfolgsindikatoren kombiniert werden, die objektiv messbar und weitestgehend nicht durch strategisches oder gar manipulatives Verhalten beinflussbar sind, und die Laufzeit des Earnouts auf ein für alle Parteien verträgliches Maß beschränkt wird, gibt dies in der Regel ausreichend Schutz, bewahrt aber gleichzeitig den im Alltagsgeschäft erforderlichen Spielraum.