Wandlung vom Datingservice zum Vermarkter im Bereich Mobile Advertising

„Scheuklappen abzulegen, von einem anfänglich vielversprechenden Geschäftsmodell abzurücken und die eigene Überzeugung ein Stück weit zu reflektieren, stehen nicht zwangsläufig im Einklang mit den Grundeigenschaften eines Unternehmers – wie intrinsischem Durchhaltevermögen, starkem Glauben oder bedingungslosem Willen, etwas zu erreichen. Dazu jedoch in der Lage sein zu können, ist gerade in der frühen Phase einer Gründung sehr wichtig.

Überzeugung vs. Bauchgefühl

Der sogenannte Pivot wird hierbei oftmals zum Balanceakt zwischen dem Festhalten an der eigenen unternehmerischen Überzeugung und dem, was einem der „Bauch“ sagt. Dieses Instrument ermöglicht es einem als Unternehmer, bestehendes Feedback aufzugreifen, Produkte nah am Markt und unmittelbar an den Erkenntnissen aus dem Markt sukzessive anzupassen und somit gestärkt und mit nachhaltigen Modellen aus einer solchen Iterations-Phase zu gehen.

In unserem Fall bedeutete dies die Wandlung von einem SMS-basierten B2C-Datingservice mit der Zielgruppe 14 bis 21 Jahre (www.jupidi.de) zu einem Vermarkter im Bereich Mobile Advertising (www.apprupt.com). Rückblickend waren in der Entscheidungsfindung zu diesem Prozess zwei Phasen und vor allem die Entscheidungen in diesen Phasen einerseits sehr lehrreich und andererseits für den Fortbestand des Unternehmens essenziell.

Denial-Phase: Trennung vom Produkt?!

Unternehmer müssen regelmäßig schmerzhafte Entscheidungen treffen. Vor allem wenn es um Trennungen geht – Trennungen von Gesellschaftern, Mitarbeitern, Kooperationspartnern, vor allem aber wenn es um den Glauben an das eigene Produkt geht. Eine solche Entscheidung fällt natürlicherweise mehr als schwer, ist doch dieser intrinsische Glaube und die dahinterliegende Vision der Antrieb eines jeden Unternehmers, vor allem in der sehr frühen Phase der Gründung. Der eigene „Bauch“ sagt einem oftmals aber bereits sehr früh, was richtig und was falsch ist, lässt einen die Resonanz aus dem Markt richtig lesen und leitet einen zu den richtigen Entscheidungen – vorausgesetzt, man lässt es zu und verschließt sich dem nicht.

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Die Schwierigkeit liegt dabei nicht darin, solche Zeichen und die Schwächen des eigenen Geschäftsmodells richtig zu deuten, sondern vielmehr sich entsprechenden Anzeichen nicht zu verschließen. Eine solche „Denial Phase“, in der man sich die Signale von Kunden, Nutzern oder anderen Einflussfaktoren am Markt nicht eingesteht, weil sie im kompletten Widerspruch zur eigenen unternehmerischen Überzeugung zu stehen scheinen, sind schädlich bis fatal für die Unternehmung. Je länger diese Phase andauert, in der man offensichtliche Defizite nicht akzeptiert, nicht kommuniziert und vor allem nicht darauf reagiert, desto gefährlicher wird es.

Pivot = Iterationen auf Ebene des Geschäftsmodells

Uns fiel es zu Anfang schwer, sich diesen Erkenntnissen zu öffnen und ein möglicherweise unstimmiges Geschäftsmodell, welches am Markt vorbeigeht, betriebswirtschaftlich nicht funktioniert oder einfach keinen Nutzer-Mehrwert stiftet, also solches zu akzeptieren. Wir haben jedoch auch gemerkt, dass ein Pivot nicht mit der Aufgabe der eigenen, unternehmerischen Vision gleich zu setzen ist. Diese treibt einen an, lenkt einen und bleibt auch nach einer solchen Phase bestehen – „lediglich“ das Geschäftsmodell und das dahinterliegende Produkt, mit dem man diese Vision verfolgt, verändern sich in dieser Phase. Es geht bei einem Pivot in seiner Konsequenz also nicht darum, auf Kosten unternehmerischer Vision oder des Glaubens an neue, innovative Wege bei den ersten Anzeichen von Herausforderungen und Barrieren im Markt, über-rational zu werden und aufzugeben, sondern vielmehr darum, Iterationen auf Ebene des Geschäftsmodells zuzulassen, aber die Ebene der unternehmerischen Vision klar davon getrennt zu sehen.

In unserem Fall war das Kernproblem die ROI-positive Akquise von Nutzern. Vor allem die Monetarisierung einmal gewonnener Nutzer erwies sich bei jupidi mit den anfänglichen Produktansätzen als sehr schwierig. Nach mehreren Anläufen und dem Launchen neuer Produktfeatures war uns nach nicht einmal einem halben Jahr am Markt klar, dass wir mit dem bisherigen Kernansatz kein valides und nachhaltig tragbares Modell aufsetzen konnten und entschieden uns im Gründerteam letztendlich für einen Pivot. In mehreren iterativen Schritten veränderten wir in den folgenden Monaten nicht nur Kernelemente des Produktes. Vielmehr mussten wir das komplette Geschäftsmodell in ein B2B-Modell wandeln und die gesamte Firmenstruktur bis hin zur Firmierung um 180 Grad drehen.“

Lesen Sie morgen im zweiten Teil, welche Schritte aus Sicht von Jascha Samadi und Kjell Fischer notwendig sind, um das Geschäftsmodell eines Start-ups erfolgreich zu transformieren.


Zu den Autoren

Jascha Samadi und Kjell Fischer sind Gründer und
Geschäftsführer der apprupt GmbH in Hamburg (www.apprupt.com), einem mobilen Premium-Werbenetzwerk und Innovationstreiber im deutschen Mobile Advertising-Markt. Samadi, der seinen Abschluss in Rechtswissenschaften an den Universitäten Trier, Münster und Hamburg machte, ist für Vertrieb und Marketing zuständig. Fischer, der seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann an der HAW Hamburg machte, ist für Produktstrategie und den Bereich Operations verantwortlich. Ihre erste gemeinsame Geschäftsidee war Jupidi (www.jupidi.de), ein SMS-Flirtdienst für junge Menschen.