Wasser und überprüft erst dann, wie tragfähig das Vorhaben ist. VC Magazin: Frau Schneider – wie identifizieren Sie bei weltweit mehr als 117.000 BASF-Mitarbeitern diejenigen, die eine Idee weiter umsetzen wollen? Schneider: Das ist eine spannende Frage. In der Regel sind dieje- nigen, die bei unserem Programm teilnehmen, nicht die jungen „Techies“, wie man sie vielleicht aus der Start-up-Szene in München oder Berlin kennt. Wir arbeiten eher mit erfahrenen B2B-Spezialisten, die überall in der Organisation verteilt sind. Sehr interessant an der Arbeit mit den Intrapreneuren finde ich das Spannungsfeld zwischen Risikoaffinität, die es für eine Gründung braucht, auf der einen Seite und dem Sicherheitsbe- dürfnis, das zum Beispiel daraus resultiert, dass viele bereits kleine Kinder haben, auf der anderen Seite. Es ist sicher nicht einfach, in unserer großen Organisation über Veranstaltungen und Ähnliches unsere Message zu streuen, aber da die von uns adressierten Mitarbeiter Lust darauf haben, eigene Projekte umzusetzen, erleben wir viel Proaktivität. VC Magazin: Wo kann ein Inkubator helfen, das richtige Team zusammenzubringen und gegebenenfalls auch fehlende Fähig- keiten zu ergänzen? Schneider: Ich denke, das ist einer der Punkte, bei dem ein sol- ches Programm seine Stärken ausspielen kann, weil es externe und interne Kompetenzen zusammenbringt. Wenn wir bei- spielsweise ein Deeptech-Start-up aufbauen und feststellen, dass wir in einem bestimmten Bereich an unsere digitalen Kom- petenzgrenzen kommen, können wir von außen Teammitglieder anwerben – und sind dabei nicht an die Geschwindigkeit des Konzerns gebunden, sondern können unsere eigenen Prozesse so gestalten, wie es unseren Ventures am meisten hilft. VC Magazin: Welche Herausforderungen sind zu meistern, wenn Mitarbeiter zu Unternehmern werden? Schneider: Eine wiederkehrende Erscheinung sehen wir beim Thema Mindset. Die Umstellung vom sicheren Konzernumfeld mit geregelten Arbeitszeiten, geringem Risiko und – abhängig von der Position – relativ geringer Eigenverantwortung hin zu eigenständiger Verantwortlichkeit für sein Thema ist ein Be- reich, bei dem wir häufig Schwierigkeiten sehen und dement- sprechend auch viel Unterstützung geben. Hier hilft es, wenn man auch den Austausch mit erfahrenen Gründern befördert, da diese viele Probleme bereits erlebt haben. Siebert: Der Austausch ist auch meines Erachtens ein sehr wich- tiger Aspekt: Obwohl wir alle unterschiedliche Bereiche adres- sieren, wiederholen sich die Themen. So wollen wir beispiels- weise alle Kunden akquirieren, müssen vor Investoren pitchen oder vor unseren Boards Rechenschaft ablegen. Durch den engen Austausch mit anderen Teams im Inkubator können alle aus den Erfahrungen der anderen lernen. Gleichzeitig kann man an den Entwicklungen der anderen Ventures erahnen, wann man an welche Punkte der Unternehmensentwicklung kommt. VC Magazin: Hatten Sie Vorbehalte, mit Unterstützung Ihres Arbeitgebers zu gründen, Herr Dr. Siebert? Siebert: Nicht in der Hinsicht, dass wir Sorge gehabt hätten, dass die BASF uns in irgendeiner Form in die Umsetzung des Start- ups hineinredet – auch weil wir ein Thema adressieren, das innerhalb des Konzerns kaum bekannt ist. Auch der Umstand, dass wir mit Wettbewerbern der BASF sprechen, ist nichts, was zu Sorgen geführt hätte, weil das etwas ist, das der Chemie- industrie gar nicht fremd ist, da häufig Lieferanten- und Kun- denbeziehungen gleichzeitig bestehen. Natürlich kam am An- fang die Frage seitens des Konzerns auf, ob die Idee wirklich als eigenständiges Unternehmen aufgebaut werden soll und wel- chen Wert das am Ende für die Firma noch hat – Stichwort: Netzwerkeffekt –, aber ich glaube, das ist auch das Recht eines jeden Investors. Kurzum: Operativ redet uns niemand rein, strategisch müssen wir Rechenschaft ablegen. Schneider: Wie viel Einfluss der Konzern nimmt, kommt auch immer auf das Set-up des Inkubator-Programms an. Wir haben als eigenständige Tochtergesellschaft die Freiheit, unsere Pro- zesse so aufzusetzen, wie es für uns und unsere Ventures am meisten Sinn stiftet. VC Magazin: Werden beim Austausch mit potenziellen Intrapre- neuren gewisse Bedenken besonders häufig vorgetragen, Frau Schneider? Schneider: Ich würde nicht von Bedenken sprechen – vielmehr sind es Fragen dazu, wie ein Inkubationsprozess abläuft, welche Folgen die Teilnahme daran für die aktuelle Stelle hat, ob man die Möglichkeit hat, in die alte Position zurückzukehren et cetera. Dass diese Punkte aufkommen, ist ganz natürlich, weil das persönliche und finanzielle Risiko, das man eingeht, ein ganz anderes ist als im Angestelltenverhältnis. Viele finden erst im Lauf der zweijährigen Reise heraus, ob sie wirklich gründen möchten. Auch werden wir damit konfrontiert, ob denn aus Konzernmitarbeitern überhaupt Gründer werden können. Da- bei übersehen viele die Vorteile, die Intrapreneure mitbringen: Stamina bei interner Politik, Netzwerke und Kontakte entlang der gesamten Supply Chain, tiefes Prozesswissen und die jahre- lange Industrieexpertise. Dieses Wissen führt dazu, tief liegen- de Problemstellungen in der Industrie überhaupt erst ent- decken zu können. Lösungen für diese Probleme haben ein viel höheres finanzielles Hebel- und Skalierungspotenzial. Siebert: Ein weiterer wichtiger Punkt ist die interne Fehlerkultur. Wenn ein Projekt fliegt, ist natürlich alles gut – aber was passiert, wenn eine Idee nicht funktioniert? Bedeutet dies das Karriereende oder wird es positiv aufgenommen, weil man es versucht hat, eigenständig Dinge umgesetzt hat, und Scheitern bei Start-ups schlicht und ergreifend nichts Ungewöhnliches ist? Letzteres passiert übrigens bei Projekten, die innerhalb eines Konzerns umgesetzt werden, noch häufiger als bei Start- ups. VC Magazin: Frau Schneider, Herr Dr. Siebert, vielen Dank für das Gespräch. benjamin.heimlich@vc-magazin.de 33 Start-up 2021