„Es ist wichtig, eine Business Angels-Kultur in Deutschland zu schaffen“

VC Magazin: Wie lauten die konkreten Ziele für das Business Angels Jahr 2010?

Kirchhof: In Deutschland sind etwa 1.400 Business Angels in Netzwerken aktiv. Insgesamt soll es hierzulande rund 5.000 von ihnen geben, hat das ZEW Mannheim im Jahr 2007 ermittelt. Da wir uns im informellen Beteiligungsmarkt befinden, ist es relativ schwer herauszufinden, ob genaue Zielvorgaben erreicht wurden.

Velling: Genaue statistische Angaben lassen sich in der Tat nur mit aufwändigen Studien generieren, die Sie nicht jedes Jahr machen können. Es ist wichtig, eine Business Angels-Kultur in Deutschland zu schaffen. Die fängt einmal damit an, dass man sich für Unternehmertum nicht schämt und man junge Menschen in ihrem unternehmerischen Dasein unterstützt. Das ist ein langer Prozess, weshalb aus meiner Sicht konkrete Vorgaben für ein Jahr zu kurz greifen. Der Bund kann diesen Prozess nur flankieren, da muss vieles aus den Regionen kommen – von den Netzwerken und Businessplan-Wettbewerben vor Ort.

VC Magazin: In welchen Regionen besteht Nachholbedarf, was Business Angels angeht?

Kirchhof: In den östlichen Bundesländern sind Business Angels und Netzwerke schwächer vertreten. Dieser Zyklus vom Unternehmer zum Business Angel muss sich erst einpendeln.

Velling: In Bayern dagegen kommen alle wesentlichen Faktoren zusammen: Es gibt vergleichsweise viel Kapital, der Dealflow ist vorhanden und die Kultur stimmt. In den fünf neuen Bundesländern mangelt es meist an mindestens einem Punkt. Wir haben beispielsweise im Großraum Dresden hervorragende Technologien, allerdings ist dort weniger Kapital vorhanden. Im Gegenzug haben aber auch manche Standorte im Westen der Republik ein wenig ausgewogenes Verhältnis. So ist beispielsweise in Frankfurt am Main viel Geld vorhanden, aber der Dealflow ist weniger technologiegetrieben. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Business Angels sich auch schon einmal überregional orientieren.

VC Magazin: Weshalb ist Bayern im bundesweiten Vergleich gut aufgestellt?

Mertz: Wir verfolgen das Konzept der Business Angels-Netzwerke in Bayern bereits seit über zehn Jahren und haben jeweils eines in Nord- und Südbayern installiert. Beide sind auch an einen Businessplan-Wettbewerb angeschlossen. Grundsätzlich hängt aber viel von privater Initiative und dem Klima in der jeweiligen Region ab.

Huber: Es kommt an dieser Stelle nicht nur auf die absolute Zahl an Business Angels an, sondern auch auf die Gründungsintensität. Bayern ist hier seit Jahren bundesweit in der Spitzengruppe, und das zieht natürlich auch das Engagement privater Investoren nach sich. Ein schönes Beispiel ist das regionale Eigenkapitalforum Unterfranken, das sich auf Initiative der Hochschule Aschaffenburg und einer regionalen Wirtschaftsberatungsgesellschaft gegründet hat.

Rudolph: Ganz entscheidend ist, dass die Netzwerke für interessante Investitionsmöglichkeiten sorgen und diese ganz gezielt den Business Angels vorstellen. Darin sehe ich unsere wesentliche Aufgabe. Aus meiner Erfahrung werden Business Angels übrigens gerne direkt mit gut vorbereiteten Investitionsmöglichkeiten angesprochen.

VC Magazin: Die laufende Initiative soll Start-ups ermutigen, gezielt Business Angels anzusprechen. Wie können Jungunternehmer die guten von den schlechten unterscheiden?

