FinTech-Roundtable des VentureCapital Magazins

VC Magazin: Brauchen wir in Zukunft dann eigentlich noch Bankfilialen?

Diemer (Kreditech): Nein. In zehn Jahren wird die Bankfiliale, ähnlich wie der stationäre Einzelhandel heute schon, weitestgehend digitalisiert sein. Anders als im E-Commerce benötigen Banken dafür nicht einmal eine Logistikinfrastruktur (Lager, Versand, Retouren etc.). Banken handeln Zahlungsströme und Informationen – dafür ist ein physischer Kontakt nicht notwendig. Banken werden rund um die Uhr, sieben Tage die Woche über das Handy bzw. den Computer erreichbar sein.

VC Magazin: Wie steht es um die heute zum Einsatz kommende Technologie?

Kröner 2Kröner (Fidor Bank): Die Tech-Komponente von Financial Technologies ist der wesentliche Punkt, über den wir natürlich noch sprechen müssen. Für uns es ist es eines der Horroszenarien, dass die Systeme und die Software, die wir heute haben, in fünf Jahren komplett obsolet sind und dann wir als die Dinosaurier bezeichnet werden. Deswegen sind unsere Vorbilder die modernen Social Media- und Hochtechnologie-Unternehmen. Google beispielsweise überarbeitet und ersetzt bzw. verbessert seinen Code laufend. Da müssen auch wir hinkommen. Diese Tech-per-se-Komponente ist extrem wichtig und wird viel zu wenig erkannt. Das Ergebnis liegt auf der Hand: Die Core Banking-Systeme der alten Zunft sind schlicht nicht in der Lage, mit den modernen Entwicklungen Schritt zu halten. Genau da setzen richtig verstandene und angewendete Financial Technologies an. FinTech ist also weit mehr als nur die Entwicklung einer lustigen Mobile-App.

VC Magazin: Big Data Scoring ermöglicht unter Zuhilfenahme von Kundenprofilen aus Social Networks Kreditwürdigkeiten zu prüfen. Würden Sie sagen, das macht irgendwann die BaFin oder die Schufa obsolet?

Artopé (Smava): Nein, ich denke nicht. Denn die Schufa, mit der auch wir im Rahmen unseres p2p-Finanzierungsangebotes „kreditprivat“ zusammenarbeiten, ist ein wichtiges Basistool für die Prüfung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern. Die meisten FinTech-Ansätze sind ja eher komplementärer Natur. Beispielsweise kann man den Online-Kreditvergleich von smava nehmen: Anstatt auf vier oder fünf verschiedenen Webseiten seine Daten einzugeben, erhält ein Kunde durch eine Dateneingabe über zehn verschiedene Angebote – durch die Schnittstellen zu den Partnerbanken alles in Echtzeit. Diese höhere Einfachheit von Finanzprodukten ist es ja, was FinTech für Kunden so attraktiv macht.

VC Magazin: Wer kontrolliert Social Data Mining? Menschen geben tagtäglich Unmengen von Daten über verschiedene Kanäle ein, FinTech-Unternehmen nutzen diese. Aber wer hat das Ganze in der Hand?

Piela (Avuba): Seien wir mal ehrlich: der User. Man muss sich immer fragen: „Was will ich mit den Daten machen, wenn ich mich im Netz bewege?“; und auf der anderen Seite: „Was passiert dann mit diesen Daten?“ Diese strikte Trennung zwischen Privat und Beruf gibt es heute nicht mehr, weshalb die Ansprüche an Datenschutz, Vertrauen und Reputation für ein Unternehmen im FinTech-Bereich genauso hoch sind wie an eine Bank.

DiemerHaas 2Diemer (Kreditech): Wir sind unter der Hypothese gestartet, fünf Milliarden Menschen auf der Welt, die heute keinen Kreditscore und somit Zugang zu Bankenprodukten, Handyverträgen, Girokonten haben, mit einem Kreditscore zu versehen. Im Grunde lässt sich der ganze Wertschöpungskanal einer Bank durch Daten anreichern. Das fängt bei der Akquisition des Kunden an, das geht im Scoring weiter und zieht sich durch den kompletten Lebenszyklus des Konsumenten. Daten ermöglichen bessere Produkte, effizienteres Marketing, günstigere Preise für den Kunden. Das kann ein Algorithmus wesentlich besser als ein menschlicher Finanzberater, der ebenso versucht, diese Daten zu erfragen bzw. zu verarbeiten. Heißt: Daten schaffen Kundennutzen. Natürlich können Daten, wie andere Besitztümer, durch Kriminelle entwendet und zweckentfremdet werden. Das sollte aber nicht im Kern der Debatte stehen

VC Magazin: VC Magazin: Werden Schufa und andere Scoring-Modelle aussterben?

Gruppe

Haas (Investor):Es gibt immer zwei Faktoren, den Kunden und die Effizienz der Bank. Die Frage ist stets, welche Relevanz ein Produkt für den Kunden hat – wird das Produkt dadurch für den Kunden besser, dass wir uns Schufa-Scorings oder Social Media Scorings anschauen? Man kann die Daten für beides verwenden, sowohl für die Effizienz und skalierbare Prozesse, aber auch für einen höheren Kundennutzen.

VC Magazin: Warum funktioniert so etwas aber nicht in Deutschland?

Hoppe (main incubator): Wir haben in Deutschland eine Behörde, die sich auf den Plan schreibt, Kunden sowie Kundendaten insbesondere in der Finanzindustrie zu schützen. Dies ist sehr gut und auch wichtig, sorgt jedoch in einigen Fällen durch einen erhöhten Prüfungsaufwand zu Verzögerungen bei der Umsetzung von Innovationen. Ein weiterer Aspekt ist das konservativere Nutzerverhalten deutscher Bankkunden, was die Nachfrage nach innovativen Produkten zusätzlich limitiert. Bei unserer Analyse von Märkten wie Polen, Russland, Mexiko waren wir sehr erstaunt darüber, dass einige Banken in diesen Ländern innovativer sind als hierzulande! Ich wäre froh, wenn unsere Institute in fünf Jahren da wären, wo die polnischen Pioniere wie MBank oder Allio heute schon sind.

VC Magazin: Können Banken darauf aufbauen, kann denn eine Bank in diesem Kontext denken?

Hoppe (main incubator): Ich bin mir sicher, dass Banken das können, und es wird ja auch schon mehr und mehr versucht, diese Daten gezielt für einen höheren Kundennutzen einzusetzen. Somit nähert sich die Verwendung auch stärker an das technisch Machbare an.