Die disquotale Einlage im reformierten Schenkungsteuerrecht

Fall für die Schenkungsteuer

Der Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 14. März 2012 (sogenannter „Ländererlass“) bringt zumindest etwas mehr Klarheit. Die Neuregelungen gelten für Erwerbe nach dem 13.12.2011, ohne Rückwirkung auf vorherige Erwerbe. Der Begriff der disquotalen Einlage ist kein juristischer Begriff, entstammt aber gesellschafts- und steuerrechtlichen Zusammenhängen. Allgemein wird darunter verstanden, dass ein Gesellschafter Vermögen in eine Gesellschaft einbringt, ohne eine dem Wert entsprechende Gegenleistung zu erhalten. Soweit eine solche, beteiligungsdisproportionale Leistung zu Wertsteigerungen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft führt, kann dieser erhöhte Wert nun nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG bei unmittelbar oder mittelbar beteiligten natürlichen Personen oder Stiftungen der Schenkungsteuerpflicht unterliegen. Nach dem folgenden Satz 2 sind auch Zuwendungen zwischen Kapitalgesellschaften als „freigebig“ anzusehen, die nicht in gleichem Beteiligungsbesitz stehen, sofern die Zuwendungen mit der Absicht erfolgen, Gesellschafter zu bereichern. Bisher sahen BFH und Finanzverwaltung in einer Werterhöhung der Anteile durch eine disquotale Einlage nur einen Reflex der Bereicherung der Gesellschaft, die ihrerseits aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Zwecks der Zuwendung nicht als Schenkung betrachtet wurde.

Absicht des Gesetzgebers

Der Gesetzgeber wollte mit § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG eine von ihm erkannte Besteuerungslücke im Verhältnis zu den Gesellschaftern schließen. Er hatte dabei den Fall vor Augen, dass ein Vater – statt einer direkten Zuwendung an seinen Sohn – der Gesellschaft, an der Vater und Sohn beteiligt sind, einen über die eigene Beteiligungsquote hinausgehenden geldwerten Vorteil zukommen lässt, um so eine Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile seines Sohnes zu erreichen. Der Gesetzgeber wollte lediglich „echte Missbrauchsfälle“ ausschließen und eine Zuwendung aus wirtschaftlichen Gründen, z.B. zur Abwendung einer Schieflage der Gesellschaft, explizit nicht als Bereicherung eines Mitgesellschafters angesehen wissen (Drs. 17/7524, S. 6). Diesem Willen widerspricht die weite und von der schenkungsteuerlichen Dogmatik abweichende Fassung des Gesetzes.

Erlass der Finanzbehörden

Mit dem Ländererlass wurde ein Versuch unternommen, die zahlreich aufgekommenen Fragen zu Inhalt und Folgen der Neuregelung zu beantworten. Leistungen im Sinne des Absatz 8 Satz 1 sollen insbesondere Sach- und Nutzungseinlagen sein (Ziffer 3.3.1 des Erlasses). Der Erlass stellt auch klar, dass Leistender nach Satz 1 auch eine juristische Person sein kann (Ziffer 3.2), anders als man dies aus dem Zusammenhang mit Satz 2, der sich explizit auf Kapitalgesellschaften bezieht, vielleicht hätte schließen können. Hilfreich erscheinen vor allem die Feststellungen in Ziffer 3.3.3f des Erlasses. Danach soll das Vorliegen einer Leistung im Sinne des Absatz 8 Satz 1 im Rahmen einer Gesamtbetrachtung festzustellen sein. Sofern auch die anderen Gesellschafter in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang Leistungen an die Gesellschaft erbringen, die insgesamt zu einer den Beteiligungsverhältnissen entsprechenden Werterhöhung führen, sei keine steuerbare Leistung im Sinne des Absatz 8 Satz 1 gegeben. Hierbei seien nicht nur Leistungen der anderen Gesellschafter an die Gesellschaft, sondern auch Leistungen der Gesellschafter untereinander oder fremder Dritter an die Gesellschaft zu berücksichtigen. Als Gegenleistung sollen z.B. zusätzliche Rechte in der Gesellschaft für den Leistenden in Betracht kommen, wie Verbesserung des Gewinnanteils, zusätzliche Anteile oder eine Anpassung des Erlösvorzugs (Ziffer 3.3.5). Soweit daher eine zunächst disquotale Einlage in einer Liquidationspräferenz Berücksichtigung findet, scheidet eine Schenkungsteuerpflicht aus.

