Wachstumsbremse Finanzabteilung: Die unterschätzte Belastung durch Multi- Entity-Strukturen

Johannes Zimmermann (Payhawk)
Johannes Zimmermann (Payhawk)

Bildnachweis: Payhawk.

Die paradoxe Wahrheit hinter dem internen Wachstumsrisiko

CFOs richten den Blick meistens auf externe Risiken wie volatile Märkte, den Fachkräftemangel oder zunehmende politische Unsicherheiten. Ein zentrales Wachstumsrisiko lauert allerdings im eigenen Haus: bei der Finanzabteilung. Laut Accenture verbringen Finanzteams 85 Prozent ihrer Zeit mit der Sammlung und Prüfung von Daten – nur 15 Prozent bleiben für strategische Analyse. Der Grund ist ganz einfach: Mit jeder neuen Niederlassung und jedem Zukauf werden interne Prozesse komplexer. Damit kommt eine kaum sichtbare, aber mächtige „Multi-Entity-Steuer“ – eine interne Belastung, die Zeit und Reaktionsfähigkeit kostet. Sie blockiert den Workflow, bindet Ressourcen, hemmt Chancen – und ist dabei schwer rechtzeitig zu erkennen.

Die drei Dimensionen der versteckten Steuer

1. Zeitfresser: Abstimmung

Manuelle Abstimmungen dauern im Schnitt 30-45 Minuten pro Account. Bei zehn Gesellschaften mit jeweils 20 relevanten Accounts entstehen schnell 100 bis 150 Stunden pro Monat.

2. Fehler und Korrekturschleifen

Laut Deloitte verbringen 36 Prozent der Finanzabteilungen bis zu zehn Tage im Monat nur mit der Korrektur von vorangegangenen Fehlern.

3. Verzögerte Entscheidungen

Wenn Finanzdaten über mehrere Systeme verteilt sind und manuell konsolidiert werden müssen, sind die zentralen Zahlen zur Entscheidungsfindung oft mehrere Wochen alt und nicht mehr aktuell.

Diese interne „Steuer“ wächst mit dem eigenen Erfolg, und nicht etwa mit der Komplexität des Markts. Die Folgen wirken sich auf zentrale Stellschrauben des Wachstums aus.

Was diese Ineffizienzen wirklich kosten

  • Verdeckte Kosten: Verspätete Steuererklärungen und Abstimmungsfehler können zu empfindlichen Strafzahlungen führen. Prüfungen verlängern sich, externe Beraterkosten steigen.
  • Verlorenes Potenzial im Team: Hochqualifizierte Mitarbeitende verbringen bis zu 85 Prozent ihrer Zeit mit Datensammlung – ihr Know-how bleibt ungenutzt, die Motivation sinkt.
  • Unsichtbare Opportunitätskosten: Kapital wird als Sicherheitspuffer gebunden, statt in Innovation oder Expansion zu fließen. Fehlende Datenqualität erschwert strategische Entscheidungen, etwa bei Akquisitionen.

Warum CFOs die Gefahr oft nicht sehen

Obwohl die Zahlen so klar sind, bleibt das Problem aus mehreren Gründen unbemerkt:

  • „Gut genug“-Mentalität: Systeme, die einst funktionierten, werden nicht hinterfragt – bis sie plötzlich zum Engpass werden.
  • ERP-Illusion: Viele verlassen sich auf ihre ERP-Lösung – für komplexe Multi-Entity-Strukturen sind diese aber oft nicht ausgelegt.
  • Investitionsblockade: Frühere Investitionen hemmen neue Entscheidungen. Es fallen Sätze wie: „Wir haben doch schon Geld in die Hand genommen.“
  • Fehlender Gesamtblick: Die Ineffizienzen verteilen sich über so viele Einheiten, dass das große Bild verborgen bleibt.
  • Compliance-Fokus: Der Blick auf regulatorische Anforderungen verdrängt die Frage, wie strategisches Potenzial am besten genutzt werden kann.

Wenn die Bremse zur Blockade wird – Die strategische Dimension

Ohne einen konsolidierten Echtzeit-Blick halten Unternehmen überhöhte Reserven – blockierte Liquidität, also gebundenes Kapital, das andernorts fehlt. Unklare oder schwankende Kennzahlen führen zum Vertrauensverlust bei Investoren, senken die Bewertung und erschweren Finanzierungsrunden.

Wer auf veraltete Zahlen setzt, verliert außerdem an Schnelligkeit – und verpasst Märkte und Chancen. Auch die Integration nach Akquisitionen verläuft oft zu langsam: Synergien lassen sich nur dann nutzen, wenn die Finanzprozesse zügig zusammengeführt werden. Fehlt es dazu noch an Analysekapazität, mangelt es an Grundlagen für datengetriebene Innovation – der Fortschritt wird gehemmt.

Was CFOs jetzt tun sollten

Die Lösung liegt im gezielten, pragmatischen Handeln:

  • Transparenz schaffen: Analysieren Sie, wie viel Zeit Ihre Teams in manuellen Multi-Entity-Prozessen verlieren.
  • Technologielösungen hinterfragen: Ist Ihre ERP-Lösung wirklich für die Komplexität ausgelegt?
  • Speziallösungen statt Generaltransformation: Kleine, fokussierte Maßnahmen erzielen oft mehr Wirkung als große Umstrukturierungen.
  • Ressourceneinsatz messen: Es zählt nicht nur der finale Output – sondern auch, wie effizient er zustande kommt.
  • Quick Wins realisieren: Einheitliche Kontenrahmen oder abgestimmte Reporting-Zeiträume können ihre Wirkung sofort entfalten.

Die Unternehmen, die in den kommenden Jahren erfolgreich sein werden, sind nicht nur die mit den besten Produkten am Markt, sondern vor allem die mit Finanzabteilungen, deren Strukturen Wachstum beschleunigen, statt es zu bremsen.

Über den Autor:

Johannes Zimmermann ist Marketing Director DACH bei Payhawk und bringt 15-jährige Erfahrung in der Kreation und Ausführung von Marketingstrategien in technologieorientierten Unternehmen mit. Zuvor war er unter anderem bei PayPal tätig und verfügt über ein tiefes Verständnis der Fintech-Branche und ihren SaaS-Geschäftsmodellen.