Rudolph: Hier sehe ich uns in der Verantwortung. Es ist unsere Aufgabe als Businessplan-Wettbewerb bzw. als Netzwerk, neutral darzustellen, was üblich ist und was unüblich. Manchmal müssen wir Unternehmer mit ausreichend Rückgrat ausstatten, denn sie sind keine Bittsteller, sondern haben eine interessante Investitionsmöglichkeit.

Kirchhof: Es gibt zwei Typen von Business Devils – die Naiven, denen kann geholfen werden, und die Abzocker. Netzwerke filtern vorab schon viele dieser Devils aus und befreien sich von den anderen durch Selbsthygiene.

VC Magazin: Wie sehen im Rahmen des Aktionsjahres die Wünsche an die Politik aus?

Rudolph: Ein Business Angel arrangiert sich mit jeder Situation. Wenn es ihm nicht attraktiv erscheint, hierzulande zu investieren, begeht er eben Kapitalflucht. Wir müssen alle gemeinsam ein Interesse haben, dass das Geld im Land bleibt. Frankreich hat hier ein interessantes Modell geschaffen.

Velling: Der Anreiz in Frankreich besteht darin, dass die Vermögensteuer niedriger ausfällt, wenn man als Business Angel investiert. In Deutschland wird dagegen überhaupt keine Vermögensteuer erhoben. Für eine kontroverse Antwort müssten Sie sich aber an das Bundesfinanzministerium wenden. Dort steht man jeglichen Vergünstigungen mit Hinweis auf die schwierige haushalterische Gesamtsituation und die Rekordverschuldung naturgemäß kritisch gegenüber. Das Wirtschaftsministerium dagegen hat eher die volkswirtschaftliche Rendite von Business Angel-Investitionen im Blick. Eine Option könnte das sogenannte Roll-over-Prinzip sein, bei dem Veräußerungsgewinne steuerfrei sind, wenn sie wieder in Start-ups investiert werden. Dies wird in manchen anderen Ländern so praktiziert. Aber das ist eine Frage, die letztlich politisch zu entscheiden ist.

Mertz: Die Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern sind sich einig. Aber das Problem ist, dass man an der Realität der Finanzpolitik hängen bleibt. Eigenkapital wird gegenüber Fremdkapital traditionell benachteiligt.

VC Magazin: In welcher Form wird die öffentliche Hand das Aktionsjahr praktisch unterstützen?

Huber: In Bayern richten das Netzwerk Nordbayern und der MBPW in ihren Regionen jeweils Roadshows aus, die wir mit Referenten und Beispielfirmen begleiten. Auch wenden wir uns an Gruppen wie beispielsweise Rotary. Hier trifft man Unternehmer, die im Regelfall eben nicht zu den typischen Business Angels-Treffen gehen. Ferner bemühen wir uns, dass Politiker auch vor Ort präsent sind und solchen Treffen mehr Bedeutung geben.

Velling: Das BMWi unterstützt BAND grundsätzlich und wird sich dieses Jahr noch mehr engagieren. Bei der feierlichen Proklamation des Business Angels Jahres 2010 war beispielsweise der Parlamentarische Staatssekretär Hintze anwesend. Wir wollen Fördermaßnahmen noch stärker auf Business Angels ausrichten und ebenso die indirekte Unterstützung verstärken. So sind etwa der ERP-Startfonds oder der High-Tech Gründerfonds II wichtige Signale für die frühen Kapitalgeber. Vor Kurzem hat der HTGF im Rahmen des Private Investors“ Circle 50 Business Angels einige Portfolio-Unternehmen vorgestellt. Erst solche Aktionen eröffnen vielen Business Angels überhaupt die Chance, bundesweit zu investieren.

VC Magazin: Herzlichen Dank für das Gespräch!      

Das Gespräch führte Torsten Paßmann

Über die Teilnehmer
Dr. Roland Kirchhof ist Vorstand des Business Angels Netzwerks Deutschland. Dr. Johannes Velling ist Referatsleiter im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Ronald Mertz im bayerischen Wirtschaftsministerium. Roman Huber ist Geschäftsführer der Bayern Kapital GmbH, Dr. Carsten Rudolph der MBPW GmbH.