Nachgefragt bei Prof. Dr. Heinrich von Pierer, Pierer Consulting

VC Magazin: Es gibt nun auch eine Allianz für Venture Capital, bei der sich viele Verbände zusammengeschlossen haben, um dieses Thema noch weiter voranzutreiben. Der BVK hat dazu auch ein Eckpunktepapier mit Vorschlägen an die Bundesregierung veröffentlicht. Für wie wichtig halten Sie Brancheninitiativen aus der Wirtschaft?
von Pierer: Es ist wichtig, dass die Politik sieht, dass hinter diesem Anliegen eine große Zahl ernst zu nehmender Leute stehen. In der Politik bewegen sich Dinge, indem sie zum Thema gemacht werden.

VC Magazin: Aktuell gibt es Bestrebungen, wieder ein Börsensegment für Technologieunternehmen zu schaffen. Wie bewerten Sie diese Aktivitäten?
von Pierer: Aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit wird dies in der Öffentlichkeit als problematisch gesehen. Es ist ein wichtiger Punkt, aber man wird mit einem Börsensegment für junge Technologieunternehmen auch nur weiterkommen, wenn diese Kapitalgeber finden. So kommen wir wieder zum Ausgangspunkt. Theoretisch gibt es auch jetzt schon Möglichkeiten für ein IPO, nur fehlt es an Pensionskassen, Stiftungen, Versicherungen und Aktienfonds, die durch ein langfristiges Engagement in Technologieunternehmen die Voraussetzung für solche erfolgreichen Börsengänge schaffen.

VC Magazin: Es gibt aktuell Diskussionen, den Invest – Zuschuss für Wagniskapital in Zukunft mit Steuerfreiheit zu versehen. Vom Start im Mai 2013 bis Mai 2014 wurden von den bereitgestellten 150 Mio. EUR nur etwa 5 Mio. EUR abgefragt. Hat eine Steuerfreiheit die Kraft, mehr Angels in diesen Bereich zu holen?
von Pierer: Die Frage ist, was die Gründe für die mangelnde Inanspruchnahme sind. Ist das Programm nicht attraktiv genug, die Bürokratie zu groß oder ist es bei den jungen Unternehmen nicht bekannt genug? Ich glaube, man muss sich mit den Ursachen dieses nicht gelungenen Starts befassen. Man spricht auch von 23 Mio. EUR, die 2014 für Business Angels bereitstehen. Ich weiß nicht, wie viel davon in Anspruch genommen wird. Ich möchte aber nicht nur die Politik kritisieren, es liegt auch am gesellschaftlichen Umfeld. Wenn in Deutschland Menschen reich werden, hat das in der Öffentlichkeit meist einen Beigeschmack. Ein Mark Zuckerberg ist in Deutschland aus verschiedenen Gründen schwer vorstellbar.

VC Magazin: Dabei wären die politischen Rahmenbedingungen leichter zu schaffen als ein gesellschaftlicher Wandel…
von Pierer: Ein gesellschaftlicher Wandel braucht Zeit. Betrachtet man beispielsweise die Venture Capital-Szene in Israel: Dort gab es 5.000 Start-ups in einem Land mit rund 8 Millionen Einwohnern. Würde man das auf Deutschland umrechnen… Allerdings sollte man nicht alles schlechtreden. Wir haben große Fortschritte gemacht. Beispielsweise hat sich in Martinsried einiges getan oder im Medical Valley in Erlangen, das im Umfeld von Siemens gegründet wurde und heute weit darüber hinausgeht. Und es gibt in Deutschland weitere solche Beispiele. Das sind hoffnungsvolle Ansätze. Diesen Unternehmen muss geholfen werden! Wir haben häufig sehr gute Wissenschaftler und Erfinder, aber schon die praktische Umsetzung einer Erfindung in eine Pilotanlage oder in ein erstes Produkt macht Schwierigkeiten. Um zur Marktreife zu kommen, brauchen die Leute Hilfe. Und hier spielen Business Angels eine so große Rolle.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview, Herr von Pierer.

 

Zur Person:
A1 Heinrich Pierer1Prof. Dr. Heinrich von Pierer
ist selbstständiger Unternehmensberater bei Pierer Consulting. Davor war er im Aufsichtsrat der Deutschen Bank AG. Von 1992 bis 2005 war er Vorstandsvorsitzender der Siemens AG und von 2005 bis 2007 deren Aufsichtsratsvorsitzender.