Stagnierender Markt
Der österreichische Beteiligungsmarkt ist – im Vergleich zu größeren europäischen Märkten wie Deutschland, Frankreich oder Großbritannien – überschaubar: Im Jahr 2010 wurden laut Statistik des europäischen Branchenverbands EVCA insgesamt rund 699 Mio. EUR in 89 österreichische Unternehmen investiert. 2009 waren den Unternehmen nur 186 Mio. EUR zugeflossen, 2008 waren es noch 326 Mio. EUR gewesen. Doch das im Vergleich sehr gute Investitionsvolumen des Jahres 2010 war vor allem einem großen Deal geschuldet: Der US-Finanzinvestor One Equity Partners erwarb im vergangenen Jahr in einem Squeeze-out 75% der Anteile an der Management Holding Constantia Packaging GmbH und nahm sie von der Börse. Der Deal machte mit rund 590 Mio. EUR den Löwenanteil des Dealvolumens 2010 aus – die Investitionstätigkeit hat also auch im Vorjahr weiter abgenommen.
Aufschwung 2011 spürbar
Für 2011 liegen noch keine finalen Zahlen vor, der österreichische Branchenverband Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation (AVCO) erhebt die Zahlen nur einmal jährlich am Anfang des Folgejahres. Dennoch sprechen Marktteilnehmer von einem Aufschwung im ersten Halbjahr 2011. „2009 war für die Beteiligungsbranche hierzulande ein schlechtes Jahr gewesen, 2010 gab es eine positive Entwicklung, die sich auch im ersten Halbjahr dieses Jahres fortsetzte“, berichtet Mag. Bernd Lechner, Mitglied des Vorstands des Mittelstandsinvestors EK Mittelstandsfinanzierungs AG (EK Fin). Mit der besseren Stimmung auf dem Markt für Unternehmensfusionen und –übernahmen habe auch die Investmenttätigkeit spürbar angezogen, so Lechner. Doch die Entwicklung verlangsamte sich im Sommer. „Seit August beherrscht die europäische Schuldenkrise die wirtschaftliche Situation, die Unsicherheit ist groß“, sagt der Investor.
Zögerliche Neuinvestments
Dementsprechend hielt sich die heimische Branche mit Neuinvestments vielfach noch zurück. Seit Ausbruch der Finanzkrise konzentrierten sich viele österreichische Beteiligungsgesellschaften auf die Stabilisierung ihres bereits bestehenden Portfolios. Laut Zahlen des europäischen Branchenverbands EVCA waren 2010 nur knappe 30% der Investitionen in österreichische Unternehmen Neuinvestments. Auch Lechner, dessen EK Fin für die Unicredit Bank Austria einen 50 Mio. EUR großen Fonds verwaltet, berichtet: „Unser Fonds ist nahezu ausinvestiert, die verbleibenden Gelder sind für unsere bestehenden Beteiligungen reserviert. Wir haben zuletzt den Fokus darauf gelegt, unsere Portfoliofirmen durch die Krise zu begleiten, und haben gesehen, dass die Erfahrung eines Private Equity-Investors hier sehr nützlich sein kann.“
Bedarf an Eigenkapital groß
Attraktive Beteiligungsmöglichkeiten gibt es in Österreich aber allemal, ist sich Lechner sicher: „Die zunehmende Bankenregulierung wird die Kreditaufnahme künftig erschweren, deshalb werden sich die Unternehmen hierzulande verstärkt um Eigenkapitallösungen bemühen müssen, und das Produkt Eigenkapitalfinanzierung wird weiterhin angeboten werden“, meint der Mittelstandsinvestor. Und ein anderer Trend zeichnet sich ab: Zahlenmaterial des Forschungsinstituts KMU Forschung Austria zufolge liegt die Eigenkapitalquote österreichischer Unternehmen nur bei durchschnittlich 25,7%. Private Equity dürfte in den kommenden Jahren also gefragt sein – ebenso bei Nachfolgelösungen: KMU Forschung Austria rechnet damit, dass diese Thematik bei einem Fünftel der heimischen kleinen und mittleren Unternehmen bis 2019 ansteht.
