Wenn Venture Capital als Schenkung interpretiert wird

Typische Venture Capital-Gestaltungen

Oftmals wird die Zurverfügungstellung von Venture Capital, z.B. als Seed Money, mit Hilfe der Gründung gemeinsamer Gesellschaften durch den zu fördernden Unternehmer und den Investor strukturiert. Alternativ kann es auch zu einer Beteiligung des Investors an einem bereits bestehenden Unternehmen/einer Gesellschaft durch Kapitalerhöhung kommen. Typischerweise erhält der Geldgeber dabei aber keine Gesellschaftsbeteiligung, die dem Wert seiner Einlagen (im Verhältnis zum aktuellen Verkehrswert der Einlagen des anderen Gesellschafters) tatsächlich entspricht. Denn andernfalls wäre die Beteiligung des Ideengebers von vornherein in einem Maße verwässert, dass das gemeinsame Unternehmen aus seiner Sicht keinen Sinn mehr ergäbe. Um seine volle Motivation aufrecht zu erhalten, und im Hinblick auf – gemessen an der anfänglichen Investition – überproportionale Gewinnchancen ist der Venture Capital-Geber aber trotz dieses (anscheinenden) wirtschaftlichen Ungleichgewichts z.B. durch Einzahlungen in die Kapitalrücklage oder die Stellung nachrangiger Gesellschafterdarlehen bereit, überproportionale finanzielle Gesellschafterbeiträge zu erbringen.

Derzeit geltendes Recht

Nach derzeitiger Gesetzeslage und Auffassung der finanzgerichtlichen Rechtsprechung haben Einlageleistungen von Gesellschaftern in Kapitalgesellschaften grundsätzlich keine erbschaft- bzw. schenkungsteuerrechtliche Relevanz, und zwar unabhängig davon, ob der Umfang bzw. Wert der Einlagen mit der jeweiligen Beteiligungsquote korrespondiert oder das Engagement einzelner Gesellschafter gemessen an ihrer Beteiligungsquote überproportional hoch ist. Dieselben Grundsätze gelten auch, wenn anstelle einer gesellschaftsrechtlichen Einlage (z.B. Zahlung in die Kapitalrücklage) andere Leistungen erbracht bzw. Vorteile gewährt werden (z.B. unbesichertes nachrangiges Gesellschafterdarlehen, das von einem fremden Dritten nicht erlangt werden könnte). Insbesondere liegt in derartigen Vorgängen keine steuerpflichtige Zuwendung des leistenden Gesellschafters an die übrigen, namentlich die nicht im gleichen Maße leistenden Mitgesellschafter. Disquotale Einlagen von Vermögen in eine GmbH durch deren Gesellschafter stellen bislang keine freigebigen Zuwendungen an die anderen Gesellschafter dar, hat der BFH entschieden. Denn der Schenkungsteuer unterliegen als Schenkung unter Lebenden nur freigebige Zuwendungen, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Die Sichtweise des höchsten deutschen Steuergerichts ist aber der Verwaltung (schon seit geraumer Zeit) und nunmehr offenbar auch dem Gesetzgeber ein Dorn im Auge. Im Zuge des Betreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes soll daher eine Ergänzung von § 7 ErbStG um einen zusätzlichen Absatz 8 vorgenommen werden. Dessen Inhalt könnte sich für zahlreiche Fallkonstellationen als verheerend erweisen.

Inhalt der geplanten Neuregelung

Die bisherige Rechtsprechung ist konsequent, da sie entsprechend den Vorgaben des Gesetzes allein auf die zivilrechtliche Vermögensverschiebung abstellt, die im Verhältnis zwischen den Gesellschaftern gerade nicht vorliegt. Diese Hürde könnte aus Sicht des Gesetzgebers nun durch die Ergänzung von § 7 ErbStG um einen Absatz 8 überwunden werden, indem die – dogmatisch betrachtet nicht erfolgende – Zuwendung gesetzlich fingiert wird. Die Entwurfsfassung lautet:

„(8) Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt. Vermögensverschiebungen zwischen Kapitalgesellschaften führen zu freigebigen Zuwendungen, soweit sie nicht betrieblich veranlasst sind und soweit an den Gesellschaften nicht unmittelbar oder mittelbar dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt sind. Die Sätze 1 und 2 gelten außer für Kapitalgesellschaften auch für Genossenschaften.“

Im Kern zielt der Gesetzgeber damit auf Gestaltungen, die Finanzverwaltung (und Politik) als Steuerschlupfloch identifiziert haben wollen.

