Es darf auch mal geliehen werden

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Venture Loans haben in den USA schon vielen Start-ups den Weg zum Erfolg geebnet

Zahlreiche Adressen

Venture Loan oder Debt (VL) ist ein Darlehen mit gewissen Besonderheiten, die den Risiken, aber auch den Bedürfnissen junger Unternehmen Rechnung tragen. Nach VentureOne waren allein 2006 in den USA bereits 6 Mrd. USD an Venture Loans ausgereicht. Führend ist die Silicon Valley Bank, die seit 30 Jahren erfolgreich Venture Loans vergibt, weitere große VL-Fonds sind beispielsweise TriplePoint, die Facebook 2008 ein Venture Loan über 100 Mio. USD gewährten und heute insgesamt über 6 Mrd. USD an VL ausgegeben haben, sowie Lighthouse Capital Partners und Vencore Capital im Early Stage-Bereich. In Europa tritt vor allem Kreos Capital auf, die jüngst das Berliner Start-up Deliveryhero sowie zuvor Crytek und Spreadshirt in Deutschland finanzierten.

Höheres Risiko, höhere Zinsen

Meist erfolgt ein VL frühestens mit einer sogenannten A-Runden-Finanzierung. Man sieht jedoch bereits erste Darlehen in frühen Unternehmensphasen.

Zwar ist das Risiko für Fremdkapitalgeber deutlich höher als für klassische Venture Capital-Geber, denn diese machen etwaige Ausfälle in ihrem Portfolio durch die Überperformance von gut gehenden Investments wett. Dies kompensieren die Darlehensgeber dagegen durch hohe Zinsen (12 bis 20% p.a.), einen sogenannten Equity Kicker (5 bis 15% des VL) und der Abtretung aller Vermögenswerte, vor allem Immaterialgüterrechte (IP).

Early Stage Venture Debt

Man findet – zwar nur noch selten – auch in frühen Phasen eines Unternehmens Risikodarlehensgeber. Diese meist kleinen Fonds, Family Offices oder Business Angels müssen bei einem Early Stage Equity Investment selbst bei einem erfolgreichen Exit die Verwässerung kommender Finanzierungsrunden und die Liquidationspräferenzen später hinzukommender und damit weniger risikobereiter Investoren hinnehmen, bevor sich ihr Investment lohnt. Beim Frühphasen-Venture Loan dagegen erhalten sie meist neben den Zinsen einen sogenannten Warrant, der in Deutschland entweder als Wandelanleihe oder als ein Recht zur Zeichnung von Anteilen zu Nominalwert in einem bestimmten Ausübungsfenster ausgestaltet ist. So haben auch Business Angels die Möglichkeit, zu einer Frühphasenbewertung, jedoch mit Vorzugsrechten späterer Finanzierungsrunden, entweder ihr Darlehen vollständig in Eigenkapital zu wandeln oder Anteile am Unternehmen durch den Equity Kicker als Zusatzvergütung für ihr Darlehen zu erhalten.

Later Stage-Fremdkapitalfinanzierung

Im Rahmen einer Finanzierungsrunde mit namhaften Kapitalgebern ab der sogenannten A-Runde kann Venture Capital mit einem Venture Loan kombiniert werden. Das Darlehen hat häufig eine Laufzeit von drei Jahren und wird meist ab sofort in monatlichen Raten zurückbezahlt. Der Vorteil für die Gründer ist die Erweiterung ihrer Kapitalisierungslaufzeit (Run Rate), ohne durch einen weiteren Kapitalgeber zusätzlich verwässert zu werden. Auch hier findet sich meist ein Equity Kicker.

Rechtliche Besonderheiten

Rangrücktritt: In Deutschland wird ein VL zur Vermeidung bilanzieller Überschuldung mit einer Rangrücktrittserklärung ausgestattet. Damit tritt der VL-Geber hinter allen Gläubigern der Gesellschaft zurück. Damit hat das Darlehen bilanziell und insolvenzrechtlich gesehen Eigenkapitalcharakter.

Sicherheiten: Meist werden alle Assets der Gesellschaft zur Sicherheit verpfändet und Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an den Darlehensgeber abgetreten. Dies stärkt dessen Rechte im Insolvenzfall, muss jedoch zugleich mit der Rangrücktrittserklärung in Einklang stehen.

Zinswucher: Ein Zins, der mehr als das Doppelte des marktüblichen Zinses beträgt, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sittenwidrig sein. Wie die Gerichte dies bei einem VL sehen, ist derzeit noch nicht entschieden. Bei einem VL jedoch ist zu beachten, dass der Kapitalgeber ein enormes Risiko eingeht, das Unternehmen noch nicht profitabel und meist auch noch nicht bis hin zur Profitabilität durchfinanziert ist. Damit dürfte nach meiner Auffassung bei den vorgenannten Zinssätzen noch kein vom BGH gefordertes „auffälliges Missverhältnis“ von Leistung (Kreditgewährung) und Gegenleistung (Zinszahlung plus Equity Kicker) gegeben sein. Mit zunehmender Beliebtheit dieser Finanzierungsform jedoch dürfte diese Frage die Gerichte früher oder später einmal beschäftigen. Daher ist eine gute Dokumentation der Abwägungen und Überlegungen bei der Festlegung der Gegenleistung ratsam.

Übersicherungsrisiko: Ab einer Bewertung der Sicherheit von mehr als 110% bis 150% der Darlehenssumme ist nach ständiger Rechtsprechung eine Freigabeklausel aufzunehmen, wonach die Sicherheiten automatisch mit Erreichen der entsprechenden Sicherheitenbewertung freigegeben werden.