„Respekt für die Biologie“ bringt Erfolg

Inovedis: Innovatives Verfahren für Operationen an der Schulter entwickelt

Lukas Flöß, Dr. Stefan Welte (Inovedis) & Frank Kraheberger (MBG Baden-Württemberg)
Lukas Flöß, Dr. Stefan Welte (Inovedis) & Frank Kraheberger (MBG Baden-Württemberg)

Bildnachweis: Inovedis, MBG Baden-Württemberg.

Das Schultergelenk ist das beweglichste Gelenk des Körpers – und zugleich auch das komplizierteste. Das Start-up Inovedis hilft bei der Heilung von komplizierten Verletzungen.

In der menschlichen Schulter treffen drei Knochen, fast ein Dutzend verschiedene Muskeln sowie zahlreiche Bänder und Sehnen aufeinander. Der Arm kann dadurch in fast alle Richtungen bewegt werden. Diese Beweglichkeit hat ihren Preis: Die Schulter ist anfällig für Verletzungen und Verschleiß. Eines der häufigsten Probleme in der Schulter sind vollständige oder teilweise Risse der sogenannten Rotatorenmanschette. Was sich anhört wie ein wichtiges Teil eines Hubschraubers, ist in Wahrheit das komplizierte Zusammenspiel von vier Sehnen. Diese vereinigen sich vom Schulterblatt kommend am Oberarmkopf. Damit wird der Oberarm in der Schultergelenkpfanne stabilisiert. Eine Ruptur der Rotatorenmanschette gehört zu den häufigsten Problemen in der Schulter. Diese Verletzung kann durch einen Sturz ausgelöst werden oder auch durch simplen Verschleiß. In den wichtigsten Märkten der Welt werden jährlich über fünf Millionen Patienten operativ an der Rotatorenmanschette versorgt – es ist also offensichtlich ein großer Markt vorhanden.

Heilungschancen verbessern

Das Medizintechnik-Start-up Inovedis GmbH hat ein innovatives Verfahren für Operationen an der Rotatorenmanschette entwickelt. Bisher wurden beschädigte Sehnen mittels kleiner Anker und einer Fadenschlaufe am Gelenk fixiert. „Wir haben festgestellt, dass es insbesondere bei breiten Rissen an der Rotatorenmanschette oft zu einem erneuten Einreißen der Sehne kommt“, erklärt Dr. Stefan Welte, Mitbegründer von Inovedis. Diese Beobachtung bildete die Grundlage für das Implantatsystem Sinefix, ein Verfahren mit flächigen Befestigungsankern. Durch die gleichmäßige Verteilung der Kräfte über eine größere Fläche im Vergleich zum klassischen Verfahren wird eine verbesserte Blutzirkulation erreicht. Inovedis erwartet dadurch bessere Heilungsergebnisse. „Unsere Mission ist es, die Biologie zu respektieren und das Behandlungsergebnis zu optimieren. Durch die verbesserte Verteilung der Kräfte streben wir eine deutliche Verbesserung des Operationserfolgs an und wollen unseren Patienten ein schmerzfreies Leben ermöglichen“, erklärt Co-Gründer Lukas Flöß.

Am Wochenende entstanden Prototypen

Die Idee für Sinefix entstand bereits vor rund zehn Jahren, als Flöß und der mit ihm befreundete Oberarzt Welte an ersten Modellen für ein neuartiges Ankersystem arbeiteten. „Wir haben quasi unsere Wochenenden damit verbracht, die Entwicklung weiter voranzutreiben“, erklärt Flöß. 2017 wurde dann ein erstes Unternehmen gegründet, 2019 folgte die GmbH. Das vom Unternehmen entwickelte System besteht aus einer Platte mit zwei Ankern und zusätzlichen Zähnen, die den Abstand zum Knochen gewährleisten sollen. Platte und Verankerung bestehen aus medizinischem Polyetheretherketon (PEEK). Das Material ist laut Welte für seine Biokompatibilität, Biostabilität und chemische Beständigkeit bekannt.

1,8-Mio.-Seed-Runde im Jahr 2021

Bereits 2021 – nur zwei Jahre nach der Gründung – absolvierte Inovedis die erste Seed-Finanzierungsrunde. Ein Konsortium angeführt vom High-Tech Gründerfonds (HTGF) investierte 1,8 Mio. EUR. Weitere Geldgeber waren neben Angel-Investoren auch die MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg sowie die Volksbank Albstadt ChancenKapital. Mit diesem Geld wurden die Produktentwicklung abgeschlossen und der Markteintritt in den USA finanziert. „Wie so oft in unserem Bereich waren drei Dinge ausschlaggebend: Die Innovation selbst löst ein großes Problem in einem großen Markt. Das Managementteam, allen voran der CEO Lukas Flöß und der CTO Stefan Welte, waren wirklich überzeugend. Das Team hat das Projekt mit großer Energie und Stringenz fokussiert vorangetrieben. Der dritte Aspekt war, dass wir in der Seed-Runde ein gutes Konsortium an Investoren bilden konnten, das auch in der Lage war, weitere Finanzierungsschritte zu gehen“, erklärt Frank Kraheberger, Leiter Venture Capital bei der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg. Die MBG ist seit über 30 Jahren im Bereich Start-up-Finanzierung unterwegs, seit 2008 auch bei Direktinvestments in allen Clusterbranchen aus Baden-Württemberg. Im Bereich Venture Capital investiert die MBG aus zwei Fonds klassisch mit offenen Beteiligungen. „Wir sehen auch zukünftig für uns ein hohes Potenzial im Bereich Venture Capital. Insbesondere als Initiator weiterer Fonds wollen wir eine entsprechende Rendite für unsere Fondsinvestoren erreichen“, so Kraheberger weiter.

Markteintritt in den USA erfolgt

In den USA ist Inovedis bereits aktiv. „Mit unserem in den USA zugelassenen Sinefix-System arbeiten wir derzeit an einem ‚limited market release‘ und setzen gleichzeitig die Generierung weiterer klinischer Daten fort“, erklärt Flöß. Diese Daten bilden das Fundament für die geplante Markteinführung 2025. Gleichzeitig wird seit 2023 für den europäischen Markt unter Einhaltung der MDR in Tübingen eine umfangreiche klinische Studie durchgeführt. Im Oktober 2023 erfolgte dann eine Series A-Finanzierungsrunde in Höhe von insgesamt 4 Mio. EUR. An dieser Finanzierung beteiligten sich alle Investoren der ersten Seed-Runde. Weiterhin gab es eine Erstinvestition durch die Renolit SE, den derzeitigen Hersteller des Sinefix-Implantats. Das Wormser Medizintechnikunternehmen arbeitet bereits lange mit Inovedis zusammen und hat beim Aufbau der Produktion einen entscheidenden Beitrag geleistet.