Sicherung strategischer Ziele von Fonds-Investoren

Sicherung strategischer Ziele von Fonds-Investoren
Sicherung strategischer Ziele von Fonds-Investoren.

Der Beteiligungsvertrag ist zunächst der Gesellschaftsvertrag des Fonds. Da die meisten Fonds als Kommanditgesellschaft organisiert sind, wird er auch als „LP Agreement“, also als Vertrag mit den „Limited Partnern“, d.h. den Kommanditisten, bezeichnet. Das LP Agreement regelt grundsätzlich die innere Organisation des Fonds, die Rechte und Pflichten seiner Organe, den Fokus der beabsichtigten Investments, die Einzahlung und Auszahlung von Geldern, die Bewertung des Portfolios, das Reporting sowie die Vergütung des Fonds-Managements.

Strategische Ziele von Investoren

Vielen Investoren ist ein passives Investment in einen Fonds nicht genug. Digitalisierung und Internationalisierung verändern Strukturen und Regeln unseres bisherigen Wirtschaftslebens in enormer Geschwindigkeit. Insbesondere disruptive Geschäftsmodelle bergen Risiken für traditionsreiche Unternehmen, aber auch große Chancen. Um eine erste Annäherung an digitale Geschäftsmodelle und innovative Start-ups zum Aufbau eigener Corporate Venture Capital-Aktivitäten zu erhalten, beteiligen sich derzeit viele etablierte Unternehmen an Venture Capital- und Growth Capital-Fonds. Diese Investments verfolgen also schwerpunktmäßig einen strategischen Ansatz. Eine lukrative Platzierung von Liquidität ist hier lediglich erwünschter Nebeneffekt. In einem Side Letter zum LP Agreement geht es nun darum, das Fonds-Management auf die strategischen Ziele des Investors zu verpflichten.

Most Favoured Nation

Üblicherweise berechtigen LP Agreements das Fonds-Management, Side Letters mit einzelnen Investoren zu vereinbaren. Das Fonds-Management handelt dabei nach eigenem Ermessen, ohne dass es der Zustimmung anderer Investoren bedarf. Um eine einseitige Bevorzugung einzelner Investoren zu verhindern, sehen die LP Agreements regelmäßig eine Pflicht zur Offenlegung aller Side Letters und eine Meistbegünstigungsklausel vor. Der Fachbegriff für diese Regelung, „Most Favoured Nation“, ist dem internationalen Handelsrecht entnommen und bestimmt dort, dass Handelsvorteile, die einem Vertragsstaat gewährt werden, zur Erzielung einer Gleichberechtigung allen Vertragsstaaten gewährt werden müssen. Im Verhältnis von Fonds zu Investoren sind daher die individuellen Regelungen aus einem Side Letter auch anderen Investoren zu gewähren, wenn diese jedenfalls ein nach Art und Umfang vergleichbares Investment geleistet haben.

Stärkung von Informationsrechten

Im Side Letter können die standardmäßigen Informationsrechte eines Investors, wie sie im LP Agreement vorgesehen sind, erweitert werden. Der Investor kann Einfluss auf die Form und den Umfang der turnusmäßig und der ad hoc erfolgenden Berichte des Fonds-Managements nehmen. So kann das Reporting neben Bilanz- und GuV-Zahlen auch Informationen über das operative Geschäft sowie näher definierte KPIs der Portfoliounternehmen enthalten. Ein häufig im Side Letter vereinbartes Mittel zur Verbesserung des Informationsflusses ist das Recht, ein nicht stimmberechtigtes Mitglied als Beobachter („Observer“) in den Beirat des Fonds zu entsenden. Das Recht, stimmberechtigte Beiratsmitglieder zu bestimmen, steht regelmäßig nur den größten Investoren eines Fonds zu. Beobachter, die an allen Beiratssitzungen teilnehmen, können jedoch kraft Vereinbarung im Side Letter zugelassen werden.