Investoren aus dem Ausland zeigen Interesse
Dementsprechend greifen viele Finanzinvestoren aus dem Ausland auf dem österreichischen Markt zu. So wurden die größten Transaktionen des Jahres 2011 unter der Federführung externer Private Equity-Gesellschaften geschlossen: Der Antikörper-Entwickler F-Star Biotechnologische Forschungs- und Entwicklungsges.m.b.H. hatte im April stolze 15 Mio. EUR bei internationalen Finanziers einsammeln können. Der Londoner Private Equity-Geber Climate Change Capital investierte im Juli 8 Mio. EUR in den Wärmepumpenhersteller Neura GmbH. Das Medizintechnik-Unternehmen Miracor Medical Systems GmbH sammelte im September in einer zweiten Finanzierungsrunde 7 Mio. EUR von deutschen Venture Capital-Gesellschaften ein, hier war auch die heimische Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) mit von der Partie. „Österreich ist für uns ein interessanter Investmentmarkt“, berichtet Oliver Weddrien, Geschäftsführer der DZ Equity Partner GmbH, einer in Frankfurt ansässigen Tochter der DZ Bank für Eigenkapitalfinanzierung. Seine Gesellschaft hat ein eigenes Büro in Wien eingerichtet, drei Professionals erarbeiten dort mögliche Investitionsgelegenheiten. „Der Markt ist dem in Deutschland sehr ähnlich, man spricht dieselbe Sprache und hat ähnliche Strukturen. In unserem Fokus steht der familiengeführte Mittelstand – und hier bieten sich in Österreich viele Möglichkeiten“, erklärt Weddrien. DZ Equity Partner erwarb in Österreich zuletzt im Juli 2011 die Wiener Kühlhaus WKF Ges.m.b.H. aus den Händen der Altinvestoren B & C Industrieholding und Prologis European Developments.
Vorteile für Unternehmen
Ein weiterer entscheidender Standortfaktor ist nach wie vor die Nähe zu Mittel- und Osteuropa. „In Österreich bestehen traditionell enge Verbindungen zu den Nachbarländern im Osten und Südosten. Damit eröffnet sich ein hervorragender Marktzugang“, sagt Dr. René Siegl, Geschäftsführer der Ansiedlungsagentur Austrian Business Agency (ABA) – Invest in Austria. „Neben den sehr guten Lebensbedingungen und dem hohen Ausbildungsniveau der Mitarbeiter spricht auch die sehr flexible und vorteilhafte Gewinnbesteuerung mit 25% für den Standort“, fügt er hinzu. Forschung und Entwicklung in Unternehmen fördert der österreichische Staat außerdem im Rahmen der Initiative „Forschungsplatz Österreich“.
Neuer Player: Mountain Cleantech
Dementsprechend orientieren sich auch neue Player nach Wien, Salzburg, Linz & Co.: Im November eröffnete die Schweizer Beteiligungsgesellschaft Mountain Cleantech eine Niederlassung in Österreich und möchte verstärkt auf Einkaufstour gehen. Derzeit würden bereits drei mögliche Transaktionen einer näheren Prüfung unterzogen, berichtete Jürgen Habichler, Managing Partner der Cleantech-Gesellschaft. Im Oktober hatten er und sein Team das First Closing ihres zweiten Fonds Mountain Cleantech Fund II in Höhe von 23 Mio. EUR bekannt gegeben. Cornerstone-Investor ist die aws, die sich im Rahmen der Cleantech-Initiative des österreichischen Wirtschaftsministeriums am Fonds der Schweizer beteiligte. Mit solchen Investments will die Förderbank mehr Beteiligungskapital ins Land holen.
