Die Qual der Wahl

Rechtsformen zur Gründung eines Start-ups

Stefan Heyder
Stefan Heyder

Bildnachweis: Görg.

Wenn Gründer sich für eine Rechtsform entscheiden müssen, stehen hierzulande etliche Varianten zur Auswahl. Dabei müssen die jeweiligen Vor- und Nachteile beachtet und im Vorfeld geklärt werden, was in der konkreten Situation mit der Rechtsform erreicht werden soll.

Das deutsche Recht stellt je nach Zählweise mindestens elf Rechtsformen zur Verfügung. Diese können in zwei Gruppen eingeteilt werden: in Kapitalgesellschaften wie GmbH, UG (haftungsbeschränkt), Genossenschaft, AG, SE und KGaA sowie in Personen[handels]gesellschaften wie GbR, Partnerschaftsgesellschaft, oHG, KG. Zusätzlich gibt es noch Rechtsformen eigener Art wie zum Beispiel die Stiftung. Außerdem gibt es zahlreiche hybride Formen wie die GmbH & Co. KG oder die SE & Co. KGaA. Auch sollte man nicht vergessen, dass unter geänderten Umständen auch ein Wechsel der Rechtsform (z.B. Eintritt in den beziehungsweise Austritt aus dem Kapitalmarkt) sinnvoll sein kann.

Wichtigste Punkte vorweg

Die beiden in der Praxis wichtigsten Punkte für Gründer sind die Haftungsbeschränkung sowie die Kapitalanforderung. Gleich danach sollte die steuerliche Behandlung kommen. Meist unterschätzt wird das Kriterium der Komplexität sowie Flexibilität der Rechtsform. Wichtig sind auch die Geschäftsführung und der Kreis der Gesellschafter. Image der Rechtsform und die Form der Übertragbarkeit (Fungibilität) sowie Registeröffentlichkeit sind weitere Kriterien.

Haftung und Kapitalanforderung

Eine Haftungsbeschränkung wird praktisch stets gewünscht und somit zunächst an Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG mit ihrer Haftungsbeschränkung auf das Gesellschaftsvermögen gedacht. Bei der GmbH sind mindestens 25.000 und bei der AG mindestens 50.000 EUR aufzubringen. Wählt man die UG als Unterform der GmbH, kann theoretisch bereits mit einem Kapital von 1 EUR begonnen werden. Demgegenüber stehen die Personengesellschaften wie GbR, oHG und KG mit ihrer unbeschränkten Haftung für mindestens einen Gesellschafter und den fehlenden Vorgaben für das Kapital. Trotz dieser unbeschränkten Haftung einer Personengesellschaft sollten diese Rechtsformen stets näher betrachtet werden: Denn dank der Hybridformen wie der GmbH & Co. KG können die Vorteile
der Personengesellschaft mit einer Haftungsbeschränkung kombiniert werden. Umgekehrt sollten die Kapitalanforderungen bei den Kapitalgesellschaften kein Ausschlussgrund für diese sein, da jedes Unternehmen unabhängig von der Rechtsform für seine Geschäftstätigkeit
ein ausreichendes Kapital benötigt. Dies spricht auch gegen eine UG mit einem nur symbolischen Stammkapital. Empfohlen ist daher, keine Rechtsform allein wegen der Haftung beziehungsweise der Kapitalanforderung sofort auszuschließen.

Steuerliche Behandlung

Kapitalgesellschaften sind als Körperschaft selbst Steuerschuldner. Es macht hier einen Unterschied, ob der Gewinn thesauriert oder an die Gesellschafter ausgeschüttet wird. Personengesellschaften sind im Gegensatz steuerlich transparent, jedenfalls im Regelfall. Jeder Gewinn, ausgeschüttet oder nicht, wird von den Gesellschaftern zu ihrem jeweiligen Steuersatz – zum Beispiel dem privaten Steuersatz des Gesellschafters – versteuert. Unterliegt die Personengesellschaft der Gewerbesteuer, was bei rein vermögensverwaltender Tätigkeit vermieden werden kann, ist Schuldner der Gewerbesteuer die Personengesellschaft. Außerdem kann bei Personengesellschaften unter Umständen neben der komplexeren Gewinnermittlung durch Bilanzierung auch die meist einfachere Einnahmenüberschussrechnung verwendet werden. Bei Kapitalgesellschaften ist dagegen die Aufstellung eines Jahresabschlusses stets erforderlich. Dank des neu eingeführten § 1a KStG können Personengesellschaften zukünftig auch für die Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft optieren. Die Personengesellschaft kann daher steuerlich oft punkten, auch wenn in dieser Übersicht nur einige steuerliche Unterschiede erwähnt werden können.