Wirklichkeitsfremde Annahmen

Der Gesetzentwurf enthält in seiner aktuellen Fassung keinerlei Einschränkungen, in welchem Verhältnis die handelnden Personen zueinander stehen müssen. Es genügt, dass der Gesellschafter, dessen Anteil eine Werterhöhung erfährt, eine natürliche Person (oder Stiftung) ist. Die Identität des Zuwendenden spielt keine entscheidende Rolle; es genügt, dass seine Leistung an die Gesellschaft zu einer Erhöhung des Werts der Beteiligung des Bedachten führt. Zuwendender kann demnach sowohl ein anderer Gesellschafter als auch ein fremder Dritter (also auch ein Nicht-Gesellschafter) sein. Welche Motivation ihn zu seiner Leistung an die Kapitalgesellschaft veranlasst, spielt ebenso wenig eine Rolle wie die Frage, ob und inwieweit er um die beim Gesellschafter (Bedachten) eintretende Werterhöhung weiß oder diese bewirken will. Dies führt in der Praxis zu einigen Problemen, etwa weil sich bei einer Finanzierungsrunde in Millionenhöhe die vom Unternehmer gehaltenen Anteile im Wert erhöhen, oder wenn auf der Grundlage des Businessplans die zukünftigen Erträge ermittelt und abgezinst werden und dies zu Wertsteigerungen weit über eigentliche Finanzierung hinaus führt. In beiden Fällen gilt (kraft gesetzlicher Fiktion) die Werterhöhung der Anteile als steuerpflichtige Schenkung. Die Schenkungsteuer schuldet grundsätzlich der (angeblich bereicherte) Unternehmer; kann er nicht zahlen, haftet auch derjenige, der an die Gesellschaft geleistet hat.

Mögliche Ausweichgestaltungen

Sollte der jetzt vorliegende Entwurf tatsächlich Gesetz werden, stellt sich die Frage, auf welche Weise Investoren und Unternehmer zukünftig vorgehen können. Die erste Variante ist einigermaßen einfach: Beide Seiten könnten ihr gemeinsames Unternehmen in der Rechtsform einer Personengesellschaft gründen und so die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 8 ErbStG-E von vornherein vermeiden, da dieser ausdrücklich nur auf Kapitalgesellschaften zugeschnitten ist. Alternativ könnte auch die zu finanzierende GmbH anstatt unmittelbar mit Hilfe einer (gewerblichen) Holding-Personengesellschaft gehalten werden. Wird diese von den Gesellschaftern mit unterschiedlichen Kapitalbeiträgen ausgestattet, ist dies kein Fall von § 7 Abs. 8 ErbStG-E. Die Holding als Alleingesellschafterin der GmbH erhöht durch ihre Leistungen stets nur den Wert von ihr selbst gehaltener Anteile, was nach § 7 Abs. 8 ErbStG-E ebenfalls nicht steuerpflichtig wäre. Schließlich könnte man daran denken, die Ausgangssituation auf den Kopf zu stellen: der Investor könnte die GmbH alleine gründen, sie mit dem nötigen Kapital ausstatten und anschließend 50% der Anteile an den tatsächlichen Gründer verschenken. Diese Schenkung wäre zwar steuerpflichtig, könnte aber ohne weiteres steuerbefreit bleiben (wenn das Unternehmen über einen Zeitraum von sieben Jahren fortgeführt wird). Danach führen beide Seiten eine Kapitalerhöhung durch, in deren Rahmen der Gründer sein Know-how und der Investor einen wertgleichen weiteren Geldbetrag als Gegenleistung für die neu ausgegebenen Geschäftsanteile erbringen. Das wäre aber ein etwas aufwändiges und in der Praxis sicherlich mit diversen Verhandlungs- und/oder Abwicklungsschwierigkeiten verbundenes Procedere, das zudem unter dem Gesichtspunkt der Gesamtplanrechtsprechung zusätzliche Risiken bergen könnte.

Fazit:

Dass Schenkungen nicht durch gesellschaftsrechtliche Gestaltungen verschleiert werden sollen, lässt sich nachvollziehen. In der vorliegenden Form wird die Neuregelung aber (volks-)wirtschaftlich sinnvolle und im Wesentlichen von der Erwartung erheblicher Gewinnchancen geprägte Venture Capital-Investitionen mit angeblichen Missbrauchsgestaltungen über einen Kamm scheren. Das ist nicht überzeugend, denn solche Transaktionen sind ja gerade nicht von dem Willen getragen, einem anderen einen unentgeltlichen Vermögensvorteil zukommen zu lassen. Im Gegenteil: Dem Investor geht es um Profit, und zwar seinen eigenen. Daran kann – wenigstens wirtschaftlich – keine gesetzliche Fiktion etwas ändern.

Zum Autor
Dr. Christopher Riedel, LL.M. ist Rechtsanwalt und Steuerberater bei der Ernst & Young Law GmbH in Essen. Er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Gestaltung und erbschaftsteuerlichen Optimierung von Vermögens- und Unternehmensnachfolgen und ist u.a. Mitherausgeber eines Praxiskommentars zum Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht.