Die Schweizer Private Equity-Szene steht 2012 in den Startlöchern

Höheres Investitionsvolumen als 2010 Die positiven Erwartungen vom Jahresanfang 2011 haben sich am Schweizer Beteiligungsmarkt im Jahresverlauf insgesamt nicht ganz erfüllt. Nach dem Krisenjahr 2009 und der allmählichen Erholung 2010 war man hoffnungsfroh ins Jahr gestartet. Konjunktur und Bankenszene sahen relativ stabil aus und vieles sprach für einen deutlichen Aufwärtstrend. Es war nach Auffassung von Marktteilnehmern insgesamt ein ganz ordentliches Jahr. Nach einem starken ersten Quartal (604 Mio. EUR Investitionen) flaute das Geschäft allerdings deutlich ab. In den ersten drei Quartalen investierten Beteiligungsgesellschaften laut Statistik des europäischen Branchenverbands EVCA 808 Mio. EUR in Schweizer Unternehmen, verglichen mit 454 Mio. EUR im Vorjahr, das dann allerdings mit einem sehr starken vierten Quartal abgeschlossen hatte. Große Buyouts blieben Mangelware, auch im Jahresschlussquartal änderte sich die Situation kaum. Ausreißer und größter Deal in den vergangenen Monaten war der erst kürzlich abgeschlossene Kauf der France-Telecom-Tochter Orange Switzerland durch Apax Partners für rund 1,6 Mrd. EUR. Positives Umfeld in der Schweiz „Insgesamt hat sich der Markt nicht wesentlich gegenüber 2010 verändert“, sagt Andreas Ziegler, Partner von Zurmont Madison Private Equity (www.zurmontmadison.ch). Der Dealflow sei – betrachte man die vielen mittelständischen Unternehmen – alles in allem gut. Und das Umfeld sei positiv in der Schweiz, sagt Zurmont-Senior Partner Werner Schnorf: „Die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ist hoch, die Arbeitsbedingungen sind sehr flexibel, und die Schweiz hat relativ wenig Staatsschulden.“ Auch laufe die Bankenfinanzierung in der Schweiz gut. „Im Vergleich zu vielen anderen Staaten in Europa sehen wir hier keine Probleme für kleine bis mittlere Transaktionen“, erklärt Ziegler. Dass sich der Dealflow im Jahr 2011 zwar insgesamt befriedigend, aber nicht so gut wie zunächst erwartet entwickelte, ist in erster Linie auf die Euro- und die schwelende Finanzkrise zurückzuführen. Eurokrise und Frankenkurs bremsen Die damit verbundenen Unsicherheiten, auch hinsichtlich der weiteren Konjunkturentwicklung, kühlten die Risikobereitschaft von Investoren ab. Zum anderen belastete der Wechselkurs des Schweizer Franken, der durch die Eurokrise immer mehr Anlagemittel auf sich zog und enorm aufwertete. Deshalb sind Schweizer Firmen im vergangenen Jahr für ausländische Investoren deutlich teurer geworden, wie Dr. Christian Waldvogel, Managing Partner von Vinci Capital (www.vincicapital.ch), die eine strategische Partnerschaft mit Swisscom Ventures (www.swisscom.ch) pflegt, erklärt. Im August mussten zeitweise nur noch 1,04 CHF je EUR bezahlt werden, verglichen mit 1,30 zu Jahresanfang 2011 und 1,50 zum Jahresende 2009. Seit die Schweizer Notenbank einschritt, drehte der Trend, und seit September notiert der Franken wieder bei 1,20 bis 1,25 je EUR, was die prekäre Situation für die Exportindustrie inzwischen wieder etwas entschärft hat. Besserer Dealflow Für Unsicherheit sorgten auch die sich in der zweiten Jahreshälfte verschlechternden Konjunkturprognosen für Europa und weltweit. Dennoch sah Ulrich Eckhardt, Partner bei Capvis Equity Partners (www.capvis.com), mit Blick auf den deutlich anziehenden Dealflow und das gesunde Kreditumfeld eine deutliche Klimaverbesserung bei Private Equity gegenüber 2010. „Es gibt genügend Verkäufer, und die Bewertungen sind sehr gesund“, sagt er und ergänzt: „Schnäppchen gab es praktisch nicht, und auch Distressed-Situationen gab es kaum.