Schwieriges Fundraising
Die öffentliche Hand spielt insgesamt eine große Rolle für die heimische Beteiligungsbranche: Laut AVCO stammten 2010 fast 38% der Mittel, die österreichische Fonds im Fundraising einwerben konnten, aus staatlichen Quellen. Mit einer Venture Capital-Initiative stellt die aws derzeit 5 Mio. EUR für Frühphasenfonds zur Verfügung – und setzt dabei auf private Koinvestments. Das Fundraising-Volumen stagniert dennoch seit Jahren: 2010 sammelten österreichische Fonds laut EVCA-Statistik 268 Mio. EUR ein, 2009 waren es 286 Mio. EUR gewesen, auch 2008 belief sich das Volumen nur auf rund 247 Mio. EUR. Als Pontis Capital im Sommer ein First Closing bei 30 Mio. EUR vermeldete, wurde die Nachricht entsprechend erleichtert in der Branche aufgenommen.
Starke Business Angels-Szene
Das Kapital sammelte Pontis bei institutionellen Investoren aus dem eigenen Land und aus dem Ausland ein. Unter anderem hat sich auch der European Investment Fund (EIF) engagiert. Das sei jedoch das einzige Investment im Venture Capital-Bereich gewesen, das der Fonds 2011 in Österreich getätigt hat, sagt Dr. Markus Schillo, Leiter des ERP/EIF-Dachfonds im EIF. „Als relativ kleines Land hat Österreich eine recht überschaubare Investorenlandschaft. Es gibt wenige international tätige österreichische Fonds im Frühphasensegment. Die Fonds konzentrieren sich im Gegenteil stark auf den Heimatmarkt“, beschreibt Schillo die Situation. Attraktive Investitionsmöglichkeiten für den EIF sieht er im informellen Beteiligungsmarkt: „Es gibt vor Ort eine starke Business Angels-Basis und viele gute junge Technologieunternehmen. Wir können uns daher vorstellen, im Rahmen einer Business Angels-Initiative hier aktiver zu werden“, kündigt er an.
AIFM-Umsetzung mit Fragezeichen
Was die Beteiligungsbranche bislang über alle Investitionsphasen hinweg gehemmt hat, ist der ungenügende rechtliche Rahmen. Nachdem die Reform des Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetzes (sog. MiFiG) das Korsett für Private Equity-Gesellschaften sehr eng schnürte – eine neuerliche Reform ist nicht in Sicht –, müssen sich die Fonds nun auch auf die Umsetzung der AIFM-Richtlinie in österreichisches Recht vorbereiten. Hier könnten neue Regulierungen drohen: Brancheninsidern zufolge verfolgt die Finanzmarktaufsicht FMA derzeit einen sehr strengen Ansatz, nach dem jeder Fonds unter die EU-Richtlinie fallen soll – auch Fonds mit einem Volumen unter 100 Mio. EUR, die Grenze, die das Regelwerk selbst zieht. Die allermeisten österreichischen Fonds fallen unter diese Grenze und hatten deshalb gehofft, von den zusätzlichen Auflagen der Richtlinie ausgeschlossen zu bleiben. Wie die österreichische Lösung am Ende aussehen wird, steht aber noch offen.
Fazit
Österreich bietet Beteiligungsgesellschaften attraktive Investmentchancen: Das mittelständisch geprägte Unternehmertum, das bislang stark auf Bankenfinanzierung gesetzt hat, wird in den kommenden Jahren verstärkt auf Eigenkapitallösungen angewiesen sein. Forschung und Innovation werden in den etablierten, aber vor allem in jungen Unternehmen großgeschrieben. Dennoch leidet die Branche vor Ort an einem lückenhaften gesetzlichen Rahmen und an fehlenden Investoren aus dem eigenen Land. Wer jedoch Kapital in den Taschen hat, könnte in den kommenden Monaten auf gute Deals stoßen.