„Impact und Rendite passen zusammen“

Interview mit Dr. Erwin Stahl, Bonventure

Interview mit Dr. Erwin Stahl (BonVenture)
Interview mit Dr. Erwin Stahl (BonVenture)

Bildnachweis: BonVenture.

BonVenture (BV) gehört zu den Impact-Fonds der ersten Stunde und verwaltet derzeit 100 Mio. EUR Assets under Management. Für 2025 ist bereits der fünfte BV-Fonds in Planung.

VC Magazin: Was zeichnet BonVenture aus und wie grenzen Sie sich von anderen Impact-Fonds ab?

Stahl: Wir gestalten seit mehr als zwei Jahrzehnten den Impact Investing-Markt im deutschsprachigen Raum mit. Diese Erfahrung und die langjährigen Beziehungen machen uns natürlich aus. Unsere LPs sind zu rund 80% unternehmerisch geprägte Familien, deren Netzwerke wir einbringen können. Dabei ist der Anspruch an Wirkung für Gesellschaft oder Umwelt der Start-ups, die wir uns ansehen, sehr hoch: Wenn wir feststellen, das Produkt macht die Welt kein Stück besser, investieren wir nicht. Gleichzeitig verzichten wir nicht auf eine starke finanzielle Rendite; natürlich wollen wir auch Geld verdienen. Wir arbeiten seit 20
Jahren daran, diese beiden Dimensionen gleichberechtigt nebeneinanderzustellen.

VC Magazin: Wie gehen Sie bei der Verbindung von Impact und Rendite vor?

Stahl: Entscheidend ist sicherlich die Messung der tatsächlichen Wirkung. Unsere
Wirkungsanalyse gehen wir wissenschaftlich an, stecken hier reichlich Kapazität hinein, und lassen sie von einer unabhängigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft prüfen. Das ist für uns der Nachweis, dass wir nicht nur schöne Geschichten erzählen dürfen, sondern ein belastbares Konstrukt für Impact-Messung entwickelt haben. So stehen am Ende eines langen Prozesses vergleichbare, valide Zahlen. Und diese Zahlen haben Gewicht: Mit dem Impact-linked Carry ist der Bonus für unser Management auch an die Erreichung der definierten Impact-Ziele geknüpft. Und auch für unsere Start-ups entsteht so ein Marktvorteil: Denn der Erfolg
für ein wirkungsorientiertes Geschäftsmodell lässt sich nicht nur in Finanzzahlen, sondern auch in Impact-Zahlen transparent und nachvollziehbar darstellen. Diese Glaubwürdigkeit ist für die potenzielle Investorenschaft natürlich extrem attraktiv – und für uns eine tägliche Motivation.

VC Magazin: Wie ist Ihr Portfolio derzeit aufgestellt?

Stahl: Unser Portfolio zeichnet sich üblicherweise durch ein Gleichgewicht zwischen ökologischen und sozialen Themen aus, wobei der Fokus in den letzten Jahren etwas mehr auf Umwelt lag. In unserem aktuellen Fonds BV IV haben wir bereits zwölf Investments umgesetzt, in diesem Jahr sind noch einige weitere geplant. Konkret liegen unsere Investmentschwerpunkte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Biodiversität und Umwelt sowie nachhaltiger Konsum. Die nötige Expertise können wir in unserem diversen Team gut abbilden. Damit sind wir optimal aufgestellt. Besonders das nächste Jahr wird interessant: Wir werden 2025 unseren fünften BonVenture-Fonds mit einem Zielvolumen von ca. 100 Mio. EUR aufsetzen.

VC Magazin: Die Messbarkeit des Impacts steht oft in der Diskussion. Welche Herangehensweise verfolgen Sie bei BonVenture?

Stahl: Die Messbarkeit steht in der Tat und zu Recht oft in der Diskussion: Denn wer es mit Impact Investing ernst meint, muss in diesem Thema sprechfähig sein. Bisher gibt es keine einheitlichen Standards. Die Initiative IRIS+ des Global Impact Investing Network (GIIN) ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir selbst arbeiten mit einer wissenschaftlichen Messmethodik: Für jedes Unternehmen, in das wir investieren, entwickeln wir auf der Grundlage der Theory of Change eine individuelle Wirkungslogik. Meist nehmen wir dazu noch externe Partner mit an Bord und analysieren: Wie viel Zeit, Know-how, Mitarbeitende et cetera werden investiert, um Veränderungen im Kerngeschäft zu generieren? Welche Veränderungen entstehen damit im Umfeld der Zielgruppe? Und welche übergreifenden Wirkungen entstehen so auf sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Ebene? So gelingt es, realistische Impact KPIs zu definieren, zu planen, zu tracken und auf Fondsebene zu aggregieren. Unsere Investorenschaft binden wir aktiv in diesen Prozess ein. Erst wenn das Investorengremium grünes Licht gibt, werden die Kennzahlen verabschiedet. Und um deutlich zu machen, dass wir es ernst meinen, werden die Kennzahlen jährlich von einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft. Der Impact Audit wurde von uns in die Branche eingeführt. Allerdings fällt mir auf Anhieb kein weiterer Impact VC ein, der es uns nachmacht und die erreichten Impact-Zahlen in einem unabhängigen Audit bestätigen lässt.

