„Gute Bedingungen? Ja, aber …“

Schwung für deutsche Biotechnologie darf nicht an Gründern vorbeigehen

Prof. Dr. Dirk Honold, TH Nürnberg | Dr. Peter Hanns Zobel, IZB | André van Hall, BioCampus Cologne (v.l.n.r.)
Prof. Dr. Dirk Honold, TH Nürnberg | Dr. Peter Hanns Zobel, IZB | André van Hall, BioCampus Cologne (v.l.n.r.)

Bildnachweis: (c) TH Nürnberg, (c) IZB, (c) BioCampus Cologne.

Der Erfolg von BioNTech & Co. und die schnelle Umsetzung der mRNA-Technologie in wirksame COVID-19-Impfstoffe hat gezeigt, wie groß das Potenzial der deutschen Biotechnologie und deren Innovationskraft sind. Doch für die Translation neuer Ideen in marktbeherrschende Produkte fehlt es mitunter immer noch an wichtigen Strukturen und Rahmenbedingungen. 

Dabei spielen finanzielle, regulatorische oder auch personelle Bedingungen eine Rolle. Letztere beziehen sich nicht nur auf den allseits bekannten Fachkräftemangel, der auch vor deutschen Biotechfirmen nicht Halt macht, sondern auch auf die Anforderungen eines modernen Managements bei potenziellen Neugründern. Hier ist der Ausbau an Mentoringangeboten notwendig. Zudem gebe es laut dem Biotech-Report von EY zu wenige Seriengründer in der deutschen Biotechnologie. 

Eine Frage des Kapitals

Als größtes Hemmnis einer erfolgreichen (Aus-)Gründung eines Biotech-Start-ups wird aber weiterhin fehlendes Kapital genannt. „Die Finanzierung von wissensbasierten Geschäftsmodellen stellt die große Herausforderung dar“, sagt André van Hall, Geschäftsführer vom BioCampus Cologne. „Der Königsweg bleibt meines Erachtens weiterhin das ‚Bootstrapping‘, gegebenenfalls ergänzt durch Fremdkapital. Selbstverständlich ist dies bei vielen forschungsintensiven Ansätzen nicht möglich. Bei der Suche nach Eigenkapitalbeteiligungen hängt die Art des idealen Investors natürlich auch vom Geschäftsmodell und der Höhe des notwendigen Investments ab. Nach meiner Erfahrung ist ein strategischer Investor oft eine gute Wahl, da er neben dem Kapital meist auch Marktkenntnis und Know-how mitbringt“, so van Hall. 

Anerkennung am Kapitalmarkt?

Auch wenn in den letzten zwei Jahren Rekordsummen von Wagniskapitalgebern in die deutsche Life Sciences gewandert sind, so fehlt es doch vor allem an „Smart Money“, also an Kapital jenseits der reinen Pre- beziehungsweise Seed-Finanzierung. Findet hier aber langsam ein Umdenken statt? „Biotech und Climatetech sind die Branchen der Zukunft, die auch im Vergleich zu ‚Software as a Service‘ (SaaS) immer häufiger im Investmentfokus der Investoren stehen“, sagt Prof. Dr. Dirk Honold von der Technischen Hochschule Nürnberg und Co-Leiter der AG Finanzen und Steuern des Bio Deutschland e.V. Durch die Erfolge von Biotechunternehmen der letzten Jahre sowie das Closing von mehreren Venture Capital-Fonds größer als 0,25 Mrd. EUR im europäischen Raum mit vielen Vertretern in Deutschland und starken Family Offices, so Honold weiter, könne bei erfolgreichen Entwicklungen zumindest in einigen Fällen die Finanzierungskette geschlossen werden, sodass Life Sciences-Gründungen besser umsetzbar werden. „Der DeepTech & Climate Fonds als Teil des Zukunftsfonds kann hier einen guten Beitrag leisten, wenn es gelingt, die Mittel in das bestehende Finanzierungsökosystem von Biotechs zu integrieren. Die steuerliche Forschungszulage und Förderprogramme können ausgleichend wirken“, sagt Honold. Neben dem DeepTech & Climate Fonds seien besondere Unterstützungen für größere Finanzierungen weiterhin notwendig, sodass zur Nachhaltigkeit der Entwicklungen der Unternehmen und des Ökosystems der Exit gelingen kann beziehungsweise das IPO-Fenster erreicht wird: „Das langfristige Zukunftspotenzial von Biotechunternehmen sollte dazu auch am deutschen Kapitalmarkt anerkannt werden, wozu auch die Abschaffung der steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapital für Wachstum und je nach Ausgestaltung die Aktienrente beitragen kann“, unterstreicht Honold. Eine Ausweitung und Erhöhung der Förderung durch die steuerliche Forschungszulage könne ein weiterer wichtiger Baustein sein.

Attraktive Gründungszentren

An den Hotspots der deutschen Biotechszene ist man insgesamt positiv gestimmt. Das Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB), inmitten des Campus Martinsried bei München, gilt seit 27 Jahren als eines der wichtigsten Biotechzentren in Deutschland. Auf 26.000 m² sind derzeit über 50 Start-ups angesiedelt. „Viele unserer Start-ups gründen Dependancen in den USA oder Asien, u näher am Venture Capital- oder Kundenmarkt zu sein. Die Neubauten des MPI für Biologische Intelligenz und des Universitätsklinikums Großhadern sowie die im Bau befindliche U-Bahn werden den Standort durch die Investition von über 2 Mrd. EUR weiter stärken“, sagt Dr. Peter Hanns Zobel, Geschäftsführer des IZB. Die Nachfrage nach Büro- und Laborflächen von Biotechunternehmen und natürlich auch von Start-ups ist hoch. „Uns liegen derzeit circa 50 Anfragen von Projektteams vor, die ihren Firmensitz gerne in das IZB verlegen oder hier gründen wollen“, erklärt Zobel. Corona habe die Nachfrage nach Flächen eher beflügelt. Zobel weiter: „Wir sind stolz, dass wir bereits im März 2020 sieben Unternehmen im IZB hatten, die Corona-Projekte in Bezug auf Test, Impfungen oder Medikamente gegen diese Viruserkrankung begonnen haben.“

Positive Stimmung im Rheinland

Auch in Köln sieht van Hall genügend Gründe für Optimismus. „Die hier ansässigen Unternehmen und Start-ups entwickeln sich zum großen Teil absolut positiv. Zudem wird die Gründungsberatung an den Kölner Hochschulen unter dem Label ‚Gateway‘ zurzeit weiter intensiviert und mit allen Akteuren des Ökosystems abgestimmt.“ Nicht nur im Rheinland bestehe dabei die große Herausforderung allerdings in dem akuten Mangel an Laborflächen und somit an Wachstumsoptionen für die erfolgreichen Unternehmen. „Wir prüfen zurzeit intensiv die Machbarkeit für neue Laborgebäude. Ich hoffe, dass wir hier trotz der aktuell anspruchsvollen Rahmenbedingungen zu einem realisierbaren Szenario kommen“, sagt van Hall.