„Gestresste Investmentteams werden kaum gute Unterstützung sein“

Interview mit Natascha Prieß und Gerjet Efken, Accelerate Health

Gerjet Efken, Natascha Prieß, Accelerate Health
Gerjet Efken, Natascha Prieß, Accelerate Health

Bildnachweis: Accelerate Health.

Ein Drittel der Start-ups scheitert nicht an der Finanzierung oder dem Marktumfeld,
sondern an der emotionalen Situation der Gründer – denn 72% von ihnen leiden an
mentalen Gesundheitsproblemen bis hin zum Burnout. Accelerate Health steuert dem
entgegen und nimmt dabei auch die Venture Capitalisten mit in die Pflicht.

VC Magazin: Man könnte sagen, Sie haben aus eigener Erfahrung Accelerate Health gegründet: Mit ihrem Start-up Skill Yoga sind Sie selbst in den Burnout gerutscht und möchten nun Gründern helfen, das zu vermeiden. Wie setzen Sie Ihre Idee um?

Efken: Wir sensibilisieren Gründerteams für das Risiko, an Burnout zu erkranken, indem wir aufzeigen, welche besonderen Prädispositionen Gründerpersönlichkeiten mitbringen. Zudem machen wir auf mögliche Warnsignale aufmerksam, die im Idealfall frühzeitig erkannt werden können. Bei unserer Arbeit geht es weniger um die Vermittlung von theoretischem Wissen, sondern vielmehr um die Bereitstellung von praktischen Tools für den Arbeitsalltag. Zu unseren ersten Formaten zählen Peer-to-Peer-Kohorten, Masterclasses sowie persönliche Coachings.

VC Magazin: Sie fordern auch, dass Venture Capital-Gesellschaften mehr auf die Belastung der Gründer achten. Welche Erwartungen haben Sie an die Investoren?

Prieß: Viele Venture Capitalisten behaupten, gründerzentriert zu arbeiten. In den meisten Fällen handelt es sich eher um einen Marketing Claim anstatt um tatsächlich gelebte Praxis. Wir erwarten auf verschiedenen Ebenen eine Veränderung: Bei der Founder Due Diligence werden bislang kaum spezialisierte Frameworks genutzt, um gründerspezifische Persönlichkeitseigenschaften und Team Fit systematisch zu erfassen. Viele Methoden sind noch zu starr und rigide, was bedeutet, dass den Investoren einige der besten Gründer entgehen. Auch werden bislang wenig Ressourcen in Assessments investiert, um zu erfassen, was bestehende Teams benötigen, um als Gründer und als Führungsperson zu wachsen. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob Investoren lediglich in die Start-ups investieren oder auch in die Personen, die entscheidend zum (Miss-)Erfolg der Start-ups beitragen.

VC Magazin: Der Druck, den Investoren mitunter ausüben, kommt sicher auch von der eigenen Anspannung der Venture Capitalisten, die selbst Leistung bringen müssen. Welchen Weg sehen Sie aus dieser Spirale?

Efken: Wir sehen im Silicon Valley, dass führende Fonds bei Investmentmanagern nicht mehr nur auf hervorragende Excel Skills, sondern verstärkt auch auf empathische Fähigkeiten achten. Ein gestresstes Investmentteam wird kaum in der Lage sein, Gründer in emotional belastenden Zeiten zur Seite zu stehen. Die Arbeitskultur sollte daher zunächst intern überdacht und verändert werden. Investitionen in Interventionen für die mentale Gesundheit am Arbeitsplatz zahlen sich auch finanziell aus: Der durchschnittliche ROI liegt bei fünf zu eins.

VC Magazin: Während und nach der Pandemie ist das Thema mentale Gesundheit noch stärker in den Fokus gerückt. Aktuell gibt es einige Psychologie-Apps und Startups in diesem Umfeld. Was halten Sie von digitalen Angeboten als Alternative zur persönlichen Unterstützung vor Ort?

Prieß: Die Pandemie hat das Isolationsgefühl vieler Menschen verstärkt. Zur Erhaltung der mentalen Gesundheit ist jedoch die Unterstützung des eigenen sozialen Umfelds nötig. Digitale Tools können den Zugang zu ausgewählten Formaten zwar erleichtern, die persönliche menschliche Begegnung ist jedoch elementarer Bestandteil.

VC Magazin: Welche Ziele haben Sie für Ihr Unternehmen in der nächsten Zukunft?

Efken: Neben der bestehenden Zusammenarbeit mit frühphasigen Gründerteams in Acceleratoren wollen wir verstärkt mit Investoren zusammenarbeiten, die mentale Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung als strategisches Investment verstehen und sich als Pionier am Markt positionieren wollen. Um unser Angebot nachhaltig und langfristig weiterentwickeln zu können, suchen wir zudem selbst geeignete Partner und Investoren.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.

Zu den Interviewpartnern:

Natascha Prieß ist Psychologin, strategische Beraterin für innovative medizinische Versorgungslösungen und Startup Coach.

Gerjet Efken ist Wirtschaftswissenschaftler, Mehrfachgründer und Podcast Host.