„Eine Anleihe ist mitunter sogar ein Muss für einen Buyout“

VC Magazin: Herr Blättchen, Herr von Preysing, wie schätzen Sie die Finanzierungsform Anleihe im Vergleich zu Initial Public Offerings (IPOs), Private Equity oder gar klassischer Bankenfinanzierung aktuell ein?

Blättchen: Wir reden hier für 2011 von durchaus vergleichbaren Transaktionsvolumina beim Primärmarkt für Aktien und dem für die sogenannten Mittelstandsanleihen. So lag das Emissionsvolumen in beiden Segmenten letztes Jahr bei rund 1,5 Mrd. EUR. Und auch die Emittenten sind sich vom Typus nicht unähnlich. Emittenten der Mittelstandsanleihen weisen einen mittleren Umsatz von 433 Mio. EUR auf, im Median 121 Mio. EUR. Im deutschen Primärmarkt für Equity liegen diese Zahlen bei 422 Mio. EUR bzw. 93 Mio. EUR.

VC Magazin: Also ein halbwegs zufriedenstellendes letztes Emissionsjahr?

Blättchen: Eine Unternehmensanleihe kann durchaus komplementär sein bei Finanzierungsvorhaben. Ein prominentes Beispiel ist der Evonik-Geschäftsbereich „Carbon Black“, der letztes Jahr an Rhône Capital für 900 Mio. EUR verkauft wurde. Die Finanzierung wurde über eine 600-Mio.-EUR-Hochzinsanleihe realisiert. Dies war ein notwendiger Schritt, da aktuell für diese Volumina keine Bankenkredite zur Verfügung gestellt werden. Lag der Bankenkreditanteil in der Unternehmensaußenfinanzierung im Jahr 1991 noch bei 32%, so fiel dieser Wert im Jahre 2010 auf nur noch 18%. Kapitalmarktinstrumente haben im Umkehrschluss erheblich an Stellenwert gewonnen.

VC Magazin: Wie steht es mit den Kosten bei einer Anleiheemission?

von Preysing: Eine kürzliche Studie von Prof. Dr. Christoph Kaserer von der TU München (www.fm.wi.tum.de) hat herausgefunden, dass die Emissionskosten für die sogenannten Mittelstandsanleihen in Frankfurt bei 4,2% liegen und einige Zehntelstellen höher in Stuttgart und Düsseldorf.

Blättchen: Eine Differenzierung zeigt sich tendenziell zwischen High Yield- und Investment Grade-Anleihen, wonach High Yield-Emissionen per se teurer sind. Beispielsweise lagen die Platzierungskosten bei den Investment Grade-Anleihen von Südzucker, Celesio, Stada, Freenet oder Symrise, die ein Volumen von 300 bis 500 Mio. EUR hatten, bei ca. 1%.

VC Magazin: Wie kritisch wird beurteilt, was Anleiheemittenten mit den aufgenommenen Mitteln beabsichtigen?

Blättchen: Ursprünglich waren High Yield-Anleihen eine amerikanische Erfindung aus den 1980ern, um größere Firmenübernahmen durchzuführen. In Deutschland hat sich diese Finanzierungsoption ebenfalls etabliert, wie es die Beispiele ATU, Grohe, Elster oder KabelBW zeigen. Private Equity hat es derzeit aufgrund der Bankenzurückhaltung etwas schwerer, große Deals finanziert zu bekommen. Die Akquisitionsfinanzierung bei Jack Wolfskin konnte bisher nicht syndiziert werden. Das heißt, die Anleihe ist mitunter sogar ein Muss für einen Buyout. Natürlich ist das eine risikoreichere Mittelverwendung, aber dafür ist es ja auch High Yield.

VC Magazin: Sieht das die Börse genauso?

von Preysing: Als Börse bleibt uns nur, die entsprechende Transparenz zu fordern: Es muss klar sein, was die Mittelverwendung sein soll. Ist diese für eine riskantere Unternehmung gedacht, wird auch der Zins, der von Investoren gefordert wird, höher sein. Wir fordern die „Börsenfitness“ eines Emittenten – egal ob Aktie oder Anleihe –, die vom Emissionsbegleiter sichergestellt bzw. kontrolliert werden muss. Deshalb wird für den geplanten Prime Standard für Unternehmensanleihen dann ebenfalls eine Bank als Begleiter obligatorisch.

Blättchen: Speziell bezogen auf den Prime Standard für Unternehmensanleihen wäre mein Fazit, dass auch Akquisitionsfinanzierungen möglich und wahrscheinlich sind. Bei den Mittelstandssegmenten, wo die Unternehmen Umsatzgrößenordnungen im Median bei rund 120 Mio. EUR haben, dürfte das eher eine Ausnahme bleiben.

VC Magazin: Mit dem Prime Standard für Unternehmensanleihen gedenken Sie also konkret, einen Teil des Marktes aus dem Ausland nach Deutschland zu holen?

von Preysing: Aber ja. Fakt ist, dass dieser Markt für Hochzinsanleihen derzeit noch an der Deutschen Börse vorbeigeht. Wir haben zwar einen Mittelstandsanleihenmarkt von rund 2 Mrd. EUR, aber einen institutionellen deutschen Anleihenmarkt von fast 40 Mrd. EUR. Davon sind 20% High Yield-Emissionen. Fast alles davon wird heute über Luxemburg abgewickelt und der Rest über Dublin. Sinn des neuen Segments ist, einen Teil davon nach Frankfurt zu ziehen. So stellten wir uns die Frage: Was bietet man diesen Institutionellen an, damit sie das attraktiv finden? So kamen wir zu den Punkten in Bezug auf Liquidität und Transparenz.

Blättchen: Vergessen wir nicht, dass die High Yield-Welt ganz anders tickt, und zwar institutionell. Nicht umsonst sind da Stückelungen von 100.000 EUR häufig zu finden, damit eine klassische Privatplatzierung stattfinden kann. Mein Punkt ist, dass es Sinn macht, wenn sich Private Equity-Interessierte des neuen Segments Prime Standard für Anleihen künftig bedienen.

VC Magazin: Herr von Preysing, Herr Prof. Blättchen, herzlichen Dank an Sie beide für das interessante Gespräch!

Das Interview führte Falko Bozicevic.

Zu den Interviewpartnern:
Prof. Dr. Wolfgang Blättchen (re.) ist Gründer und Gesellschafter der Blättchen Financial Advisory GmbH (www.blaettchen-fa.de) und Berater bei Börseneinführungen und weiterführenden Kapitalmarktstrategien. Alexander von Preysing ist seit August 2010 als Head of Issuer Services verantwortlich für die Weiterentwicklung der Börsensegmente, Betreuung von notierten Unternehmen und die Akquise inländischer und internationaler Unternehmen für den Primärmarkt der Deutschen Börse (www.deutsche-boerse.com).