„Wer jetzt noch auf reine Werbung setzt, muss neue Geschäftsmodelle entwickeln“

VC-Magazin: Neben der allgemeinen Finanzkrise haben auch Rezessionsängste die Aktien von Medien- und Internetunternehmen weltweit einbrechen lassen. Wie schlagen sich Ihre Portfoliounternehmen?

Fietz: Das gemeinsame Portfoliounternehmen Zimory profitiert sogar von der Krise. Deren Marktplatz hilft, Rechenzentrumsressourcen einzusparen oder besser zu nutzen. Das ist in Zeiten, in denen Unternehmen ihre Kostenstrukturen überprüfen, ein wichtiges Thema. Wir haben aber auch Unternehmen im Portfolio, deren Auftragslage rückläufig ist. Den einen oder anderen Businessplan müssen wir noch einmal genauer überprüfen.

Brandkamp: Wir sehen aktuell noch geringe Auswirkungen auf unser Portfolio. Wir raten unseren Unternehmen aber schon, ihr Geld zusammenzuhalten und schonend mit ihrer Liquidität umzugehen.

Heinen: Um die Burn-Rate zu senken, sollten junge Unternehmen verstärkt Projektgeschäfte eingehen, anstatt nur die Produktentwicklung voranzutreiben.

VC Magazin: Stoßen Sie mit dieser Empfehlung auf offene Ohren?

Heinen: Manche Gründer sind vernünftig und hören zu, andere meinen, sie wüssten es besser. Spätestens wenn die nächste Finanzierungsrunde ansteht, werden die Gründer, die jetzt noch nicht zuhören wollen, auch zur Vernunft kommen.

VC Magazin: Sind die Bewertungsvorstellungen von Gründern im Mediensektor bereits zurückgegangen?

Heinen: Die Vorstellungen sind immer zu hoch. Die realisierbaren Bewertungen werden weiter sinken, da der Exit später kommt, wenn der Multiple gehalten werden soll.

Fietz: Das vorhandene Kapital muss im aktuellen Umfeld voraussichtlich wesentlich länger reichen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Wachstumsplanungen aus, die finanziert werden müssen.

VC Magazin: Werbefinanzierte Geschäftsmodelle dürften unter der bevorstehenden Rezession besonders leiden. Was raten Sie Start-ups, die primär auf Anzeigenerlöse als Umsatzbringer bauen?

Fietz: Wir haben in solche Firmen investiert und werden das selektiv weiterhin machen. Grundsätzlich gilt für die Werbevermarktung, dass man Relevanz schaffen muss – sowohl auf der Seite der Nutzer als auch der Werbekunden.

Heinen: Wir stehen diesem Thema generell kritisch gegenüber, weil man viel investieren muss, um die nötige Reichweite zu schaffen. Wir versuchen deswegen immer, eine Mischung aus Anzeigen und direktem Verkauf zu entwickeln. Wer jetzt noch auf reine Werbung setzt, muss neue Geschäftsmodelle entwickeln.

VC Magazin: Seriengründer Oliver Samwer prophezeit mobilen Anwendungen eine rosige Zukunft. Communitys und Dating seien als erste Angebote erfolgreich. Deckt sich das mit Ihren Erwartungen?

Heinen: Im Bereich Dating sind die Menschen tatsächlich am ehesten bereit, für entsprechende Angebote zu zahlen. Gleichzeitig ist das etwas sehr Intimes. Man will die Anwendung auf dem eigenen tragbaren Gerät haben und nicht auf dem heimischen PC, den gegebenenfalls auch die Familie nutzt. Zentral ist allerdings die Frage der Usability. Solange die Installation von Software auf Handsets eine große Hürde ist, steigt die breite Masse nicht ein. Dazu kommt in Deutschland das Problem mit den Tarifen. Bei Communitys ist die Frage letztlich ungeklärt, wie man Geld verdient.

Fietz: Derzeit sind eher mobile Zusatzfunktionalitäten als eigenständige Applikationen erfolgreich. Facebook auf dem iPhone ist sehr gut gelöst, aber eben nur auf dem iPhone. Als Investor fragt man sich dann, ob die Portierung auf andere Geräte gelingen wird und wie gut sich die Software auf einem anderen Telefon nutzen lässt.

VC Magazin: 36% der Deutschen nutzen Online-Spiele. Wie sehen Erfolg versprechende Geschäftsmodelle in diesem Bereich aus?

Heinen: Gerade im Web ist man ja gewohnt, dass Angebote kostenfrei sind. Wenn der Basisdienst gratis ist, hängt die Einstiegshürde tief. Es bietet sich Item-Selling an: Wollen die Leute besondere Items, kostet das Geld. Monatliche Abogebühren sind dagegen problematisch, weil man dann vor der Nutzung zahlt. Vermutlich wird sich aber ein Mix aus beidem durchsetzen.

Fietz: Was man verstärkt sieht, ist zudem In-Game-Advertising. Im Rahmen des Wahlkampfs hat das zuletzt Barack Obama in neun Videospielen von Electronic Arts gemacht. Online-Spiele bieten auch den Vorteil, dass Werbeplätze immer wieder neu vermarktet werden können.

VC Magazin: Der Telekom-Konzern gehört zu den größten Online-Werbern in Deutschland. Profitieren von Ihnen finanzierte Start-ups von diesem Etat?

Fietz: Es ist branchenüblich, dass die Etats für Kampagnen zu den großen Werbevermarktern gegeben werden. Der Longtail, also gerade die kleineren Start-ups, die Werbeplätze anbieten, fällt oftmals hinten runter. Diesem Thema begegnen wir u. a. mit unserer Beteiligung mediapeers, mit der wir den Longtail adressieren wollen. Es fehlt aber der gesamten Branche noch an Konzepten – die Werbeausgaben landen immer noch zum großen Teil bei den großen General Interest-Portalen.

VC Magazin: Wie viele Investments wollen Sie 2009 tätigen, und auf welchem Weg sollte Sie ein Gründer am besten kontaktieren?

Brandkamp: Wenn der Dealflow die Qualität hergibt und wir weiterhin optimistisch in die Zukunft schauen, dann wollen wir 40 bis 50 Hightech-Unternehmen auf den Weg bringen. Man kann uns zwar auch direkt ansprechen, wir empfehlen aber den Weg über einen Coach aus unserem Netzwerk oder eine sonstige Referenz.

Fietz: Man kann uns direkt ansprechen, beispielsweise über die Website. Wir planen keine bestimmte Zahl an Investments, sondern orientieren uns an der Relevanz für unsere einzelnen Geschäftseinheiten. Angesichts der aktuellen Marktgegebenheiten werden wir nicht zwingend weniger investieren, sondern nutzen vielleicht unsere Chancen für einen günstigen Einstieg.

VC Magazin: Zum Schluss: Welche neuartigen Medienangebote nutzen Sie persönlich am liebsten?

Heinen: Ich nutze das ein oder andere Handygame, schaue Videos auf Onlineportalen und sehe fern via IPTV. Communitys nutze ich kaum.

Brandkamp: Ich finde die Kommunikation über unsere Weblin-Avatare spannend. Viel Spaß macht auch ein Fußballmanagerspiel wie Goal United, auch wenn meine Leistung noch verbesserungswürdig ist.

Fietz: Grundsätzlich kann ich mich für das IPTV-Angebot T-Home Entertain sowie für myON-ID begeistern. Letzteres ist ein Online-Reputationsmanagement, bei dem man die Suchergebnisse für die eigene Person aktiv steuern kann.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!     

Zu den Gesprächspartnern

Dr. Michael Brandkamp ist Geschäftsführer, Holger Heinen Senior Investmentmanager bei der High-Tech Gründerfonds Management GmbH in Bonn. Oliver Fietz ist Fund Manager bei der ebenfalls in Bonn ansässigen T-Venture Holding GmbH, der Corporate Venture Capital-Gesellschaft der Deutsche Telekom AG.