„Unsere Fehlertoleranz hängt vom Interesse ab“

VC Magazin: Bei Ihnen gehen mehrere Hundert Businesspläne über den Tisch. Wie kann ein Gründer da Aufmerksamkeit erregen?

Posselt: Von den rund 600 Businessplänen, die jährlich bei uns eingehen, sehe ich etwa zwei Drittel. Positiv fällt es mir auf, wenn in der Anlage CDs oder DVDs enthalten sind, die zitierte Studien enthalten oder mit Grafiken oder Videos den Zugang zu komplexen technologischen Darstellungen erleichtern. Hochglanzbroschüren mit wenig Inhalt und vielen Floskeln stimmen mich dagegen skeptisch. Hier wurden offensichtlich Berater eingestellt – aber die wesentlichen Punkte sollten besser aus der Feder der Gründer stammen.

VC Magazin: Wie wichtig sind gute Optik und möglichst wenig Fehler in einem Businessplan?

Posselt: Rein äußerlich ist uns die Form egal, denn die Inhalte müssen überzeugen. Dann stört es auch nicht, wenn hier und da mal ein Tippfehler auftaucht. Auch kann es mal passieren, dass die Zahlen vertauscht sind oder die Unterschriften unter Bildern oder Grafiken. Das kann immer mal vorkommen, und im Ernstfall haben wir damit schon erste Punkte für ein Gespräch. Zu viele wirken aber negativ, denn dann müssen wir uns fragen, ob die Gründer die Sache ernst nehmen, wenn sie sich so wenig Mühe geben. Unsere Fehlertoleranz hängt stark davon ab, wie interessant wir den jeweiligen Fall finden.

VC Magazin: Spielt es eine Rolle für Sie, ob ein Gründerteam erfolgreich an einem Businessplan-Wettbewerb teilgenommen hat?

Posselt: Grundsätzlich führt die Teilnahme zu einem höheren Standard der eingereichten Unterlagen. Aber ob das Team bei einem Wettbewerb schließlich zu den Siegern gehört hat, ist für uns kein ausschlaggebender Punkt. Als langjähriger Juror von Science4Life (www.science4life.de) verfolge ich gerne, wie sich die einzelnen Teams später im Markt schlagen. Auch Start-ups mit hinteren Platzierungen können sich gut entwickeln, wenn der Einsatz stimmt. Sogenannter Wettbewerbs-Tourismus ist aber ein Warnsignal, denn überdurchschnittlich viele Mehrfachteilnehmer scheitern als Start-up. Wahrscheinlich setzen sie die Prioritäten falsch.

VC Magazin: Der Businessplan hat Sie überzeugt, es kommt zum persönlichen Gespräch. Worauf legen Investoren bei den ersten Meetings Wert und auf welche weichen Faktoren achten sie?

Posselt: Als Erstes nehmen wir Pünktlichkeit wahr. Eine Verspätung von bis zu 15 Minuten ist noch im grünen Bereich, aber alles darüber hinaus wirft Fragen nach der Zuverlässigkeit auf. Wir hatten schon mal einen Gründer mit einem Tag Verspätung im Büro. Dann achten wir darauf, ob er frei die Inhalte des Businessplans wiedergeben und ebenso frei Nachfragen beantworten kann. Wer erst bei seinem Steuerberater Rücksprache halten möchte, sammelt Minuspunkte. Ebenso ist uns wichtig, dass Gründer eine gewisse Ruhe ausstrahlen und nicht wegen Nervosität alle zehn Minuten zur Toilette müssen. Wir wollen Unternehmerpersönlichkeiten erleben, die auch am Markt in Kundengesprächen oder bei ihrer Hausbank bestehen können.

VC Magazin: Sie haben die Angaben validiert und finden auch sonst kaum ein Haar in der Suppe. Auf welcher Basis diskutieren Sie mit dem Start-up die finanziellen Details?

Posselt: Wir gehen nur Minderheitsbeteiligungen ein und können nur einen maximalen Betrag zur Verfügung stellen. Das steckt für uns den Rahmen ab, wenn wir den Wert einschätzen. Dann stellen wir dem Gründer die Gegenfrage, welchen Wert er sieht und welche Finanzierung er für welchen Anteil haben möchte. Sind die Vorstellungen zu weit auseinander, können wir das Gespräch meist sofort abbrechen, ansonsten können wir uns schon einigen, wenn sich beide Seiten bewegen. Im Bereich Medizintechnik sind die Gründer realistischer und Angebot und Wertvorstellung liegen näher beieinander. Im Internetsektor sind die Preisvorstellungen für Ideen, und mehr gibt es ja im Regelfall nicht, leider meist überhöht.

VC Magazin: Können Deals noch platzen, wenn auf dem Papier alles klar ist?

Posselt: Die Chemie zum Gründerteam ist schon wichtig, daher gehen wir immer mit zwei Partnern in die Gespräche. Wenn das Bauchgefühl nicht stimmt, versuchen wir bei einem Mittagessen noch einmal, die Gründer besser kennenzulernen. Bislang haben wir es aber nur einmal bereut, nicht auf unser Bauchgefühl gehört zu haben.

VC Magazin: Investoren schätzen ein gutes Reporting. Welche Angaben müssen Ihre Unternehmen liefern?

Posselt: Sie müssen monatlich vorrangig quantitative Angaben liefern, damit wir die Entwicklung eines Start-ups nachvollziehen können. Wir wollen zum Beispiel wissen, wie sich Soll-Ist-Vergleiche entwickeln oder die Liquidität. Wir erwarten plausible Erklärungen, wenn sich hier die Werte verschieben. Wenn die Unternehmen in späteren Phasen Umsatz erzielen, fordern wir auch qualitative Angaben etwa zu Kundengesprächen ein. Wenn das Controlling bereits eine Ebene unter dem Geschäftsführer liegt, ist ein Reporting schnell implementiert. Macht er das noch selbst oder beauftragt seinen Steuerberater, läuft es eher holprig.

VC Magazin: Was hat sich in den letzten 20 Jahren im Umgang von Investoren mit Gründern geändert?

Posselt: Gründer sind und waren immer skeptisch, wenn es darum geht, Zahlen und sonstige Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren. Ich denke aber, dass es eine Reihe von Investoren gibt, die im Laufe der Jahre immer mehr Wert auf ein partnerschaftliches Verhältnis gelegt haben. Bei uns jedenfalls hat das funktioniert, die Gründer legen immer früher ihre Zurückhaltung ab und nehmen uns als echten Partner wahr.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Torsten Paßmann.

Zum Gesprächspartner
J.-Wolfgang Posselt ist Managing Partner bei der Aurelia Private Equity GmbH (www.aurelia-pe.de), einem Frühphaseninvestor mit Sitz in Frankfurt. Er ist seit über 20 Jahren im Venture Capital-Geschäft tätig und hat u.a. als langjähriger Geschäftsführer die tbg Technologiebeteiligungsgesellschaft der Deutschen Ausgleichsbank zu einer der größten Venture Capital-Gesellschaften Europas aufgebaut.