Interview mit Andreas Schlenker, Partech: „Europäisches Venture Capital ist noch eine junge Assetklasse“

VC Magazin: Für viele Venture Capital-Gesellschaften scheinen Expansionsfinanzierungen attraktiver als Seed-Investments. Hat sich der Wettbewerb in diesem Bereich intensiviert? Schlenker: Wir beobachten schon seit drei bis vier Jahren einen Trend hin zu Later Stage-Investments. Das liegt zum einen daran, dass viele Fonds das Risiko solcher Deals geringer einstufen und dadurch ihr Rendite-Risiko-Profil optimieren wollen. Zum anderen wurden in der Vergangenheit auch einige große Fonds mit einem Volumen über 150 Mio. EUR geraist. Die mussten ihre Strategie zwangsläufig anpassen, weil bei diesen Beträgen einige kleine Early Stage-Investments alleine nicht sinnvoll sind. Dementsprechend hat der Wettbewerb im Growth-Bereich zugenommen. Das hat aber auch zu steigenden Bewertungen geführt. Wir investieren 20 bis 30% unseres Kapitals in diesem Bereich, aber auch hier geben wir uns nicht mit Renditen mit dem Faktor 2 bis 3 zufrieden, und wir tätigen natürlich weiterhin frühe Beteiligungen. VC Magazin: Der Auftragsboom bei deutschen Firmen im ersten Quartal hat die Beteiligungsbranche auf attraktive Deals hoffen lassen. Jetzt kühlt sich die Stimmung wieder ab. Welchen Bedarf an Expansions- und Wachstumskapital prognostizieren Sie für die kommenden Monate? Schlenker: Im Bereich von Series B- und C-Finanzierungen sehe ich auch weiterhin viele gute Beteiligungsmöglichkeiten, allerdings manchmal immer noch mit sehr hohen Bewertungen. Das Problem ist eher die Exit-Seite: Im ersten Halbjahr gab es einige gute Verkaufsmöglichkeiten, seit den Börsenturbulenzen im Sommer sind Deals aber schwieriger geworden. In Europa gibt es ohnehin kaum Exits mit einem Volumen von über 200 oder 300 Mio. EUR. VC Magazin: Sie haben vor Kurzem das Fundraising zu Ihrem sechsten Fond gestartet. Wie sehen die Pläne für den neuen Fonds im Detail aus? Schlenker: Wir streben ein Volumen von 100 bis 120 Mio. EUR an. Der Fonds soll primär im europäischen Raum investieren, ein Teil wird auch weiterhin in den USA investiert. In Europa sind unsere Schwerpunktregionen Deutschland, Frankreich und die Beneluxländer. Wir setzen auf die Branchen Internet und digitale Medien sowie auf E-Commerce-Konzepte, weil in diesen Branchen mit wenig Kapital schnell Erfolge erwirtschaftet werden können und wir somit eine höhere Kapitaleffizienz erwarten. Außerdem finden wir die Bereiche IT und Energieeffizienz spannend, also z.B. Software-Lösungen, die Unternehmen erhebliche Energieeinsparungen ermöglichen. VC Magazin: Welche Zwischenbilanz ziehen Sie aus Ihrem bisherigen Fundraising-Prozess? Schlenker: Wir haben erst vor Kurzem angefangen, sind aber sehr zufrieden und können wohl schon bald ein erstes Closing bekannt geben, das über den Erwartungen liegen dürfte. Wir bekommen viel Support von bestehenden Investoren der Vorgängerfonds und verzeichnen jetzt auch die ersten Commitments von neuen Adressen. Generell stellen wir jedoch eine große Zurückhaltung bei den Limited Partners gegenüber europäischem Venture Capital fest. Die Assetklasse hat in den vergangenen zehn Jahren so schlecht performt, dass viele LPs sie gar nicht mehr auf dem Radar haben. Einige wenige Venture Capital-Gesellschaften mit wirklich gutem Ruf können noch Kapital einsammeln, ich schätze aber, dass 80% der Limited Partners momentan keine Investments mehr in diesem Bereich tätigen. VC Magazin: Wie kann das Vertrauen der Investoren zurückerobert werden? Schlenker: Durch Performance! Investoren wollen Rendite erwirtschaften. Die schöne Idee allein, gleichzeitig die Entwicklung junger Unternehmen zu fördern, ist einfach zu wenig. Gleichzeitig muss natürlich auch eingewandt werden, dass europäisches Venture Capital eine sehr junge Assetklasse ist und noch Zeit braucht. Unter den wenigen Gesellschaften, die erfolgreich aus dem Fundraising gehen werden, wird es wahrscheinlich keine Neulinge ohne Erfahrung mehr geben. Die Performance der nächsten Fondsgeneration dürfte dadurch fast automatisch besser ausfallen. VC Magazin: In welche Richtung wird sich die europäische Venture Capital-Szene Ihrer Meinung nach entwickeln? Schlenker: Wir beobachten ein Gesundschrumpfen der Branche. Ich erwarte, dass die Mehrheit der Frühphasenfonds keine neue Fondsgeneration mehr wird auflegen können. Europaweit wird es in einigen Jahren nur noch 15 bis 20 gute professionell arbeitende Venture Capital-Fonds mit kritischer Größe geben, pro Kernland dürften das drei bis vier Adressen sein, dazu zwei bis drei paneuropäische Fonds. Die wenigen verbleibenden Gesellschaften werden aber umso bessere Gelegenheiten für starke Deals zu geringen Einstiegspreisen haben, schließlich wird sich der Wettbewerb deutlich verringern. Das ist ein Argument, um jetzt in europäisches Venture Capital zu investieren: antizyklisch handeln! VC Magazin: Wie heben Sie sich im Wettbewerb um Kapital von anderen Fonds ab, die derzeit ebenfalls im Fundraising sind? Schlenker: Wir sind seit 1982 im Geschäft und haben damit eine hohe Kontinuität und sehr viel Erfahrung – wir legen bereits die sechste Fondsgeneration auf! Außerdem punkten wir mit unserem Track Record: Wir verzeichnen positive Returns und allein seit Dezember 2010 haben wir sieben Exits realisiert, in den USA haben wir ein großes IPO in der Pipeline. Wir fahren außerdem nicht die klassische Home Run-Strategie, bei der einzelne große Exits die Bilanz des gesamten Portfolios retten. In Europa erreichen die meisten Start-up-Exits höchstens Volumina von 150 Mio. EUR – dem muss ein Investor strategisch Rechnung tragen –, ein Großteil der Investments muss positive Returns generieren und die „Casualty Rate“ sollte minimiert werden. VC Magazin: Danke für das Interview, Herr Schlenker!   [email protected]   Zum Gesprächspartner: Andreas Schlenker ist Principial der Venture Capital-Gesellschaft Partech International. Bevor er 2003 zu Partech kam, arbeitete er im Business Development in einem E-Mail-Marketing-Start-up. Bei Partech betreut er die Bereiche Internet-Services, E-Commerce und digitale Medien.