Und raus bist du…

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Bisherige Bedingungslösung

Schon im Jahr 1953 entschied der BGH, dass der Ausschluss eines Gesellschafters erst mit der Abfindungszahlung wirksam wird. Für die Einziehung von Geschäftsanteilen wurde diese Rechtsprechung bislang entsprechend angewendet. Dabei konterkarierte diese „Bedingungslösung“ oft den Zweck der Einziehung. Dies war insbesondere der Fall, wenn die Einziehung aus wichtigem Grund beschlossen wurde, um einen unliebsamen Mitgesellschafter endlich „loszuwerden“. Hier verblieb der Gesellschafter noch lange in der Gesellschaft und konnte großes Störpotenzial entfalten, obwohl eine weitere Zusammenarbeit als unzumutbar betrachtet wurde. Im Falle der Abfindungszahlung in Raten konnte der Gesellschafter noch über Jahre Teile seiner Mitgliedschaftsrechte ausüben.

Neue Lösung des BGH: Persönliche Haftung

In seiner Entscheidung Anfang diesen Jahres hat der BGH (24.01.2012 – II ZR 109/11) einen lange bestehenden Meinungsstreit entschieden. Die Wirksamkeit der Einziehung ist nun nicht mehr von der Zahlung der Abfindung abhängig. Lediglich wenn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung nicht aus freiem Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden kann, soll der Einziehungsbeschluss weiter nichtig sein. Ist diese Hürde aber übersprungen, wirkt die Einziehung bereits mit Bekanntgabe. Der Abfindungsanspruch wird nunmehr dadurch gesichert, dass die Gesellschafter – als Ausnahme zur sonst geltenden beschränkten persönlichen Haftung (§ 13 Abs. 2 GmbHG) – für die Leistung der Abfindung pro rata gemäß ihrer Beteiligung an der GmbH persönlich haften. Die Haftung wird dabei mit der Treuepflicht der Mitgesellschafter begründet, beziehungsweise damit, dass die Gesellschafter mit der Einziehung bewusst dieses Haftungsrisiko in Kauf nehmen. Wenn sie aber die Gesellschaft weiterführen wollen, um einen wirtschaftlichen Mehrwert abzuschöpfen, sollen sie auch das Risiko persönlicher Haftung tragen. Durch die Vernichtung der eingezogenen Geschäftsanteile werde schließlich auch der Wert der übrigen Anteile de facto gesteigert. Vermeiden ließe sich das Haftungsrisiko demnach nur durch die wirtschaftlich in der Regel nicht gewollte Auflösung der Gesellschaft.

… und alle Fragen offen

Ganz so dramatisch ist es nicht. Offen bleiben jedoch weiterhin wichtige Detailfragen. Sollen tatsächlich alle verbleibenden Gesellschafter persönlich haften? Oder nur jene, die für eine Einziehung gestimmt haben, ähnlich wie bei der Umwandlung einer GmbH in eine Aktiengesellschaft, bei der nur die zustimmenden Gesellschafter haften (§§ 245 I, 197 UmwG)? Wie geht man mit dem Folgeproblem von Trittbrettfahrern um? Bisher kommt der wirtschaftliche Zuwachs, der durch die Anteilsvernichtung entsteht, unabhängig von ihrem Stimmverhalten allen Gesellschaftern zugute. Hier muss geklärt werden, wie das neue Haftungsrisiko zu kompensieren ist. Sollten nicht nur jene von einer Wertsteigerung ihrer Anteile profitieren, die sich durch den Einziehungsbeschluss einer persönlichen Haftung unterworfen haben? Auch muss man sich fragen, ob die Bedingungslösung nicht auch bei bestimmten Fällen des Ausschlusses eines Gesellschafters, das heißt in den Fällen in denen die Satzung kein Einziehungsregime vorsieht, aufgegeben werden muss.

Handlungsbedarf

Für die Gestaltung eines GmbH Gesellschaftsvertrages, auch und gerade für Altverträge, die bisher keine oder nur unzureichende Regelungen hierzu enthalten, sowie für etwaige Gesellschaftervereinbarungen, Shareholders‘ Agreements et cetera ergeben sich damit neue Erfordernisse, die die Gesellschafter zu erörtern und zu verhandeln haben:

  • Wen soll eine etwaige persönliche Haftung treffen?
  • Fällt die Wahl hier auf die die Einziehung betreibenden Gesellschafter, muss geklärt werden, ob das Haftungsrisiko vergütet wird.
  • Soll ein Anspruch der haftenden Gesellschafter auf Übertragung des durch die Einziehung entstandenen Wertgewinns gegen die nicht haftenden Gesellschafter vorgesehen werden?
  • Gibt es gegebenenfalls anderweitige Sicherungsmöglichkeiten des Abfindungsanspruches?
  • Wie auch bisher(!), ist für die Anpassung der Summe der Nennwerte sämtlicher Geschäftsanteile an das Stammkapital zu sorgen.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH, bereits auf den früheren Zeitpunkt der Bekanntgabe abzustellen, ist vorteilhaft für Unternehmen. Denn damit kehrt sofort Ruhe ein, auch wenn eine Abfindung über Ratenzahlung beglichen wird. Wichtige Detailfragen, die sich mit den Konsequenzen für die verbleibenden Gesellschafter beschäftigen, bleiben aber leider ungeklärt. Für bestehende GmbH-Verträge, bei denen zwischen allen Gesellschaftern ein auskömmliches Miteinander herrscht, gibt es daher nur eine vernünftige Option: Schnellstmöglich eine klare Regelung der Voraussetzungen und des Verfahrens der Einziehung finden, solange alle Seiten an einem Strang ziehen. Bei Verträgen, die neu geschlossen werden, besteht darüber hinaus schon im Vorfeld die Chance, alle Gesellschafter über etwaige Konsequenzen aufzuklären. In beiden Fällen vermeidet man langwierige Streitigkeiten in späteren Konfliktfällen.

Weiterer Autor
Neben Marcus Pickel hat auch Fabian Römer, Referendar bei WilmerHale, an dem Artikel mitgewirkt.