AIFM wird zum Extremparcours

Fliehkräfte am Rande der EU

Seit den Studien von Everett Rogers, William Abernathy und James Utterback wissen wir: Innovationen folgen in ihrer Entwicklung zu erfolgreichen Produkten und Märkten regelmäßig S-Kurven. Nach der Etablierung des sogenannten Dominant Designs verlagert sich der Fokus von der Produktinnovation zu Prozess- und Produktionsfaktoren – und diese werden zu den wesentlichen Wettbewerbsdimensionen. Ebenso wissen wir, dass disruptive Innovationen ihren Ursprung fast immer außerhalb von etablierten Industrien haben. Nicht nur revolutionäre Konzepte oder Technologien, sondern auch regulatorische Maßnahmen können bestehende Märkte aufmischen oder völlig neue schaffen. Ein Beispiel dafür ist im Anlagefondsbereich die Einführung des UCITS-Standards für Publikumsfonds durch die EU. In wenigen Jahren entwickelte sich dieser vielfach auch außerhalb des harmonisierten europäischen Marktes zu einer marktbestimmenden Marke. Die Schweiz als einer der weltweit wichtigsten Platzierungsmärkte wurde als Produktstandort für Retailfonds neutralisiert – als Folge des hier mangelnden EU-Zugangs. Auch der Schweizer Heimmarkt ging verloren; heute stammen mehr als 80% der zum öffentlichen Vertrieb zugelassenen kollektiven Kapitalanlagen aus der EU. Die AIFM-Richtlinie wird unserer Meinung nach auf Managerebene einen ähnlichen Effekt haben. Neben den regulatorischen Initiativen der EU schränken auch neue amerikanische Maßnahmen wie der Dodd-Frank Act die Alternativmanager ein. Ihr verminderter Handlungs- und Strukturierungsspielraum wird durch die zunehmende Konvergenz der regulatorischen und steuerlichen Regimes noch enger. So sind neue Lösungen für vorausblickende Manager gefragt. Und die gibt es auch. Richtig eingesetzt können sie im Wettrennen um Investorengelder das entscheidende Durchstarten ermöglichen.

Auslaufmodelle auf den letzten Runden

Gerade in Deutschland werden Investmentvehikel für Anlagen in alternative Strategien mit Long Only-Charakter wie Immobilien, Venture Capital und Private Equity oftmals als GmbH & Co. KG konzipiert. Dies ist die kontinentaleuropäische Variante der vorherrschenden Limited Partnership (LP), die von amerikanischen und englischen Investoren und Managern bevorzugt wird. Bei LPs werden die Manager als General Partner (GP) tätig und halten als solche wesentliche Kontrollrechte und Anteile am Nominalkapital des Investmentgefäßes. Das Investment der Anleger als beschränkt haftende Teilnehmer (Limited Partner) erfolgt hauptsächlich als Kreditfinanzierung. So können die Manager auch bei einem großen Fondsvolumen, das bei Private Equity-Fonds mehrere Milliarden betragen kann, immer noch bis zu durchschnittlich 20% am Nominalkapital der LP halten. Dieses bildet dann wiederum die Basis für ihre Erfolgsbeteiligung, den Carried Interest. Die Mehrzahl dieser LPs wurde über lange Zeit in Offshore-Domizilen wie den Kanalinseln Guernsey und Jersey oder den Cayman Islands aufgesetzt. Dies ermöglicht Steuerneutralität auf Vehikel- und Managerebene und maximale Freiheit bei der Ausgestaltung und Umsetzung der Anlagepolitik. Die Manager bringen ihr Know-how bei solchen Strukturen regelmäßig im Wege von Beratungsverhältnissen ein, die zwischen dem GP und ihren jeweiligen Onshore-Gesellschaften geschlossen werden. So wird die Managementgebühr, die dem GP vom Fonds jährlich zusteht, als Beraterhonorar umgemünzt und dem effektiv tätigen Manager an dessen tatsächlichem Domizil entrichtet. Dem Carried Interest dienen zusätzliche, dedizierte Offshore-Vehikel der Manager, sogenannte Carry Cos als Auffanggefäße und Steueroptimierungsinstrumente. Werden hinter diese dann noch Trusts geschaltet, erschließt sich eine weitere Optimierungsdimension. Solche hoch effizienten Strukturen dürften nunmehr, wie viele Produkte am Höhepunkt ihrer Entwicklung, das Ende ihrer S-Kurve erreichen.