VC Magazin: Wie sehen Ihre Impact KPIs konkret aus?

Stahl: Das ist natürlich sehr unterschiedlich, da wir mit einem breit aufgestellten Portfolio und individuellen Wirkungsanalysen auch sehr unterschiedliche Impact KPIs festlegen; in der Regel sind das zwei bis sechs Indikatoren pro Start-up. Das kann eingespartes CO2 sein, die Anzahl gepflegter Menschen und der Grad der Entlastung pflegender Angehöriger, die Zahl der betreuten Kinder, die Menge der nicht gefahrenen Kilometer oder die Anzahl der Autobatterien, die durch ein Upcycling weiterverwendet werden.

VC Magazin: Das Fundraising-Umfeld ist momentan im Venture Capital-Segment recht eingetrübt. Wie bewerten Sie die Fundraising-Chancen für Impact-Fonds?

Stahl: Angesichts meiner Erfahrung der letzten 30 Jahre kann ich sagen, dass ich das relativ gelassen sehe. Es hat immer wieder Zyklen gegeben, die etwas schwieriger waren, so wie wir es jetzt gerade spüren. Ich bin aber auch sehr zuversichtlich, dass die Situation in ein bis zwei Jahren wieder besser und auch das Fundraising an Fahrt gewinnen wird. Im Vergleich zu traditionellen Fonds sehe ich einen Vorteil für die Impact-Fonds. Letztere erzielen tendenziell eine höhere Rendite und erreichen somit auch verstärkt Menschen, für die Impact bislang kein Begriff war. Insgesamt setzt sich gewiss mehr und mehr die Überzeugung durch, dass es nicht zielführend ist, ein Vermögen stetig wachsen zu lassen, ohne auch Verantwortung für eine lebenswürdige Zukunft zu übernehmen. Wir sehen zumindest in unserem erweiterten Investorenkreis, dass diese Überlegungen bei Investmententscheidungen definitiv einbezogen werden.

VC Magazin: BonVenture war viele Jahre der einzige Impact-Fonds in Deutschland, in den letzten Jahren sind einige neue Player hinzugekommen. Gibt es eine Konkurrenzsituation um die besten Impact-Start-ups?

Stahl: Überhaupt nicht – das Gegenteil ist der Fall. Wir haben so weitaus mehr Möglichkeiten
für Co-Investments. Die Zusammenarbeit hat nur Vorteile: Wir können gemeinsam größere Finanzierungsrunden realisieren, das Netzwerk erweitert sich, wir profitieren auch von der Erfahrung anderer. In einer idealen Welt steht am Ende das Impact Investing als neue Norm. Dazu zählt sicher auch ein Mindset, in dem Kollaboration als Chance für künftige Finanzierungen mit größerer Finanzkraft gesehen wird.

VC Magazin: Welche Chancen, aber auch Herausforderungen sehen Sie in der aktuellen ESG- und Nachhaltigkeitsregulatorik?

Stahl: Die Regulatorik verpflichtet die Marktteilnehmer, sich an bestimmte Standards
zu halten. Das bietet deutlich mehr Chancen als Herausforderungen, Nachhaltigkeit
in die Geschäftsprozesse und -strategien zu integrieren und so gegenüber Anlegern und anderen Stakeholdern an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Auch wenn die damit verbundene Bürokratie sicher erst einmal eine Hürde ist: Es gibt zahlreiche Beispiele von Unternehmen, die in der Umsetzung der Regularien schon bedeutend weiter sind, als es die Kritiker vermuten lassen. Sie profitieren von den positiven Bewertungen der Analysten. Wir selbst haben die geforderten regulatorischen Anforderungen bereits vor Jahren umgesetzt und entsprechende Prozesse implementiert. Ich würde sogar noch weiter gehen und mir neben der ESG-Regulatorik auch einheitliche Guidelines für Impact Reporting wünschen, analog zu den Bewertungs-Guidelines von Invest Europe. So wird mehr Transparenz in diesem Bereich geschaffen und vermieden, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Interviewpartner:

Dr. Erwin Stahl gründete 2003 gemeinsam mit einer Gruppe gesellschaftlich engagierter Investoren den ersten Impact-Fonds in Deutschland, BonVenture. Heute leitet er das zwölfköpfige Team mit Sitz in München mit seinen Partnerinnen Angela Lawaldt und Anna Sophie Blistein.