„Die Lage wird sich nicht so schnell entspannen, wie viele Leute hoffen“

VC Magazin: Wie beeinflussen die Turbulenzen an den Finanzmärkten Ihr Geschäft?
Hirche: Mit der Finanzkrise leben wir nun schon seit über einem Jahr. Sie hat aber Deutschland erst in den letzten Monaten voll erreicht. Als ein Haus mit einem amerikanischen Hintergrund verfolgen wir bereits seit Beginn des Jahres 2008 eine zurückhaltende Investitionsstrategie. Wir haben uns bevorzugt Industrien angeschaut, die auch in der Krise gut dastehen und den Abschwung in den Unternehmensbewertungen bereits widerspiegeln. Da wir als Haus von Growth Capital über Leveraged Buyouts bis Restrukturierungen alles abdecken, sind die Auswirkungen für unser Geschäft nicht so dramatisch. Wir konzentrieren uns jetzt einfach etwas stärker auf Restrukturierungen.

VC Magazin: An welche Branchen denken Sie, wenn Sie von Industrien sprechen, die sich in der Krise gut behaupten werden?
Hirche: Ich würde zunächst nach dem Ausschlussprinzip vorgehen. Automotive ist sicher eine Industrie, die sehr stark unter Druck steht. Auch die Retailindustrie wird sich in den nächsten Monaten schwer tun, wenn es tatsächlich zu einem Käuferstreik kommen wird. Auf der anderen Seite gibt es z. B. eine Lebensmittelindustrie, bei der das höhere Preissegment eher betroffen sein wird, wohingegen viele preisgünstige Anbieter eher profitieren werden. Insgesamt werden weniger vom Konsum oder Export abhängige Branchen wie Telekom, Energie und Healthcare besser durch die Krise kommen.

VC Magazin: Sie begleiten sowohl operative als auch finanzielle Restrukturierungen. Welcher Fall ist Ihnen lieber?
Hirche: In einem Markt eine operative Restrukturierung durchzuführen, der um 10-15% sinkt, ist sehr schwierig. So schnell können Sie mit den Maßnahmen gar nicht hinterherkommen. Einfacher ist daher eine finanzielle Restrukturierung. Dennoch wollen wir auch ins Operative hineingehen, hier aber im aktuellen Marktumfeld sehr selektiv vorgehen.

VC Magazin: Es gab in jüngster Zeit erste Buyouts, die fast ausschließlich mit Eigenkapital finanziert wurden. Was halten Sie davon?
Hirche: Dieses Modell ist aus meiner Sicht nicht langfristig haltbar, weil es die Renditeanforderungen nicht erfüllt. Einige der Investoren, die jetzt mit 100% Eigenkapital in solche Transaktionen gehen und glauben, diese in den nächsten sechs Monaten refinanzieren zu können, werden noch eine böse Überraschung erleben. Die Lage wird sich nicht so schnell entspannen, wie viele Leute hoffen.

VC Magazin: Derzeit werden Anteile an großen Leveraged Buyout-Fonds mit Abschlägen von teils über 60% unter dem letzten ausgewiesenen Net Asset Value gehandelt. Haben wir den Großteil der Wertberichtigungen erst vor uns?
Hirche: Ich glaube ja. In den Jahren 2006 bis 2008 haben wir eine kleine Hyperinflation in den Bewertungen von Unternehmen erlebt. Da wird es jetzt zu einer Anpassung kommen.

VC Magazin: Erwarten Sie, dass Investoren ihre Capital Calls nicht bedienen?
Hirche: Man hört immer wieder Gerüchte, dass es so etwas geben soll. Ich habe aber bisher von niemandem definitiv gehört, dass es tatsächlich zu Ausfällen kommt. Am stärksten gefährdet sind sicherlich Megafonds, die sehr große Einzelinvestitionen tätigen. Für unseren Fonds erwarte ich keine Ausfälle.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Zum Gesprächspartner
Lars Hirche ist Mitglied der Geschäftsführung der H.I.G. European Capital Partners GmbH. Die Gesellschaft ist Teil von H.I.G. Capital, einer international tätigen Beteiligungsgesellschaft mit einem verwalteten Kapital von mehr als fünf Mrd. Euro.