Spurwechsel mit AIFM

Wie erwähnt wird in der EU die AIFM-RL die Leitplanken neu setzen, vorab auf Managerebene. In zweiter Linie kommen die Fondsvehikel unter Druck. Wer in Zukunft in oder aus der EU einen Alternativfonds verwalten oder bei qualifizierten Anlegern platzieren will, braucht eine Bewilligung als AIFM und muss dafür Substanz sowie Kompetenz vorweisen. Im Gegenzug gibt es ab 2013 einen AIFM-Pass, der die Tätigkeit in der EU erleichtert. Manager von geschlossenen Fonds, die keinen Leverage verwenden und weniger als insgesamt 500 Mio. EUR verwalten, können theoretisch unter die sogenannten De-minimis-Bestimmungen flüchten. Diese sehen statt einer Vollunterstellung lediglich eine vereinfachte Registrierung vor. Dieser Weg führt allerdings nicht zum begehrten Pass. Erleichterungen für reine Venture-Fonds soll eine eigene Verordnung bieten, deren endgültige Details zurzeit aber noch nicht vorliegen. Schon heute ist allerdings klar, dass institutionelle Investoren und sophistizierte Family Offices bei der Vergabe von neuen Mandaten oder Fondsinvestitionen die zukünftige AIFM-Strategie der Manager zum Kriterium ihres Auswahlkataloges erheben. Wer diese Anleger gewinnen will, muss also schnell schalten. Bei LP-Strukturen müsste sich der GP als AIFM qualifizieren, bei selbstverwalteten Strukturen das Vehikel selbst. Bei Offshore-Konstruktionen oder solchen, bei denen die maßgebliche Substanz vorgeblich andernorts angesiedelt ist als das Kernpersonal des Managers, wird es schwierig sein, den dort behaupteten Ort der Hauptverwaltung aufrechtzuerhalten. Die Lösung ist relativ einfach: Die Manager erwerben dort AIFM-Status, wo sie physisch präsent sind, und delegieren Risikomanagement und Anlageverwaltung – also die AIFM-relevanten Tätigkeiten – zum Substanzort.

Liechtenstein auf der Überholspur

Aber auch die Offshore-Anlagevehikel kommen zunehmend unter Druck. Seit den jüngsten Betrugsfällen bevorzugen immer mehr qualifizierte Anleger Onshore-Produkte. In den USA werden in steuerfreien Domizilen aufgelegte Vehikel seit dem Inkrafttreten des Dodd-Frank Acts häufig mit erheblichen Problemen konfrontiert, wenn die Erträge aus erfolgreichen Exits dorthin abfließen sollen. Auch hier bieten sich Onshore-Alternativen: Die bisher mäßig erfolgreiche luxemburgische SICAR-Struktur, die speziell für Risikokapitalanlagen konzipiert wurde, erfreut sich stärkerer Nachfrage. Kombiniert mit einem AIFM-Status am tatsächlichen Managerdomizil hat diese Struktur Zukunft. Auch Liechtenstein wird zunehmend attraktiver. Das neue AIFM-Gesetz sieht eine vollwertige LP-Struktur vor. Zudem können durch die Pendlerdistanz zur Deutschschweiz, Süddeutschland und Westösterreich Manager aus diesem Einzugsgebiet glaubwürdig Substanz verwirklichen und zu vollwertigen AIFMs werden. Natürlich führt eine Substanzverlagerung auch zu Steuerfolgen. Mit einer geschickten Onshore-Strukturierung, die bestehende Doppelbesteuerungsabkommen und legitime Steuervorteile an europäischen Domizilen berücksichtigt, kann dieser Effekt abgefedert werden. Zwar lässt sich keine Nullsteuer realisieren, dafür aber Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit.

Zum Autor

Dr. Günther Dobrauz leitet bei PwC Zürich den Bereich Asset Management R&C Services. Er berät Asset Manager bei der Ausgestaltung ihrer internationalen Fondsstrukturen und bei aufsichtsrechtlichen Unterstellungsverfahren. Davor war er in gleicher Position für Deloitte, als Legal Counsel einer internationalen Hedgefonds-Gruppe und als Managing Partner eines Schweizer Venture Capital-Unternehmens tätig.