Wie ein Frühwarnsystem für Investoren aussehen kann

Panthermedia/Detlef Krieger
Wenn Finanzkennzahlen nicht ausreichen, braucht es andere Indikatoren als Frühwarnsystem.

Erfolgreiche Frühindikatoren

Neben den klassischen Finanzkennzahlen haben sich in der Praxis des Turnarounds bei Industrieunternehmen folgende Indikatoren bewährt:

Erstens die Anzahl der Angebote mit einem Preisnachlass unterhalb der Profitziele und/oder erweiterten Zahlungszielen; entscheidend ist aber auch die Anzahl der Angebote mit Finanzierung im Verhältnis zu allen Angeboten. Diese Indikatoren zeigen, welchem Preis- und Finanzierungsdruck der Vertrieb nachgeben muss, um ein Geschäftsvolumen zu erzielen, das für das Überleben des Unternehmens notwendig ist.

Zweitens die Anzahl der konkreten Kundenanfragen und die Trefferquote. Die „Trefferquote“ ist die Anzahl der verbindlichen Angebote im Verhältnis zu den gewonnenen Aufträgen. Der erste Indikator zeigt, wie hoch die Investitionsneigung der Kunden tatsächlich ist; die Trefferquote wiederum, wie hoch die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens ist.

Drittens die durchschnittliche Vertriebsspanne in den verbindlichen Angeboten: dieser Indikator zeigt, ob die zukünftige Profitabilität ausreicht, um die Ergebnisziele zu erreichen.

Die Mitarbeitereinstellung – oft der Schlüssel zum Erfolg

Enorm wichtig und enorm unterschätzt ist als Indikator auch die Mitarbeitereinstellung während einer Restrukturierung. In der Praxis hat sich eine Blitzlicht-Umfrage bewährt, die einmal im Monat via E-Mail oder Intranet durchgeführt wird. Die Umfrage besteht aus fünf kurzen Statements, die die Mitarbeiter innerhalb weniger Minuten beantworten können – am besten auf einer Skala von 1-5, von „zutreffend“ bis „nicht zutreffend“. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten, sollten die Fragen so einfach wie möglich gestellt werden.

Beispiel für einen Fragebogen zu Beginn einer Restrukturierung:

  1. Hat Ihr Vorgesetzter Ihnen die Situation des Unternehmens erläutert?
  2. Sind Sie überzeugt, dass ein Weitermachen wie bisher das Unternehmen in eine schwere Krise stürzen wird?
  3. Wurden Ihnen die Maßnahmen der Restrukturierung von Ihrem Vorgesetzten verständlich erläutert?
  4. Wirken Sie aktiv an einer der Maßnahmen mit?
  5. Glauben Sie, dass das Unternehmen langfristig eine Zukunft hat?


Aufbau und Analyse des Fragebogens

Die Fragen richten sich nach den Stufen, die ein Mitarbeiter in einer Umbruchsituation durchlebt: Erstens die Lage verstehen. Zweitens überzeugt sein, dass sich etwas ändern muss. Drittens verstehen, was sich ändern muss. Viertens sich an den Maßnahmen beteiligen. Und fünftens glauben, dass diese Maßnahmen eine Wirkung zeigen. Essenziell ist, dass mindestens eine Frage über den Zeitverlauf der Restrukturierung gleich bleibt; sie bildet den Trendindikator. Auf keinen Fall sollte sie die allgemeine Stimmung oder Zufriedenheit betreffen. Am besten eignet sich als Indikator die Frage nach der aktiven Beteiligung der Mitarbeiter (Frage vier im Musterbeispiel). Die Gründe liegen auf der Hand: Am Anfang einer Restrukturierung steht meist ein massiver Vertrauensverlust der Mitarbeiter und die Sorge und Ungewissheit, wie es mit der Firma weitergeht; zu diesem Zeitpunkt werden nur sehr wenige die Frage mit „zutreffend“ beantworten. Denn eine aktive Beteiligung der Belegschaft erfolgt erst, wenn das „Tal der Tränen“ durchschritten ist.

In der Praxis hat sich beim Frühindikator Mitarbeitereinstellung eine zeitversetzte Korrelation zur Profitentwicklung eingestellt, die allerdings branchenabhängig ist: Bei einem Automobilzulieferer zeigt sich die Wirkung beispielsweise um ein halbes Jahr versetzt, im Anlagenbau dagegen um ein Jahr oder mehr.

Fazit:

Selbstverständlich können einzelne Mitarbeiteräußerungen in einer Umbruchphase das Gegenteil andeuten, aber in der Summe ihrer Meinungen liegen die Mitarbeiter meist nicht daneben. Man könnte es „Schwarmintelligenz“ nennen – und das schlägt selbst Expertenmeinungen. Diese Frühindikatoren helfen allerdings nur, wenn das Management daraus die notwendigen Schlussfolgerungen konsequent und zügig zieht – wie zum Beispiel weitere Maßnahmen aufzusetzen. Direkt engagierte Investoren können mit diesen Frühindikatoren das Management rechtzeitig beim Erreichen der Ergebnisziele beraten und kontrollieren.

Jörg BürkleUwe ScharungeZu den Autoren
Jörg Bürkle und Uwe Scharunge sind geschäftsführende Gesellschafter bei Bürkle, Scharunge + Partner (www.bsp-interim.com). Als Interim Executive Manager führen sie Integration, Restrukturierung und Neuorientierung in multinationalen Firmen durch – und halten dabei Geschäftsführern und Investoren den Rücken frei. Seit über 20 Jahren sind beide in leitenden Positionen bei technischen und internationalen Firmen tätig. Besondere Erfahrung haben sie mit investorgeführten Unternehmen.