“ Einen Grund für die gesunde Marktverfassung sieht er in dem tieferen Leverage der Unternehmen. „Investoren und Banken haben frühzeitig versucht, ernste Schwierigkeiten durch zu hohe Schuldenlasten zu vermeiden.“ Die Gewinnentwicklung der Unternehmen sei sehr gut, die Konjunkturunsicherheit spiegle sich bislang noch nicht in den Zahlen – insofern sei das Bewertungsniveau weiterhin nicht gerade niedrig. Eckhardt fährt fort: „Etliche Industrieunternehmen haben viel Geld in der Kasse und sind kaufbereit, ebenso wie die Private Equity-Häuser. Und angesichts des derzeit guten Dealflows rechnen wir für das laufende Jahr mit einer stattlichen Anzahl an Investitionen.“ Strategen haben oft die Nase vorn Die starke Konkurrenz strategischer Käufer macht allerdings der Private Equity-Branche das Leben nicht einfach. Kommt es zum Bieterduell, haben Strategen oft die Nase vorn, da sie nicht auf Fremdkapital angewiesen sind und auch bereit sind, einen strategischen Zuschlag beim Kaufpreis zu zahlen. „Beteiligungshäuser müssen länger suchen, die Vorteile einer Kooperation mit Private Equity gut erklären und Geduld mitbringen“, sagt Ziegler von Zurmont Madison. Wer keine guten Kontakte, keine gute Vernetzung in die Industrie habe, komme kaum zum Zuge, meint Schnorf. Die Preise seien recht hoch, gerade bei innovativen und sehr wettbewerbsfähigen Firmen, die Kluft zwischen den Preiserwartungen von Käufer- und Verkäuferseite habe sich im zweiten Halbjahr wieder vergrößert. Schnorf wirft ein: „Aber viele Firmen sind strategisch gut positioniert, innovativ und expandieren zunehmend auch international – da bieten sich auch künftig viele interessante Möglichkeiten für Private Equity.“ Für Capvis-Manager Eckhardt hat die Umsetzung einer guten Strategie gemeinsam mit dem Unternehmen längst deutlich Vorrang vor dem Financial Engineering der Vorkrisenzeit. „Wir schauen auf Unternehmen, die wir mit unserem Netzwerk und Know-how weiterbringen können.“ Laut Waldvogel dürfte der Eigenkapitalbedarf vieler kleiner und mittlerer Unternehmen für wieder mehr Transaktionen sorgen. Es sei allerdings schwer vorherzusagen, wie sehr die Konjunkturdelle die Firmen und letztlich die Qualität des Dealflows noch treffen wird. Kleinere Projekte bevorzugt Mit Blick auf die Venture Capital-Szene sagt Erika Puyal Heusser, Leiterin Start-up- Finanzierung bei der Zürcher Kantonalbank: „Sehr gute Projekte finden immer Geld.“ Sie ergänzt aber einschränkend, dass auch viele junge Unternehmen 2011 Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung gehabt hätten. Viele Venture Capital-Gesellschaften müssten sich stark um ihr bestehendes Portfolio kümmern. Eher würden kleinere Projekte finanziert, größere hätten es schwerer. „Insgesamt hatten wir seit einigen Monaten einen relativ konstanten Dealflow, wobei die Aktivitäten im zweiten Halbjahr etwas stärker waren als im ersten.