„Zurück zu den Wurzeln“

VC Magazin: Private Equity-Fonds haben in den vergangenen beiden Jahren wenig investiert, bei einigen dürfte inzwischen ein gewisser Anlagedruck aufkommen. Beobachten Sie in letzter Zeit wieder vermehrt Transaktionen?

May: Die Situation ist nicht für alle Fonds gleich. Der Anlagedruck nimmt eher bei denen zu, die nicht mit einer Niederlassung in Deutschland vor Ort vertreten sind und sich deshalb extrem schwertun, auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein. Eine Reihe von Fonds, die hier seit Jahren erfolgreich sind, hat es hingegen auch in den vergangenen schwierigeren Jahren geschafft, gute Transaktionen abzuschließen.

Cayet: In der Krise haben sich viele Beteiligungsgesellschaften wohl hauptsächlich auf die Neustrukturierung ihrer Portfoliounternehmen konzentrieren müssen. Heute ist Private Equity wieder da. Die Spielregeln haben sich allerdings verändert – was ich als äußerst positiv bewerte.

VC Magazin: Was hat sich denn verändert?

Cayet: Das Motto lautet: Zurück zu den Wurzeln. Das klassische Modell von Private Equity ist es, das Wachstum eines Unternehmens über einen gewissen Zeitraum als Partner zu begleiten. Dazu hat die Branche nach den Auswüchsen der Vorkrisenjahre wieder zurückgefunden. Es geht nicht darum, innerhalb kürzester Zeit durch eine aggressive Finanzierungsstruktur und interne Restrukturierungsmaßnahmen große Wertsteigerungen zu schaffen. Die Zeiten der Finanzakrobatik sind vorbei.

VC Magazin: Herr May, welche Lehren haben Sie aus der Krise gezogen?

May: Was für uns noch wichtiger geworden ist, ist die Qualität des Managementteams. Einen so rasanten wirtschaftlichen Einbruch, wie wir ihn in der Krise erlebt haben, hätte auch ich mir nicht träumen lassen. Doch es hat sich gezeigt, dass ein gutes Management das Schiff auch im Sturm steuern kann. Viele haben diesen Aspekt in den Boom-Jahren 2007 und 2008 völlig unterschätzt. Unsere Philosophie war es hingegen immer, nur mit wirklich guten Teams zusammenzuarbeiten. Wenn wir Zweifel am Managementteam haben, gehen wir keine Transaktion ein.

VC Magazin: Die Finanzkrise hat dem öffentlichen Image der Banken geschadet. Hatte die Krise auch Auswirkungen auf die Private Equity-Branche?

Cayet: Man muss da wahrscheinlich unterscheiden zwischen der Wahrnehmung der breiten Bevölkerung und der in den Unternehmen. Der deutsche Mittelstand betrachtet Private Equity zunehmend als konstruktive Lösung zur Wachstumsfinanzierung. Das ist jedoch ein relativ langsamer Prozess, es gibt noch Bedenken, vor allem unter denen, die noch keine Berührungspunkte mit der Beteiligungsbranche hatten.

May: Wir haben auch in der Krise gute Erfahrungen gemacht. Die Managementteams in vielen deutschen Firmen, gerade auch im Mittelstand, sind Beteiligungskapital gegenüber sehr positiv eingestellt und wissen um seine strategische Bedeutung. Es liegt auch an den Private Equity-Gesellschaften selbst, ein besseres Bild von ihrer Zunft zu vermitteln. Lehren aus der Krise zu ziehen, ist da sehr wichtig.

VC Magazin: Accuracy wird auch bei Streitigkeiten im Nachgang von Transaktionen hinzugezogen. Haben sich diese Fälle seit der Krise gehäuft? Welche Art von Differenzen beobachten Sie am häufigsten?

Cayet: In den meisten Fällen geht es um die Verletzung der Pflicht zur Offenlegung von Informationen. Unter Experten geht man davon aus, dass weniger als 10% der Transaktionen im Nachhinein angefochten werden. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, weil die meisten Streitigkeiten nicht in die Öffentlichkeit geraten. Unsere Erfahrung ist, dass nach einem Marktrückgang auch Streitfälle seltener werden. In diese Richtung entwickelt sich auch unser Metier: Es wird immer wichtiger, Transaktionen schon während der Due Diligence und der Vertragsausarbeitung auf mögliche Streitpunkte hin zu prüfen.

May: Oftmals sind solche Streitigkeiten der verzweifelte Versuch, zu hohe Kaufpreise aus den Jahren vor der Krise im Nachhinein zu begradigen. Das funktioniert nicht. Wir sind in der glücklichen Lage, bislang noch keine solchen Fälle in Deutschland gehabt zu haben. Es ist aber auch eine Frage der Herangehensweise: Wir gehen Transaktionen nur dann ein, wenn das Management zusammen mit uns investiert. In diesem Fall sitzen die Manager mit uns in einem Boot und haben das gleiche Interesse wie wir daran, dass der Deal einwandfrei abläuft.

VC Magazin: Welche Rolle spielen Berater bei Transaktionen? Was zeichnet in Ihren Augen einen guten Berater aus?

May: Gute Beteiligungsgesellschaften zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine starke Partnerschaft haben – die eigenen Partner sind die besten Berater. Aber natürlich braucht man externe Berater, um eine Due Diligence durchführen zu können. Wichtig ist für uns die Seniorität und Erfahrung des Beraters – er sollte schon viele Transaktionen begleitet und auch schon mit Beteiligungsgesellschaften zusammengearbeitet haben. Es geht jedoch um Beratung, nicht um Entscheidung: In der Vergangenheit wurde in vielen Fällen der Entscheidungsprozess allzu oft auf den Berater abgewälzt, die Verantwortung auf dritte Parteien transferiert.

Cayet: Seniorität und Erfahrung ist Kern der Accuracy-Philosophie. Berater führen die Due Diligence durch, auf deren Basis der Investor sich seine eigene Meinung bilden muss. Wir geben durchaus konkrete Empfehlungen, allerdings nicht zur Angemessenheit der Transaktion, sondern zu den konkreten Risiken, die wir identifizieren und so gut es geht auch quantifizieren. Am Ende ist es die Entscheidung des Investors, ob er diese Risiken eingehen möchte. Seit der Krise stellen wir verstärkt fest, dass unseren Arbeitsergebnissen größere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Die Anforderungen sind entsprechend gestiegen, das begrüßen wir.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

susanne.harrer(at)vc-magazin.de
mathias.renz(at)vc-magazin.de

Zu den Gesprächspartnern

David Cayet ist Managing Partner der Financial Advisory Gesellschaft Accuracy in Deutschland. Accuracy berät nationale wie auch internationale Unternehmen und Finanzinvestoren bei M&A-Transaktionen, Restrukturierungen, Rechtstreitigkeiten und komplexen finanzwirtschaftlichen Sachverhalten. Guido May ist Partner der Beteiligungsgesellschaft Silverfleet Capital. Er betreut u.a. die Investitionen in Kalle, Schneider, EDP und Orizon.