Ausgewogenheit entscheidend

Nach Ziffer 3.4.3 sind die Erkenntnismöglichkeiten und Wertvorstellungen der Gesellschafter im Zeitpunkt, in dem die Leistung bewirkt wird, maßgeblich. So soll keine Steuerbarkeit nach Absatz 8 Satz 1 vorliegen, wenn die Parteien bei wechselseitigen Leistungen an die Gesellschaft in nachvollziehbarer Weise und unter fremdüblichen Bedingungen davon ausgegangen sind, dass die Leistungen insgesamt ausgewogen seien. Das soll selbst dann gelten, wenn sich dies anhand später gewonnener besserer Erkenntnisse als unzutreffend erweist. Nur bei einem offensichtlichen Missverhältnis (Wertdifferenz von mindestens 20%) sei die Ausgewogenheit der Gesellschafterbeiträge regelmäßig nicht mehr zu belegen. Zu Absatz 8 Satz 2 bringt der Erlass in Ziffer 4 keine neuen Erkenntnisse. Es wird bestätigt, dass verdeckte Gewinnausschüttungen im Konzern nur in definierten Ausnahmefällen als Schenkung behandelt werden sollen und es außerdem hier, im Gegensatz zu Satz 1, auf den Willen zur Unentgeltlichkeit ankommt.

Beispiele:

Forderungsverzicht eines Gesellschafters in der Krise

Ein Gesellschafter (oder auch Dritter) verzichtet auf Darlehensforderungen gegenüber der Gesellschaft, um die sich in der Krise befindende Gesellschaft bei der Sanierung zu unterstützen. Die übrigen Gesellschafter leisten keine wie auch immer geartete oder jedenfalls nicht beteiligungsproportionale Einlage. Nach dem Wortlaut des Absatz 8 ist die Werterhöhung der Anteile der Mitgesellschafter eine steuerpflichtige freigebige Zuwendung. Bei einem derartigen beteiligungsdisquotalen Forderungsverzicht empfiehlt der Erlass in Ziffer 3.3.6 einen vorgeschalteten, den Beteiligungen entsprechenden Forderungsverkauf an die Mitgesellschafter zum Verkehrswert. Der dann beteiligungsproportionale Forderungsverzicht sei schenkungsteuerlich unschädlich. Bei einem Verzicht auf wertlose Forderungen soll es aber selbst bei Einräumung eines Besserungsscheins an einem steuerbaren Vorgang fehlen, weil im Falle einer wertlosen Forderung kein Vermögen, sondern nur uneinbringbare Werte gegen Erwerbsaussichten umgeschichtet werden.

Einbringung von IP

Bei Gründung einer GmbH und direkt anschließender Einbringung einer Sacheinlage durch einen Gesellschafter kann darin eine freigebige Zuwendung an die Mitgesellschafter liegen, wenn der einbringende Gesellschafter nicht eine gleichwertige Gegenleistung erhält. Eine solche Gegenleistung kann aber auch in gleichzeitigen Finanzierungsbeiträgen der Mitgesellschafter zu sehen sein.

Business Angel mit „vergünstigter“ Einlageleistung

Übernimmt ein Business Angel Anteile an einer Gesellschaft zu nominal oder jedenfalls unter zu niedriger Einlageleistung und soll der Gesellschaft ansonsten mit Know-how zur Verfügung stehen, so konnte dies schon nach Entscheidung des BFH aus dem Jahr 2000 eine schenkungsteuerpflichtige Bereicherung auf Kosten der Altgesellschafter darstellen (BFH vom 20.12.2000, BStBl. 2001 II, 454), sofern die Überlassung von Know-how nicht als weitere Verpflichtung vereinbart wurde. Im Übrigen eröffnet der Länderlass aber zumindest einen gewissen Bewertungsspielraum der Parteien.

Fazit:

Die weite Formulierung des neuen Absatzes 8 bedeutet, auch unter Berücksichtigung des Ländererlasses, dass künftig durch Zusatzabreden möglichst vermieden werden sollte, dass eine überproportionale Einlage zu einer endgültigen Vermögensverschiebung zugunsten von Mitgesellschaftern führt, indem sie beispielsweise klarstellen, worin Leistung und Gegenleistung der Beteiligten und deren Ausgewogenheit bestehen sollen.

Zur Autorin:

Alix Winterhalder ist Associate bei Weitnauer Rechtsanwälte, Wirtschafsprüfer, Steuerberater (www.weitnauer.net). Ihre Schwerpunkte liegen im Gesellschaftsrecht, Unternehmensfinanzierung und -beteiligungen.