“ Die Zürcher Kantonalbank (ZKB) beschränkt sich bei ihren Investments auf den Wirtschaftsraum Zürich und gehört dort zu den aktivsten Investoren. „Wir haben viele gute Projekte mit ins neue Jahr hinübergenommen, insbesondere aus dem Medtech- und Life Sciences-Bereich, der auch 2011 bereits ein Schwergewicht bildete“, berichtet Puyal Heusser. Die ZKB kooperiert in der Regel mit Koinvestoren wie Business Angels, strategischen oder Venture Capital-Investoren. Sie tätigte im vergangenen Jahr 14 neue Finanzierungen, neun davon in der zweiten Jahreshälfte. Exits sind nach der Seed-Phase laut Puyal Heusser schwierig zu realisieren, dies braucht in der Regel mehr Zeit. Für 2012 rechnet sie damit, dass die Frühphasenaktivitäten „auf dem zuletzt nicht sehr hohen Niveau konstant bleiben werden“. Attraktiver Standort für Investoren Die Schweiz gilt insgesamt nach wie vor als guter Standort für Venture Capitalists. Dazu tragen die renommierten Universitäten – u.a. in Zürich, Lausanne und St. Gallen – mit vielen innovativen Spin-offs ebenso bei wie die Corporate Venture-Gesellschaften insbesondere aus dem Pharma- und Medizintechnik- sowie dem IT-/Telekom-Bereich. Gemessen an der Einwohnerzahl wird in der Schweiz europaweit am meisten Venture Capital investiert: 2010 flossen dort pro Kopf 69 USD, gut dreimal so viel wie in Deutschland (21 USD), so eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung von Verve Capital Partners. Zur guten Position der Schweiz tragen auch die Investitionen ausländischer Kapitalgeber bei – das Land ist Netto-Importeur von Wagniskapital. Im Global IESE Venture Capital-Attraktivitätsindex rangiert die Schweiz an sechster Stelle. Ein wichtiger Faktor ist dabei sicherlich auch die für Investoren attraktive Steuergesetzgebung. Fundraising und IPOs bleiben schwierig
Die Verunsicherung durch die Eurokrise hat aber auch auf die Wagniskapitalbranche ausgestrahlt, Exits über die Börse (IPOs) waren bei der hohen Volatilität an den Märkten kaum möglich. Enttäuscht vom zweiten Halbjahr 2011 war deshalb auch Jean-Pierre Vuilleumier, Managing Director der Finanzierungsplattform CTI Invest (www.cti-invest.ch), die jungen Unternehmen und Kapitalgebern dabei hilft zusammenzufinden. „Das Interesse der institutionellen Investoren hat nachgelassen, das gilt sowohl für die Früh- als auch die Spätphasenfinanzierungen“, sagt er. Das erste Halbjahr war noch deutlich besser gewesen. „Viele Venture Capital-Häuser sind damit beschäftigt, ihre bestehenden Portfoliogesellschaften zu unterstützen“, sagt Vuilleumier. Außerdem seien etliche bemüht, neues Geld einzusammeln, aber das Fundraising sei nach wie vor schwierig. Immerhin hätten sich die Business Angels gut gehalten und viele junge Firmen bei der Finanzierung unterstützt. Internetfirmen hätten es dabei leichter, da sie weniger Kapital benötigten als beispielsweise Biotech- oder Medtech-Firmen. „Die Gründerkultur hat sich an den Schweizer Hochschulen sehr gut entwickelt“, erklärt Vuilleumier. „Wir helfen ihnen mit Coaching und Beratung und versuchen auch, Business Angels noch mehr zu motivieren.“ Zusätzlich aber fordert er, dass die Schweiz auch von staatlicher Seite endlich eine finanzielle Unterstützung für Jungunternehmer initiiert.
Fazit:
Der Schwung und Optimismus vom Jahresanfang ließ sich am Schweizer PE-Markt im Jahresverlauf 2011 nicht aufrechterhalten. Aber der Dealflow ist zurzeit gut, und vor 2012 ist den Marktexperten nicht bange. Vieles wird davon abhängen, ob die Eurokrise endlich bereinigt wird und die Konjunktur sich nicht allzu sehr abschwächt. Im Frühphasenbereich ist die Kapitalbeschaffung weiterhin schwierig, hier ist wohl vorerst keine durchgreifende Besserung abzusehen. Bernd Frank[email protected]