Standardverträge für Mitarbeiterbeteiligung

German Standards Setting Institute vereinfacht Ausgabe von virtuellen Anteilsoptionen durch Start-ups

Dr. Roland Kirchhof, Dr. Jens Wenzel, Gloria Bäuerlein (v.l.n.r.)
Dr. Roland Kirchhof, Dr. Jens Wenzel, Gloria Bäuerlein (v.l.n.r.)

Bildnachweis: © Business Angels Netzwerk Deutschland e. V., Hengeler Mueller, Bundesverband Deutsche Startups e. V..

Mitarbeiterbeteiligungen sind für Start-ups erfolgskritisch, denn gegenüber etablierten Unternehmen haben sie als Arbeitgeber einen systemischen Nachteil: Der Arbeitsplatz ist unsicherer und das Gehalt tendenziell niedriger. Mitarbeiterbeteiligungen helfen, diesen Nachteil auszugleichen. Hinzu kommt: Auf internationaler Ebene nimmt der Konkurrenzdruck weiter zu – insbesondere angesichts des globalen „War for Talents“, in dem sich ­deutsche Start-ups behaupten müssen. Nur dank Mitarbeiterbeteiligungen bleiben Start-ups global konkurrenzfähig. Top-Talente mögen das internationale Umfeld Berlins oder die Lebensqualität Münchens zu schätzen wissen – aber häufig verlangen sie explizit Beteiligungen, wenn sie sich zwischen Weltmarktführern aus dem Silicon Valley und einem deutschen Start-up entscheiden müssen. Deutschland braucht dieses Instrument, wenn die Start-ups in einem immer härteren internationalen Wettbewerb bestehen wollen – denn die Welt dreht sich weiter und wartet nicht auf hiesige Jungunternehmer. Weil attraktive Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen Start-ups stärken, sind sie ein wichtiger Wachstumstreiber.

Für einen wettbewerbsfähigen Start-up-Standort ist es daher entscheidend, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen von Mitarbeiterbeteiligungen möglichst attraktiv ausgestal­tet sind. Die steuerliche Behandlung echter Mitarbeiterbeteiligungen wurde im Fondsstandortgesetz zwar verbessert, jedoch weist auch die Neuregelung noch erhebliche Schwächen auf. So wurde unter anderem versäumt, die sogenannte Dry Income-Problematik, das heißt die Besteuerung ohne vorherigen Liquiditätszufluss, vollständig zu beheben. Im Falle eines Arbeit­geberwechsels, spätestens aber nach zwölf Jahren, kommt es noch immer zur Dry Income-Besteuerung. Zudem ist der Anwendungsbereich auf Unternehmen beschränkt, die weniger als 250 Personen beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von maximal 50 Mio. EUR oder eine Jahresbilanzsumme von maxi­mal 43 Mio. EUR aufweisen. Stark wachsende Start-ups ­fallen somit schnell aus dem Steuerregime.

Vereinfachung durch Standardverträge

Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen ist die in der Praxis derzeit gängigste Form der Mitarbeiterbeteiligung bei Start-ups die Einräumung sogenannter virtueller Anteilsoptionen im Rahmen eines Virtual Share Option Program (VSOP). ­Daher hat das German Standards Setting Institute (GESSI), ein Gemeinschaftsprojekt von Startup-Verband und Business Angel Netzwerk Deutschland (BAND), unter juristischer Federführung der renommierten Kanzlei Hengeler Mueller Standardverträge zu virtuellen Mitarbeiterkapitalbeteiligungen erarbeitet. Diese Standardverträge sollen die Vergabe von virtuellen Beteiligungen künftig vereinfachen.

Beteiligung am Exit

Im Rahmen eines VSOP werden keine Optionen auf echte Unternehmensanteile ausgegeben, sondern deren Wert wird vertraglich nachgebildet. Im Falle eines Exits – das kann ein Share Deal-Exit, Asset Deal-Exit oder ein IPO-Exit sein – erhalten die Mitarbeitenden somit einen schuldrechtlichen Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags oder auf Gewährung einer Sachleistung (etwa die Übertragung von Aktien im Falle eines IPOs). Bei der Berechnung der Beteiligung an den Exit-Erlösen werden die virtuellen Optionen dann grundsätzlich wie echte Unternehmensanteile behandelt, die Berechtigten haben also je ausgeübter Option ­einen Anspruch in Höhe der auf einen Anteil entfallenden Exit-­Erlöse, gegebenenfalls abzüglich eines vereinbarten Ausübungs­preises (Strike Price). Virtuelle Beteiligungen vermeiden im ­Vergleich zu echten Unternehmensanteilen eine Reihe von Komplikationen auf gesellschaftsrechtlicher Ebene. Ein gravierender Nachteil bleibt jedoch: Man zahlt den vollen Steuersatz zum indivi­duellen Einkommensteuertarif, weshalb das ­Unternehmen zusätzliche Optionen ausgeben muss, um den Nachteil auszugleichen, und somit stärker als zum Beispiel ausländische Wettbewerber verwässert.

Optionsbedingungen und Zuteilungsschreiben

Die GESSI-Standarddokumente zu VSOPs bestehen aus den soge­nannten Optionsbedingungen sowie einem ­Zuteilungsschreiben. In den Optionsbedingungen ist geregelt, wie virtuelle Anteile ausgegeben werden, unter welchen Bedingungen Anteile angespart werden können (Vesting) beziehungsweise verfallen und wie bei möglichen Exit-Szenarien Anteile geltend gemacht werden können. Das Zuteilungsschreiben enthält das Angebot des Start-ups an die jeweils adressierten Mitarbeitenden. In dem Zuteilungs­schreiben wird außerdem der für die Berechnung des Zahlungsanspruchs erforderliche rechnerische Ausübungspreis der Optionen (Strike Price) festgelegt.

Weitere Regelungen

Die Gewährung der virtuellen Optionen auf schuldrechtlicher Ebene, also die Unterzeichnung des Zuteilungsschreibens beim Start-up, erfolgt durch die Geschäftsführung. Die Einräumung von virtuellen Optionen an die Geschäftsführer und leitenden Angestellten wird auf gesellschaftsrechtlicher Ebene häufig der Gesellschafterversammlung zugewiesen und von der Zustimmung der Investorenmehrheit abhängig gemacht. Üblicherweise wird in der Gesellschaftervereinbarung zudem die Höchstzahl der auszugebenden virtuellen Anteile bestimmt. Entsprechende Rege­lungen sind daher in den GESSI-Standards „Term Sheet“ und „Finanzierungsrunde“ bereits vorgesehen. Die GESSI-Standard­verträge VSOP enthalten zudem allgemeine Hinweise zu den wesentlichen Parametern der Optionsbedingungen wie Vesting, Verfallsbestimmungen und Zahlungsanspruch.

Über die Autor:innen:
Dr. Roland Kirchhof ist Co-Vorsitzender von Business Angels Netz­werk Deutschland e.V. (BAND). Der an der LMU in München promovierte Volljurist war unter anderem als Beigeordneter des Landkreistages NRW und als Chef der Stadtverwaltung Herne tätig.

Dr. Jens Wenzel ist Partner im Berliner Büro von Hengeler Muel­ler. Er berät Start-ups sowie strategische und Finanzinvestoren zu Venture- und Growth-­Finanzierungen, Unternehmenskäufen und Joint Ventures.

Gloria Bäuerlein engagiert sich als Angel- und ehemalige Wagniskapitalinves­torin im Startup-Verband für den Aufbau eines europäischen Start-up-Ökosystems, das Gründer dabei unterstützt, die Marktführer von morgen zu bauen.