Mögliche IPOs deutscher Tech-Unternehmen

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Der Eisbrecher hat den Motor angeworfen: Sixt SE kommunizierte jetzt offiziell, den Börsengang der Leasing-Tochter noch in diesem Jahr umzusetzen. Das IPO hat das Potenzial, jenen Weg freizumachen, durch den dann auch Nachfolger den Weg an die Börse finden können. Doch bislang hat sich lediglich windeln.de klar zu seinen Plänen geäußert. Demnach ist das IPO noch 2015 vorgesehen. Das Gesamtemissionsvolumen soll sich dabei auf bis zu 200 Mio. EUR belaufen. Die Hälfte dürfte per Kapitalerhöhung aus neuen Aktien generiert werden, ein Greenshoe über 15% würde ebenso über eine Kapitalerhöhung abgedeckt. Hinzu wollen sich Gesellschafter von Anteilen in Höhe von bis zu 80 Mio. EUR trennen. Das Investorenfeld des Online-Shops ist prominent besetzt mit Adressen wie Goldman Sachs, Deutsche Bank, DN Capital, MCI Management und 360 Capital Partners. Größter Investor ist Acton Capital mit 24,3%.

Viel Potenzial bei den Biotechs

D2 Arno Fuchs„Tech-IPOs sind in Deutschland schwierig, denn es gibt ein strukturelles Defizit: Keine wirkliche Equity-Kultur und nur sehr wenige Publikumsfonds, die aktiv in Small oder Mid Caps investieren“, befindet Arno Fuchs, CEO von Fox Corporate Finance (FCF). Sollte der Markt ins Laufen kommen, erwartet er im Bereich Biotech Emissionstätigkeit, denn dort gebe es einige gute Unternehmen in den Beteiligungsportfolios. So gilt etwa Affiris seit Jahren immer wieder als Kandidat. Das Unternehmen, finanziert unter anderem über MIG-Fonds, entwickelt auf Basis einer proprietären, patentierten Plattform maßgeschneiderte therapeutische Peptid-Impfstoffe gegen chronische Krankheiten. Derzeit befinden sich drei Wirkstoffe in der klinischen Entwicklung. Weitere Impfstoffe werden in der präklinischen Phase entwickelt. Ebenfalls im Portfolio der MIG-Fonds findet sich mit Brain ein Unternehmen der weißen Biotechnologie. Bereits 2008 kommunizierte das hessische Unternehmen, zum nächstmöglichen Zeitpunkt an den Kapitalmarkt gehen zu wollen – daraus wurde wegen der Finanzkrise nichts. Beide Biotechs wurden bereits vor mehr als 20 Jahren gegründet, eine gewisse Reife wäre also gegeben, doch hält man sich weiter bedeckt.

Mehr Mut gefordert: Selbst akquirieren

Achim Lederle, Managing Director bei Quantum Partners, fordert generell mehr Mut deutscher Technologieunternehmen: „Da muss sportlicher D2 Achim Lederlegedacht werden, die Unternehmen müssen selbst akquirieren und sich nicht in erster Linie als Akquiseziel sehen.“ Und wenn Börsengänge in Deutschland nicht umzusetzen sind, müsse über andere Börsenplätze nachgedacht werden, wobei es nicht immer der angelsächsische Raum sein muss: „In Frankreich klappt es ja auch bestens.“ Dagegen findet FCF-CEO Fuchs die Märkte in USA und UK ziemlich attraktiv, vor allem, weil die Performance gelisteter Unternehmen erwartungsgemäß besser ausfällt. Klar sei aber auch, dass die Anforderungen hoch sind: Mindestens 20-25% CAGR beim Umsatz historisch und beim Blick nach vorne, mindestens 150 Mio. USD, besser 200 Mio. USD als Marktkapitalisierung und eine Geschäftsrationalität hinter dem Cross-Border-IPO, also Kunden oder Produktionsstätten in USA. „Wir sprechen aktuell mit amerikanischen Investmentbanken über zwei Unternehmen aus Deutschland, die ein IPO in der 2. Jahreshälfte in USA in Erwägung ziehen“, berichtet Fuchs. Dabei handelt es sich um IT-Unternehmen, die im Bereich Automation und vernetzte Produktion unter dem Titel Industrie 4.0 tätig sind.

