Erstaunlich, aber wahr: Neue Medizintechnologien (Medtech) erhalten in Europa schneller und günstiger eine Marktzulassung als in den USA. Europa, so unsere Erfahrung als europäischer VC-Investor, ist im Bereich Medtech gründerfreundlicher, als es die USA sind! Die kalifornische Stanford Universität hatte im vergangenen Jahr im Rahmen einer Studie einen Vergleich gewagt, und aus unserer Sicht bestätigt sich das Ergebnis bis heute: Während es in den USA durchschnittlich 54 Monate dauert, bis man im Bereich Medtech eine Marktzulassung bekommt, sind es in der EU gerade mal elf Monate. Ein Jahr versus viereinhalb Jahre – für ein Start-up können dreieinhalb Jahre existenzentscheidend sein!
Warum der Unterschied: Während in den USA allein die Gesundheitsbehörde FDA für die Marktzulassung zuständig ist, dürfen in der EU immerhin 74 sogenannte Benannte Stellen die notwendige CE-Kennzeichnung erteilen. Diese privaten Zulassungsunternehmen stehen im Wettbewerb zueinander und verstehen sich als Serviceorganisationen. Einfachere und kürzere Zulassungsprozesse bedeuten natürlich auch geringere Kosten. Und geringere Kosten wiederum bedeuten eine höhere Kapitaleffizienz sowie höheren Return on Investment (ROI). Hinzu kommt ein stark eingeschränktes Angebot an Kapital, welches geringere Einstiegsbewertungen erlaubt.
Darüber hinaus sprechen noch ganz andere Faktoren für Europa: Die Medizintechnologie hat hierzulande eine starke industrielle Basis und Tradition. So gibt es eine Vielzahl von Entwicklungsunternehmen und Zulieferern. Auch die Wissenschaft ist international hoch anerkannt. Klinische Studien können effizient mit hoher Qualität durchgeführt werden. Der Technologie-Output ist enorm: Allein 2009 wurden 16.400 Patente für Medizintechnologien registriert, die damit die größte Gruppe bilden. All das macht uns, als europäischer VC-Investor, für Medtech in Europa so euphorisch!
Zum Autor
Thom Rasche ist Partner bei der 1997 gegründeten Venture Capital-Gesellschaft Earlybird Venture Capital (www.earlybird.com/de), mit Büros in Hamburg und München. Er hat mehr als 20 Jahre operative Erfahrung im Medizintechniksektor, zuletzt als Geschäftsführer von Ethicon Endo-Surgery, einer Tochter von Johnson & Johnson.