Kontakt zu Start-ups und Gründern

Üblicherweise bleiben Fonds-Investoren anonym. Die Portfoliounternehmen wissen zumeist nicht einmal, wer in dem Fonds investiert ist, der Gesellschafter bei ihnen ist. Anders bei Investoren, die einen strategischen Ansatz verfolgen. Im Side Letter kann ein intensiver Austausch zwischen Investor und Fonds-Management über die Unternehmen des Portfolios vereinbart werden. Auch die Vereinbarung direkter Gespräche zwischen dem Investor und dem Management der Portfoliounternehmen ist möglich. Gerade der unmittelbare Kontakt zu Gründern von Start-ups mit disruptiven Geschäftsmodellen bringt traditionell arbeitenden Unternehmen der gleichen Branche einen erheblichen Mehrwert. Hier nutzen die Fonds oftmals die Möglichkeiten sogenannter Portfolio Days und gemeinsamer Workshops von Portfoliounternehmen und Investoren. Das Fonds-Management kann sich auch verpflichten, den Investor auf Beteiligungsgelegenheiten hinzuweisen, die der Fonds selbst nicht weiter verfolgt. So kann der Investor einen umfangreichen Dealflow erhalten, aus dem er eigene Investments umsetzen kann.

Co-Investments

Fonds-Investoren haben gemäß den üblichen LP Agreements kein Recht, zusammen mit dem Fonds im Wege des Co-Investments in ein Portfoliounternehmen zu investieren. Strategisch orientierte Investoren streben jedoch häufig mittel- oder langfristig eine direkte Beteiligung an. Denn solche direkten Investments können der erste Baustein einer künftigen M&A-Strategie zur Erschließung neuer Geschäftsfelder des Investors sein. Im Side Letter kann das Fonds-Management verpflichtet werden, dem strategisch orientierten Investor potenzielle Co-Investments anzubieten, soweit das LP Agreement dies vorsieht.

Verantwortungsvolle Investments

Nicht selten befürchten Fonds-Investoren mit negativen Nachrichten über Portfoliounternehmen in Verbindung gebracht zu werden. Da der Investor auf die Auswahl und die Führung der Portfoliounternehmen keinen Einfluss nehmen kann, ist das Risiko eines Reputationsschadens für den Investor nicht außer Acht zu lassen. Im Side Letter kann sich der Investor vom Fonds-Management zusichern lassen, dass jedenfalls keine Investments in Branchen wie beispielsweise Alkohol und Tabak, Waffen und Munition, Casinos und Glücksspiel, Pornografie sowie illegale Downloads erfolgen. Neben solchen Negativkatalogen ist auch die Definition positiver Investmentkriterien im Sinne einer nachhaltigen und sozialen Unternehmensführung (Environmental, Social and Corporate Governance – ESG) möglich. Der Fonds kann danach verpflichtet werden, in den Portfoliounternehmen Fehlentwicklungen wie Ausbeutung natürlicher Ressourcen, Kinderarbeit, Diskriminierung oder Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Viele Investoren legen ferner Wert darauf, dass die Portfoliounternehmen übliche Compliance-Vorschriften einhalten. Über den Side Letter können etwa Regelungen zur Anti-Korruption und Prävention von Geldwäsche an die Beteiligungen des Fonds weitergegeben werden.

Fazit

Durch Side Letters werden Investoren in die Lage versetzt, strategische Ziele mit einer Anlage in alternative Investmentfonds zu kombinieren. Die Vereinbarung besonderer Informationsrechte, eine Beobachterposition im Beirat, direkte Kontakte zum Management der Portfoliounternehmen und die Möglichkeit, Co-Investments einzugehen, verschaffen dem strategisch orientierten Investor einen wesentlichen Mehrwert für sein operatives Geschäft. Das Investment in Venture Capital- oder Growth Capital-Fonds kann so der erste Schritt zum Aufbau eigener Corporate Venture Capital- bzw. Corporate Venturing-Aktivitäten sein.

 

Dr. Jens Wolf Taylor Wessing Fonds-Investoren

Dr. Jens Wolf ist Rechtsanwalt und Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing PartG mbB. Er leitet die deutsche Venture Capital-Gruppe der Kanzlei. Mit seinem Team berät er schwerpunktmäßig in- und ausländische Private Equity-Fonds, Venture Capital-Gesellschaften und technologieorientierte Unternehmen im gesamten Investment Life Cycle. Daneben begleitet er große und mittelständische Unternehmen bei ihren Corporate Venturing-Aktivitäten.