Das Thema Online-Shops wird international gespielt

Neben windeln.de gilt vor allem Mister Spex als heißer IPO-Kandidat für 2015. Denn das Onlineshop-Thema werde überall gespielt, so Fuchs. Das heißt: „Internationale Investoren sorgen in diesem Segment auch hierzulande für Nachfrage. Daher sind IPOs von Onlinehändlern wahrscheinlich.“ Dies umso mehr, als der Einstieg von Goldman Sachs zumeist mehr als einen Fingerzeig darstellt. Die Mister Spex GmbH ist der größte Online-Optiker in Deutschland. Mister Spex wurde 2007 gegründet und ging 2008 mit dem deutschen Shop online. Seit 2010 ist Mister Spex international aktiv und betreibt mittlerweile Online-Shops für Frankreich und Spanien sowie eine englischsprachige Website. Zudem übernahm das Unternehmen im Juli 2013 die schwedischen Online-Eyewear-Shops Lensstore und Loveyewear und stärkte damit seine Position in Skandinavien und Europa. Anfang des Jahres hat das Berliner Unternehmen die bisher größte Finanzierungsrunde in Höhe von 32 Mio. EUR abgeschlossen. Unter Führung von Goldman Sachs stellten die bestehenden Investoren Scottish Equity Partners, Xange, DN Capital, Grazia Equity, Family Venture Capital sowie Ehssan Dariani Kapital zur Verfügung. Im Rahmen dieser Finanzierungsrunde tritt David Reis, Executive Director und Leiter Technologie-Investments bei Goldman Sachs MBD in Europa, dem Beirat von Mister Spex bei. Angesichts des Umsatzwachstums um 38% auf 65 Mio. EUR 2014 zusammen mit dem Erreichen der Profitabilität spricht einiges für einen nahen Börsengang.

Goodgames Studios verdoppeln Umsatz und erreichen Börsenreife

„Insgesamt sind die Börsen 2015 in sehr guter Verfassung und die Aufnahmefähigkeit für Neulinge auf dem Parkett sieht auch sektorübergreifend gut aus. Historisch war das 2. Quartal, also das Fenster zwischen der Fertigstellung von Jahresabschlüssen und der Sommerpause, immer eine gute Periode für Börsengänge“, bemerkt Roger Peeters, Head of Research bei Oddoseydler, dazu. Unter Umständen nutzt die Altigi GmbH, bekannter unter der Marke Goodgames Studios, das gute Klima. Altigi, an der Gesellschaft sollen die Samwer-Brüder über ihre private Beteiligungsgesellschaft Global Founders Fund gemeinsam mit United Internet eine Minderheitsbeteiligung halten, verzeichnete deutliches Umsatz- und Ergebniswachstum für das Geschäftsjahr 2014. Der Umsatz wurde 2014 auf 203 Mio. EUR knapp verdoppelt, das EBITDA wuchs um 160% auf 34,8 Mio. EUR, die dazugehörige Marge wurde von 4% auf 17% gesteigert. Goodgames wurde bereits 2014 als IPO-Kandidat gehandelt, weswegen im Geschäftsbericht ausdrücklich festgehalten wurde: „Die für 2015 geplanten Investitionen erfolgen aus dem Cashflow des Unternehmens“. Gleichzeitig wurde bekannt gegeben, auf den asiatischen Wachstumsmärkten expandieren zu wollen. Bei diesem Auswärtsspiel freilich treffen die Berliner auf extrem bekannte und starke Konkurrenz mit Heimvorteil. Hinzu kommt: Goodgames betreut aktuell lediglich gut zehn Spiele in 25 Sprachen. In Vertrieb, Marketing und Ausweitung der Produktpalette sind also noch erhebliche Investitonen zu tätigen. Ob das wirklich alles aus dem Cashflow bezahlt werden kann steht dahin.

Fazit

In jedem Fall bleibt das IPO-Thema schwierig, denn „klassische langfristig ausgerichtete Kapitalsammelstellen wie Pensionskassen oder Versicherungen werden sicher aufgeschlossener gegenüber auch diesen Anlageformen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es in Deutschland viele regulatorische Rahmen für Geldanlagen gibt“, beschreibt Peeters einen Grund für die mangelnde Nachfrage. Sollte die deutsche Konjunktur mit mehr als 2% wachsen, könnte es auch zum Ketchupflaschen-Effekt kommen, so Fuchs: „Erst nichts, und dann alles auf einmal.“ Es gebe Firmen mit Potenzial, wichtig sei es aber in jedem Fall, nicht in einen Hype zu verfallen, wie man es am Neuen Markt oder bondm gesehen habe. Denn das würde die Aktienkultur weiter schädigen.