„Die Exit-Pipelines der Private Equity-Unternehmen sind voll“

VC Magazin: Im dritten Quartal 2009 gab es laut einer Studie von PwC in Europa Börsengänge mit einem Emissionsvolumen von 1,8 Mrd. EUR. Die Börsen in London und Luxemburg vereinten 94% dieser Summe. Was macht diese Börsenplätze für internationale Emittenten so attraktiv?

Döpfner: Der Londoner Markt, insbesondere der AIM, ist leichter zu betreten als der deutsche Markt. Viele russische Firmen haben zum Londoner Markt eine größere Affinität als zu den Börsenplätzen in Deutschland. Das ist bei chinesischen Unternehmen interessanterweise anders.

John: Deutschland halte ich in Bezug auf Regularien für sehr wettbewerbsfähig. Gerade wenn man die Liquidität des AIM hinterfragt, erkennt man schnell, dass der Entry Standard – also das deutsche Pendant – mehr als mithalten kann. Dass in Deutschland trotzdem zuletzt wenig passiert ist, liegt an dem krisen- und volatilitätsbedingt verstärkten Sicherheitsdenken bei Investoren und Emittenten und einem im internationalen Vergleich generell niedrigeren IPO-Niveau in Deutschland.

VC Magazin: Warum hinkt Deutschland denn so stark hinterher, wenn die Rahmenbedingungen gar nicht schlechter sind?

Döpfner: In Deutschland finanziert man sich historisch viel stärker über Kredite als in den angelsächsischen Ländern. Daraus resultiert eine ganz andere Kultur der Finanzierung – wir haben hier einfach ein paar Jahre Aufholbedarf gegenüber den USA und London.

John: Die deutschen Emissionsbanken genießen zudem den Ruf, dass sie Emittenten im Hinblick auf die Börsenreife, die Börsenfähigkeit, die Nachhaltigkeit des Businessmodells und die Transaktionsstruktur sehr gründlich prüfen. Diese hohen Standards sollten wir zukünftig auch beibehalten, aber trotzdem einen attraktiven Marktplatz für Börsengänge – auch für mittelständische Unternehmen – anbieten.

VC Magazin: Könnten die Börsenplätze in Deutschland etwas dafür tun, um die Nachfrage nach Neuemissionen anzukurbeln? Brauchen wir einen Neuen Markt 2.0?

John: So weit würde ich jetzt nicht gehen. Der Neue Markt hatte durchaus richtige Elemente, es sind aber auch Dinge falsch gelaufen. Man muss jetzt für mittelständische Unternehmen Möglichkeiten schaffen, den Kapitalmarkt auch auf der Eigenkapitalseite zu nutzen. Das sollte auch für Unternehmen mit konjunkturabhängigen oder volatileren Geschäftsmodellen gelten, die sich scheinbar stärker von den Börsenplätzen in London und den USA angezogen fühlen.

VC Magazin: Sind denn auch die angelsächsischen Banken und Investoren risikofreudiger als die deutschen Anleger?

John: Nein, das würde ich nicht unterschreiben. Zumindest nicht bei den Investoren.

Döpfner: In den angelsächsischen Ländern sind Unternehmen traditionell viel aufgeschlossener gegenüber Börsengängen als in den kontinentaleuropäischen Ländern. Das ist ein historisch bedingter, kultureller Unterschied.

VC Magazin: Wann rechnen Sie wieder mit größeren Börsengängen in Deutschland?

Döpfner: Wenn die Kapitalmärkte nicht überraschenderweise noch mal deutlich nach unten gehen, wird es in diesem Jahr noch IPOs in Deutschland geben.

VC Magazin: Wie muss ein Portfoliounternehmen einer Private Equity-Gesellschaft aufgestellt sein, damit ein Börsengang eine veritable Option darstellt?

John: Wenn die Anzahl der IPO-Transaktionen konjunkturbedingt stark zurückgegangen ist und die wirtschaftlichen Daten wieder positiver werden, lässt sich immer wieder beobachten, dass zunächst größere Unternehmen an die Börse gehen, die eine längere Historie nachweisen können. Das heißt nicht, dass kleinere Unternehmen keine Chance auf ein IPO haben, aber es muss sich erst wieder Vertrauen bilden – in den Markt, die Liquidität und die Investoren. Die chinesische Vtion war ein Sonderfall, der sich wohl auch darauf zurückführen lässt, dass das Unternehmen im Jahr 2007 schon einen Anlauf genommen hatte. Vtion sah wohl Ende September kurzfristig eine Möglichkeit, das IPO mit Investoren durchzuziehen, die bereits im Vorfeld angesprochen und überzeugt wurden.