Flexibilität und Komplexität der Rechtsform

Vor allem bei der Entscheidung für eine AG wird oft erst (zu) spät erkannt, dass nicht nur besondere Vorgaben für die drei Organe Vorstand und Aufsichtsrat sowie Hauptversammlung zu beachten sind, sondern auch die Gestaltungsfreiheit gering ist. Klassische Fallstricke sind die Beschränkung der Amtsdauer für den Aufsichtsrat, insbesondere bei der Gründung, und die maximal fünfjährige Bestellung des Vorstands. Eine ständige juristische Begleitung ist daher bei der AG zu empfehlen. Im Gegensatz dazu ist die GmbH „pflegeleicht“. Erst recht gilt dies für Personengesellschaften, auch wenn die hybride Form der GmbH & Co. KG ein gewisses juristisches Verständnis verlangt. Die Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Gesellschaftern ist bei den Personengesellschaften sehr flexibel. Ein weiterer, oft empfundener Vorteil der Personengesellschaft ist die fehlende Registeröffentlichkeit der internen Regelungen. Das Problem der unerwünschten Öffentlichkeit lässt sich bei Kapital-gesellschaften aber durch eine separate Gesellschaftervereinbarung beseitigen.

Geschäftsführung

Bei der Geschäftsführung ist die Flexibilität bei der GmbH am größten. Der oder die Geschäftsführer können je nach Wunsch einen großen Freiraum haben oder unter strenger Kontrolle beziehungsweise gar Weisungen der Gesellschafter oder eines Beirats et cetera stehen. Bei der AG ist der Vorstand immer weisungsunabhängig und kann nur durch einen Katalog zustimmungsbedürftiger Geschäfte in gewissem Rahmen eingeschränkt werden. Dafür ist ein Vorstandsmitglied auch kein sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer. Bei Personengesellschaften wird die prinzipielle Gestaltungsfreiheit durch das Prinzip der Selbstorganschaft (die Geschäftsführung muss bei einem Gesellschafter liegen) eingeschränkt, was aber etwa durch eine GmbH & Co. KG umgangen werden kann.

Kreis der Gesellschafter

Bei nur wenigen Gesellschaftern oder gar nur einem spricht viel für die GmbH. Bei einer größeren Anzahl an Gesellschaftern, oder wenn diese als Gründer, Finanzinvestoren oder Ähnliches unterschiedliche Interessen haben, kann die flexible Struktur einer GmbH & Co. KG interessant werden. Auch die Idee, Mitarbeiter zu beteiligen, kann für die GmbH & Co. KG sprechen. Werden es zahlreiche Gesellschafter, insbesondere mit kleineren Beteiligungen, sollte auch an die AG gedacht werden.

Vorher an das Nachher denken

Wird sich der Gesellschafterkreis häufig ändern, spricht dies gegen die GmbH mit ihrer Beurkundungspflicht. Personengesellschaften sind hier vorzugswürdig. Bei einem geplanten Börsengang ist die AG die erste Wahl, auch wenn es noch die KGaA gibt, insbesondere wenn es sich um eine mitbestimmte Gesellschaft handelt. Ist erst mittelfristig oder gar langfristig ein IPO beabsichtigt, ist meist zunächst eine GmbH praktikabler, die später in eine AG umgewandelt wird.

Registereintrag notwendig

Fast alle Rechtsformen können beziehungsweise müssen in ein Register eingetragen werden, was etwa den Vertretungsnachweis oder den Grundstückserwerb (Eintragung im Grundbuch) erleichtert. Ab 2024 kann beziehungsweise muss in bestimmten Fällen auch die GbR eingetragen werden, was einen Nachteil dieser Rechtsform behebt.

Ansehen nicht unwichtig

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist das Ansehen der Rechtsform. Hier genießt sicherlich die AG den besten Ruf. Den schlechtesten Ruf hat nach unserer Einschätzung die UG, der nur noch von der britischen Limited unterboten wird. Letztere ist nicht erst seit dem Brexit keine gute Wahl, um in Deutschland Geschäfte zu machen. Wer einen internationalen Anstrich braucht, um beispielsweise mit einer Gesellschaft in verschiedenen Ländern Europas aufzutreten, kann auch an die europäische Aktiengesellschaft (SE) denken.

Fazit

Die vorschnelle Festlegung auf eine Rechtsform sollte in jedem Fall vermieden werden. Insbesondere sollte die Furcht vor der Haftung nicht den Blick auf die anderen Rechtsformen, vor allem die GmbH & Co. KG, versperren. Ergibt eine eingehende Prüfung kein klares Bild, ist im Zweifel meist die GmbH sinnvoll.

Über den Autor:

Dr. Stefan Heyder ist Rechtsanwalt und Partner bei Görg in München. Seine Schwerpunkte liegen im Gesellschaftsrecht einschließlich M&A, Mitarbeiterbeteiligung sowie Gesellschafterstreitigkeiten