Spin-offs aus Konzernen und Forschungseinrichtungen

Vorbehalte gegenüber Ausgründungen

Die Gesetze des Marktes sind hart und für die meisten Spin-off-Verantwortlichen Neuland. Selbst Angestellte aus Konzernen, denen die Welt der Wirtschaft nicht fremd ist, müssen plötzlich lernen, Verantwortung für ein eigenes Unternehmen zu übernehmen, oder sich in ganz neue Themenfelder hineinarbeiten. „Schließlich muss ein Produkt jedweder Art ein Kundenbedürfnis adressieren, und zwar auf eine Art und Weise, die für den Kunden attraktiv ist“, mahnt Fricke an. „Das setzt ein umfangreiches Verständnis des Marktes und der potenziellen Kunden voraus. Mit der Perspektive eines Forschers sind die Dynamiken des Marktes und die Anforderungen von potenziellen Kunden nicht immer leicht zu verstehen.“ Eine weitere Herausforderung liegt im langen Atem, ohne den es einfach nicht geht und den einem das reale Marktgeschehen nicht immer gönnt. Für Wissenschaftler, die bislang in den Soziotopen der universitären oder außeruniversitären Forschungslaboren arbeiten konnten, mitunter eine ungewohnte Erfahrung. Zumal sie sich der Unterstützung „ihres“ Instituts nicht immer sicher sein sollten. „Wesentlich für viele Institute ist auch, dass durch die Gründung eines Spin-offs meist ein markt- oder anwendungsnaher Forschungsbereich wegfällt und auch gute Wissenschaftler das Institut verlassen“, so Doppelberger. „Deshalb werden Spin-offs durchaus auch kritisch gesehen.“

Härtetest Kapitalbeschaffung

Sofern sie denn überhaupt zustande kommen, denn in den vergangenen Jahren hat sich die Kapitalisierung von Spin-off-Projekten als weiteres Hindernis eingestellt. Zunehmend steht weniger Venture Capital zur Finanzierung von Forschungsausgründungen zur Verfügung. Da können Konzern-Spin-offs immerhin etwas aufatmen und zuweilen sogar auf das Interesse der Megafonds aus den USA und Europa hoffen. „Der Großteil von Spin-off-Unternehmen hat über verschiedene Finanzierungsrunden erheblichen Kapitalbedarf, der eben nur durch ein funktionierendes Ökosystem von Investoren, öffentliche Fonds und Business Angels gelöst werden kann“, erläutert Doppelberger. Gerade bei Spin-off-Projekten, also in Fällen, wo die Verantwortlichen auf Unternehmerseite in der Regel erstmalig mit der Eigenverantwortung im freien Markt konfrontiert sind, fällt die Managementerfahrung auf Investorenseite ebenso schwer ins Gewicht wie die reine Kapitalunterstützung. „Investoren, die regelmäßig in Spin-offs investieren, verfügen über umfangreiche Erfahrungen, die dem Start-up helfen, schneller und erfolgreicher zu wachsen. Sie wissen, welche Risiken es gilt zu vermeiden“, sagt Fricke und verweist auf ein entscheidendes Detail: „Allerdings übernehmen Investoren nicht das ‚doing‘, das müssen die Gründer schon selbst machen.“

Fazit

Es ist angesichts der Größe der Volkswirtschaft und der hohen Forschungsdichte kein Geheimnis, dass die Spin-off- und Gründerzahlen in Deutschland zu niedrig sind, auch wenn hinsichtlich der Neugründungen zuletzt eine kleine Entspannung zu vermelden war. Auch die Anreize, die zur Erhöhung von Ausgründungen gesetzt werden können (oder sollten), sind bekannt und reichen von der Bereitstellung mehr Wagniskapitals explizit für Spin-offs über steuerliche Erleichterungen für innovative Unternehmen bis hin zum Abbau von bürokratischen Hürden bei Unternehmensgründungen. Schlussendlich kann sich eine Volkswirtschaft ohne den Transfer innovativer Forschungsergebnisse in die Industrie nicht in der Spitzengruppe der Weltmärkte behaupten. Die Dynamik der Schwellen- und Entwicklungsländer macht die Erfindung neuer Produkte und Technologien notwendig. Wissenschaftler und Angestellte in Unternehmen müssen daher erkennen, dass sie mit dem Schritt in die Selbstständigkeit nicht nur der erfolgreichen Realisierung ihrer eigenen Visionen Vorschub leisten. Sie übernehmen gleichsam Verantwortung für Wohlstand und soziale Sicherheit im internationalen Wettbewerb. Und die Bedeutung technologieorientierter und wissensbasierter Branchen nimmt weiter zu. „Industrie 4.0“ oder „Personalisierte Medizin“ sind nur zwei von vielen Schlagwörtern und Zukunftsmärkten, denen weitere folgen werden. Um in der Geschwindigkeit des Wandels den Anschluss nicht zu verlieren, spielen innovative Neugründungen eine ganz wesentliche Rolle – Tendenz steigend. Denn gerade in den neuen Wirtschaftszweigen liegen die Erfolgschancen für junge Ausgründungen aus Forschungseinrichtungen und Konzernen.