VC Magazin: Welche Private Equity-finanzierten Unternehmen werden derzeit als Börsenkandidaten gehandelt?

John: In der Presse werden verschiedene Fälle genannt, wie das Flughafengeschäft von Hochtief, der Chemiedistributor Brenntag sowie die Kabelnetzbetreiber Unity Media und Kabel Deutschland.

Döpfner: Insbesondere Portfoliogesellschaften, die schon am Markt bekannt sind und eine nachhaltige Equity Story haben, traut man einen erfolgreichen Börsengang zu.

VC Magazin: Halten Sie im gegenwärtigen Umfeld Börsengänge von Unternehmen für möglich, die damit vorrangig ihre Bilanzrelationen – beispielsweise nach einem stark Fremdkapital-finanzierten Buyout – verbessern wollen?

Döpfner: Unternehmen, deren Kauf vornehmlich über Finanzschulden finanziert wurde, müssen jetzt erst einmal ihre Passivseite in Ordnung bringen und darauf warten, dass sich die konjunkturelle Lage weiter stabilisiert. Börsengänge von Firmen aus diesem Umfeld erwarte ich nicht vor 2011. Langfristig rechne ich aber mit einer steigenden Zahl von Börsengängen aus Private Equity-Portfolios, weil das Volumen der Weiterverkäufe an andere Finanzinvestoren deutlich zurückgeht. So verbleibt als Exitoption meist nur ein Verkauf an einen Strategen oder eben ein IPO.

John: Die Exit-Pipelines der Private Equity-Unternehmen sind voll. Hierdurch steigt der Druck, Unternehmen an die Börse zu bringen. Viele Private Equity-Investoren wollen in naher Zukunft Erlöse erzielen und werden meiner Ansicht nach nicht auf das Wiedererreichen möglicher Höchststände an den Börsen warten, bis sie wieder als Verkäufer aktiv werden. Die meisten Private Equity-Investoren bleiben ja auch nach dem IPO noch an den Unternehmen beteiligt und sind insofern auch an einer positiven Kursentwicklung nach dem IPO stark interessiert!

VC Magazin: Mit wem sollte ein IPO-Kandidat das Gespräch suchen?

John: Wenn ein Unternehmen seine Börsenfähigkeit prüfen möchte, tut es gut daran, sich frühzeitig Beratung aus dem Bereich der Wirtschaftsprüfer, IPO-Berater und Banken zu holen. Das gilt insbesondere für Mittelständler, die den Kapitalmarkt noch nicht als Finanzierungsquelle genutzt haben.

VC Magazin: Zu welchem Zeitpunkt sollte man diese Experten in seine Überlegungen involvieren?

John: Wenn man einen hervorragenden Wissensstand über alle Themen am Kapitalmarkt hat, kann man sich mehr Zeit lassen. Je mehr Arbeit noch in den Bereich der Strategie, Planung, Controlling, Gesellschaftsrecht und Bilanzierung zu stecken ist, umso eher sollte man externen Rat einholen.

Döpfner: Es gibt natürlich manche Mandanten, die exzellent aufgestellt sind. Das ist z.B. häufig bei Private Equity-Eigentümern der Fall. Es gibt aber auch Unternehmen, die einen IPO-Prozess starten und dann feststellen, dass vieles für einen erfolgreichen Börsengang noch nicht ausreichend stabilisiert und professionalisiert ist. Wenn sie sich frühzeitig in allen wesentlichen Bereichen Berater aus verschiedenen Bereichen – Recht, Investmentbank und Wirtschaftsprüfer – an Bord holen, können sie ihren IPO-Prozess stark erleichtern.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Andreas Uhde.

Zu den Gesprächspartnern
Daniel Döpfner leitet als Partner bei Deloitte den Bereich IPO Services. Andreas John ist Bereichsleiter für das Aktiengeschäft der genossenschaftlichen DZ Bank.