Gewinner und Verlierer nicht ganz teile. Am meisten getroffen hat es die Start-ups, die sich zu Beginn der Krise mitten im Markteintritt befanden und zumindest in Teilen auf klassi- schen B2B-Vertrieb angewiesen oder in den am stärksten be- troffenen Marktsegmenten wie Tourismus oder Gastronomie aktiv waren. Manche dieser Unternehmen haben jetzt ein bis anderthalb Jahre in ihrer Entwicklung verloren und brauchten starke Venture Capi tal-Partner, die auch in der Krise zu ihnen stehen. Der Reiz des Gründens scheint in unserem Umfeld jedenfalls ungebrochen – insofern ist die Community intakt und stark. Wie beurteilen Sie das aktuelle Preisniveau im Markt? Paul-Josef Patt, CEO und Managing Partner, eCapital Das Preisniveau ist in den ersten drei Mona- ten der Schockstarre deutlich runtergegan- gen, hat sich mittlerweile aber erstaunlich erholt. In einzelnen Bereichen sehen wir auch eine Überhitzung. In Deutschland und Europa gibt es – im Vergleich zu den USA – jedoch noch immer attraktive Bewertungen, weshalb wir auch verstärkt ausländische Venture Capital-Gesellschaften hier sehen. Auch sind die Renditen hierzulande teils wesentlich besser als in den USA. Paul-Josef Patt Dr. Ansgar Schleicher, Vorstand, S-UBG Aachen Das Preisniveau ist sehr hoch. Es ist viel Kapital im Markt. Die anhaltende Niedrigzinsphase treibt viel Kapital in chancen-, aber auch risikoreichere Anlageformen. Plakative, große Exits ver- stärken den Effekt. Wir versuchen, da eher mäßigend zu wirken. Für uns wird der Preis noch immer primär durch den aktuellen Stand des Unternehmens und das Potenzial bestimmt, und wir gehen nicht jeden Preis mit. Welche Unternehmen beziehungsweise Branchen haben Sie aktuell verstärkt im Fokus? Paul-Josef Patt, CEO und Managing Partner, eCapital Zwei aktuelle Schwerpunkte sind für uns Cybersecurity und Deeptech. Aber auch B2B-Software war und ist weiterhin ein wesent liches Thema für uns. Juliane Hahn, Managing Partner, Signature Ventures Wir sind fokussiert auf Unternehmen im Bereich Distributed Ledger Technology, gängiger auch als „Blockchain“ bezeichnet. In diesem Bereich konzentrieren wir uns auf Infrastruktur, Open- oder auch Decentralized Finance und frühe Anwendungen im Segment Blockchain und Dezentralisierung. Die Herausfor- derung in unserem Bereich ist es, die Spreu vom Weizen zu trennen und nachhaltige Geschäftsmodelle aus dem ganzen Bitcoin-Preis-getriebenen Lärm im Markt herauszufiltern. Juliane Hahn, Managing Partner, Signature Ventures Generell ist immer noch sehr viel Geld im Markt, und es ist durch- aus möglich, eine gute Finanzierung zu bekommen – aber die Lücke klafft eben groß zwischen den einzelnen Branchen. Wir bei Signature Venture sehen beispielsweise besonders, wie haus- hoch im Bereich Open- beziehungsweise Decentralized Finance und bei anderen Projekten mit Kryptobezug die Bewertungen gestiegen sind. Thorben Rothe, Partner, Iris Capital Wir bleiben unserer Strategie treu und setzen auf Technologie- unternehmen mit disruptivem Potenzial. Als Generalist lassen wir den Markt entscheiden, wohin die Reise geht. Eine Speziali- sierung ergibt sich bei uns aus der Sektorexpertise des Invest- mentteams. Einer unserer Schwerpunkte ist Enterprise Soft- ware – hier sehen wir weiterhin sehr großes Potenzial, weil viele Branchen noch am Anfang der Digitalisierung stehen. Thorben Rothe, Partner, Iris Capital Das Preisniveau zieht seit Jahren kontinu- ierlich an. Das ist in erster Linie ein Aus- druck des zunehmenden Wettbewerbs zwi- schen Investoren. Da in Zeiten von Corona physische Meetings weitestgehend obsolet sind, haben wir in den letzten zwölf Mona- ten verstärkten Wettbewerb durch auslän- dische Investoren wahrgenommen. Dank Zoom & Co. ist die Welt in der Pandemie noch einmal näher zusammengerückt. Gleichzei- tig drängen Private Equity und Late Stage-Investoren in den Wag- niskapitalbereich und schieben klassische Series A-Investoren in Seed Investments. Diese Trends sind vor allem auch ein Beleg für die Attraktivität unserer Start-up-Landschaft. Thorben Rothe Dr. Tanja Emmerling, Partner, High-Tech Gründerfonds Der Jahresbeginn war geprägt von großen Unicorn-Themen und großen Folgefinanzierungen im Later Stage-Bereich – das hat Einfluss auf das Pricing. Auch in frühen Phasen ist das Preis- niveau stark angestiegen. Das knüpft eine Erwartungshaltung an die Start-ups, die dann beim Wachstum auch liefern kön- nen müssen. Da wird sich zeigen, ob das Preisniveau auch in Wachstumsphasen standhalten kann und der Effekt auf dem Exitmarkt ankommt. Dr. Tanja Emmerling, Partner, High-Tech Gründerfonds Wir haben einen großen Blick nach vorn, was nach der Pande- mie kommt. Dazu gehören KI, Robotics, Nachhaltigkeit. Diese haben viel stärker Aufwind bekommen. Frühere Orchideen- themen sind mehr in den Blick gerückt und bieten andere Poten- ziale, weil die Industrie viel offener dafür ist. Dr. Ansgar Schleicher, Vorstand, S-UBG Aachen Wir sind ein Technologiefonds und fokus- sieren einige Bereiche wie Biotech, Med- tech, Mobility, Software und Digitalisie- rung. In unseren Fokusbereichen haben wir große Erfahrung und können Start-ups qualitativ extrem viel Mehrwert bieten. In Zukunft werden zusätzlich New Energy-, IoT- und Material Science-Start-ups stärker in unseren Fokus rücken. Dabei investieren wir hauptsächlich in B2B- oder B2B2C- Geschäftsmodelle mit sehr gutem Skalie- rungspotenzial, das auf echten Innova tionen und Alleinstel- lungsmerkmalen beruht. Neben dem Geschäftsmodell steht für uns ein gut aufgestelltes Gründerteam mit klar verteilten Rollen und hoher Sozialkom petenz mit an erster Stelle. Dr. Ansgar Schleicher
[email protected] 13 Special „Private Equity in Nordrhein-Westfalen 2021“