Leidenschaftlich pitchen – das bringt auch in der Krise Erfolg

Matthias Friese

Bildnachweis: © Xpress Ventures.

Geplatzte Deals und Downrunden – im Moment ist die Situation der deutschen Start-ups schwierig. Denn auch sie können sich der aktuellen Krise nicht entziehen. Trotzdem müssen viele Gründer genau jetzt um Investoren werben. Ein zielgenauer Pitch war also noch nie so wichtig wie heute. Doch wie überzeugt man in der aktuellen Situation Wagniskapitalgeber? Viele greifen zur Taktik, in wenigen Minuten möglichst viele kaufmännische Zahlen und technische Fakten zu nennen. Das allein ist oft von wenig Erfolg gekrönt.
Wagniskapitalgeber interessieren sich eher dafür, ob das Produkt oder ein MVP (Minimum Viable Product) existiert, ein PoC (Proof of Concept) erreicht wurde und es ein skalierbares Geschäftsmodell hat. Zudem haben die meisten Investoren nur eine sehr kurze Aufmerksamkeitsspanne. Typischerweise schauen sie sich an einem Tag viele Pitches an und reden mit vielen Gründern. Da muss schon ein besonders starker Eindruck entstehen.

Leidenschaft entscheidet über den Erfolg

Es gibt allerdings ein wenig beachtetes Merkmal für einen erfolgreichen Pitch, das aber über Erfolg oder Misserfolg entscheiden kann: Leidenschaft. Worte und Pitchdecks haben eine viel geringere Bedeutung, als die meisten Leute annehmen.
Das ist ein wichtiges Ergebnis einer Studie von Dr. Chia-Jung Tsay, Associate Professor für Psychologie an der Universität von Wisconsin-Madison. Sie hat in einem Dutzend Untersuchungsreihen mehr als 1800 Investoren und Leuten aus der US-Start-up-Szene Aufzeichnungen von Pitch-Wettbewerben gezeigt, zum Teil schriftlich, als Audio sowie als Videos mit und ohne Ton.
Sie sollten anhand dieser Aufzeichnungen vorhersagen, welche Teilnehmer den jeweiligen Wettbewerb gewonnen haben. Ein wichtiges Ergebnis: Die Betrachter der stummen Videos konnten das Ergebnis in der Hälfte der Fälle richtig vorhersagen. Bei Tonmaterial waren es nur 43,6 % und bei Textabschriften sogar nur noch jeder Dritte. Verbale Kommunikation ist anscheinend weniger wichtig ist als Körpersprache.

Investoren bevorzugen engagierte Unternehmer:innen

Die physische Präsenz der Gründer:innen beeinflusst also ihren Erfolg bei Wagniskapitalgebern deutlich. Dies zeigt umgekehrt, dass Investoren ihre Entscheidungen häufig aufgrund von Kriterien fällen, die ihnen selbst möglicherweise nicht bewusst sind. So scheinen viele Investoren zu vermuten, dass ein besonders leidenschaftlich und engagiert wirkender Mensch auch stärker am Erfolg seiner Geschäftsidee interessiert ist als eine unterkühlt wirkende Person.
Aus diesen Untersuchungen der Psychologin lassen sich drei Tipps für Pitches unter schwierigen Rahmenbedingungen ableiten: Mit Selbstvertrauen auftreten, mit Leidenschaft vortragen und (fast) keine Folien zeigen. Der dritte Tipp bedeutet nicht, überhaupt keinen hochwertigen Foliensatz vorzubereiten. Seine Bedeutung sollte nur nicht überschätzt werden. Denn während des Vortrags verhindern umfangreiche Pitchdecks, dass sich die Investoren auf den eigentlichen Auftritt der Gründer:innen konzentrieren.
Leidenschaft, Selbstvertrauen und sogar Kompetenz teilen sich nach den Untersuchungen von Dr. Tsay stark über Körpersprache mit. Deshalb ist es vor allem für die Suche nach ersten Investoren entscheidend, wenn Gründerteams Auftritt und Eindruck optimieren. Dafür ist es aller Erfahrung auch hilfreich, den Pitch vor unterschiedlichen Leuten zu proben und anhand der Rückmeldungen zu verfeinern.

Begeisterung für das eigene Thema ist nicht alles

Viele Leute wirken vorwiegend bei ihren ersten Auftritten vor Publikum zurückhaltend und deshalb leidenschaftslos. Wer Anregungen wünscht: Ted/Tedx-Talks auf YouTube sind eine Quelle für oft sehr temperamentvolle Vorträge. Ferner kann es hilfreich sein, anderen Start-ups beim Pitchen zuzusehen. So veranstalten einige Formate etwa Innovation Challenges, Pitch Nights, monatliche Pitch Events oder auch Podcast-Formate, in denen sich Unternehmen kurz und bündig vorstellen. Allerdings ist Begeisterung für ein Thema allein keine Erfolgsgarantie, einige Grundregeln gelten immer noch.
So sollten die Gründerteams alle für den potenziellen Investoren wichtigen Informationen zusammenstellen und griffbereit haben. Außerdem ist es wichtig, eine Liste der bisherigen Geldgeber und ihrer Eigentumsanteile (Captable) bereitzuhalten und sich über die zukünftige finanzielle Entwicklung Gedanken zu machen.
Um den Pitch aufzulockern, sind gute Storys gefragt, primär in Form von Use Cases. Und die Gründer:innen sollten bei der Vorbereitung ihr Geschäftsmodell auf den Kern herunterbrechen: Welche spezielle Lösung für welches konkrete Problem bietet sie? Und zum Schluss ist der Blick auf die Erwartungen des Wagniskapitalgebers eine Erfolgsvoraussetzung. Denn wer Risikokapital einwirbt, geht auf die Erwartung ein, langfristig etwas Großes aufzubauen.

Über den Autor:

Matthias Friese ist Managing Partner des in Berlin ansässigen Company Builders Xpress Ventures, der auf den Aufbau innovativer und disruptiver Start-ups – insbesondere in der Logistik – spezialisiert ist. Matthias Friese ist bereits mehrfacher Gründer von Unternehmen im digitalen Bereich. Mit seinem starken Background im Aufbau und der Skalierung von B2B-Start-ups, wie beispielsweise der Cybersecurity SaaS-Lösung Patronus.io, verfügt Friese über einen umfassenden Erfahrungsschatz, den er gerne mit jungen Gründern und Gründerinnen und Gründungsinteressierten teilt. Zum bisherigen Portfolio zählen Start-ups wie Zenfulfillment, Opticert und Angel Bringt’s.