„Gerade KMU genießen in Mecklenburg-Vorpommern große Aufmerksamkeit“

VC Magazin: Mecklenburg-Vorpommern verbinden viele Deutsche mit beliebten Urlaubszielen und traumhaften Landschaften. Wo sehen Sie die Stärken des Wirtschaftsstandorts? Wo besteht Nachholbedarf?

Bräuer: Die Schönheit unserer Heimat ist tatsächlich ein wichtiges Pfund, mit dem wir wuchern können. Unternehmer, Investoren und Mitarbeiter genießen hierzulande eine hohe Lebensqualität. Das allein reicht aber natürlich nicht aus, um Kapital anzuziehen. Großindustrie wie in anderen Bundesländern findet man hierzulande weniger, dafür ist die Wirtschaftsstruktur, die früher vor allem von Landwirtschaft, Tourismus und maritimer Industrie geprägt war, mittlerweile enorm vielseitig geworden. Die Politik fördert sehr intensiv innovative Unternehmen und Technologien. Gerade kleine und mittlere Firmen genießen bei uns große politische Aufmerksamkeit und finden immer ein offenes Ohr.

VC Magazin: In den Investitionsstatistiken des Branchenverbands BVK ist Mecklenburg-Vorpommern beim direkten Ländervergleich meist im Mittelfeld zu finden. Was muss getan werden, um mehr Beteiligungskapital ins Land zu locken?

Bräuer: Oh ja, Statistiken! Eine Umrechnung auf die Einwohnerzahl würde beispielsweise ein anderes Ergebnis liefern. Den Platz im Mittelfeld sehe ich positiv. Aber natürlich besteht Nachholbedarf: Es gibt bei uns leider nur wenige wirtschaftsnahe Forschungsinstitute und kaum Konzerne, aus denen sich Spin-offs entwickeln könnten. Zudem fehlt eine Generation an erfahrenen Unternehmen, die junge Firmen begleiten könnten. Daher gilt es, den Technologietransfer aus dem Hochschul- und Forschungsbereich heraus zu fördern und Investoren auf die Standortvorteile aufmerksam zu machen.

VC Magazin: Welche Wirtschaftssektoren bieten attraktive Chancen für Finanzinvestoren?

Bräuer: Das Bundesland hat in der Lebensmitteltechnologie eine starke Stellung eingenommen und sich vom reinen Erzeuger z.B. zum Verarbeiter und Veredler entwickelt. Regenerative Energien haben hier einen hohen Stellenwert für die Stromerzeugung, drei unserer letzten fünf Investments lagen im Bereich Cleantech. Ein politischer Förderschwerpunkt liegt auf dem Life Sciences-Sektor, besonders auf Bereichen wie Medizintechnik, regenerative Medizin, Biosystemtechnik oder Plasmatechnologie. Bei Genius setzen wir außerdem stark auf Unternehmen aus dem Bereich Information und Kommunikation.  

VC Magazin: Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen für Unternehmensgründungen in Ihrem Bundesland im Allgemeinen?

Bräuer: Die hohe Förderintensität spielt hier nach wie vor eine große Rolle. Mecklenburg-Vorpommern ist Ziel-1-Fördergebiet der Europäischen Union, und auch die Landesregierung hat – übrigens über alle Parteigrenzen hinweg – in der gezielten Unterstützung von Technologieunternehmen immer einen Schwerpunkt in der Wirtschaftsförderung gesehen. Einen großen Stellenwert nimmt aktuell der Technologietransfer ein: Die Landesregierung hat mit dem Projekt Verbundforschung deutliche Akzente gesetzt. Nichtsdestotrotz müssen junge Unternehmen wie überall ordentlich Elan mitbringen, denn Fördermittel regnet es auch hierzulande nicht vom Himmel.

VC Magazin: Genius investiert in junge Unternehmen und wird dabei im Rahmen des Projektes „Gründungshilfe für technologieorientierte Unternehmen“ von der Landesregierung unterstützt. Welche Leistungen bieten Sie über finanzielle Rückendeckung hinaus?

Bräuer: Unser finanzielles Engagement ist natürlich die wichtigste Leistung. Aber wir sind kein stiller Investor: Wir leisten aktive Managementunterstützung, stellen unser Netzwerk zur Verfügung und agieren als Sparringspartner bei allen Fragen der Unternehmensentwicklung. Wir investieren seit 1998 in junge Unternehmen, deshalb sind wir bundesweit bei anderen Venture Capital-Gesellschaften bewährte Partner und können daher für unsere Portfoliounternehmen auch weitere Investoren ansprechen.

VC Magazin: Welche Unternehmen haben eine Chance, mit Ihnen ins Gespräch zu kommen?

Bräuer: Wir sind branchenoffen und setzen auf innovative Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf einer eigenen Technologie basiert. Wenn der Erfolg einer Sache vordergründig von einer ausgeklügelten Marketingstrategie abhängt, sind wir eher zurückhaltend. Die wichtigste Komponente eines jeden Start-ups ist und bleibt aber das Team.

VC Magazin: Vielen Dank, Herr Bräuer!

Zum Gesprächspartner
Uwe Bräuer ist Geschäftsführer der Genius Venture Capital GmbH. Der Frühphaseninvestor wurde 1998 mit dem Ziel gegründet, kleine und mittlere, technologieorientierte Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern bei der Beschaffung sowie Bereitstellung von Eigenkapital zu unterstützen.