„Mittelständler gehen mit Außenständen bei Lieferanten oft sorglos um“


VC Magazin: Was bietet WCF für Unternehmen?

Schneider: Nehmen wir z.B. einen Schreiner, der eine Schule renoviert und dafür Holz einkaufen muss. Die Schule bezahlt ihn nach vier Monaten. Sein Holzlieferant verlangt das Geld jedoch sofort. Der Schreiner möchte aber erst bezahlen, wenn er von der Schulbehörde sein Geld bekommt. An dieser Stelle hilft Finetrading. Wir bezahlen den Holzlieferanten sofort, und der Schreiner bezahlt uns erst vier Monate später, mit einem dementsprechenden Zinsaufschlag.

VC Magazin: Was ist der höchste und was der geringste Zinssatz, mit dem Unternehmer bei Ihnen kalkulieren können bzw. müssen?

Schneider: Der Nominalsatz reicht im Moment von 5 bis 13,5% p.a. Grundsätzlich sind die Stundungskosten nach Dauer gestaffelt; der erste Monat ist günstiger, der zweite teurer und der dritte noch etwas teurer. Größere Kunden erhalten gleichmäßige Konditionen über die Monate hinweg. Wir bieten neben der Standard-Zahlungsfrist von 120 Tagen mittlerweile auch individuelle Vereinbarungen.

VC Magazin: Wie kann ein Unternehmer seinen Zinssatz drücken?

Schneider: Er kann ihn sowohl über eine sehr gute Bonität reduzieren als auch über wiederkehrend hohe Volumina. Wir präferieren natürlich einen Kunden, der jeden Monat höhere Summen mit wenigen großen Geschäften abwickelt. So kann auch der Kunde den größten Skaleneffekt beim Bestellvorgang ausnutzen.

VC Magazin: Sind Ihre Kunden vor allem mittelständische Betriebe?

Schneider: Ja, wir bedienen den breiten deutschen Mittelstand. Im Moment arbeiten wir aktiv mit 670 Kunden und Lieferanten. Etwa zwei Drittel unserer Kunden tätigen über uns Geschäfte im Wert bis ca. 300.000 EUR und ein Drittel im Wert bis ca. 1 Mio. EUR, im Einzelfall bis zu 5 Mio. EUR.

VC Magazin: Was passiert, wenn ein Kunde nicht zahlen kann?

Schneider: Wir haben über unsere Kreditversicherung Euler Hermes eine Rückdeckung von 90%, und sogar von 100%, wenn wir selbst uns über Factoring refinanzieren. Wir budgetieren und kalkulieren die Ausfallquoten jedes Jahr neu. Bis jetzt liegen wir innerhalb unseres Planbudgets. Abschließend prüfen wir die Bonitäten nochmals individuell. Zurzeit ist der Kreditversicherungsmarkt schwer zu kalkulieren. Heute kann jeder Kunde, weil er zu einer bestimmten Branche gehört, auf eine Null-Bonität gesetzt werden – vollkommen unabhängig, welche Bilanzzahlen er vorlegt.

VC Magazin: Wer sind Ihre Konkurrenten?

Schneider: Es gibt eine Handvoll kleinerer Anbieter. Aber keiner bietet ein vergleichbares Modell. Dann gibt es noch Einkaufsgenossenschaften beispielsweise bei Drogerien oder in der Elektrobranche. Aber die haben Mindestabnahmemengen und arbeiten nicht branchenübergreifend wie wir. Unsere Benchmark sind vielmehr Banken und Factoring-Gesellschaften.

VC Magazin: Warum hat EOS sich bei WCF eingekauft?

Hecking-Veltman: Wir glauben an Synergien zwischen EOS und WCF. Das Produkt Finetrading ergänzt unser Angebotsspektrum im Bereich kurzfristige Liquidität: Neben Inkasso oder dem Kauf notleidender Forderungspakete finanziert die EOS Gruppe durch WCF nun auch Einkäufe vor. Zusätzlich bieten sich Schnittstellen im Vertrieb: EOS-Kunden sind neue Kontakte für WCF, und umgekehrt können die Kunden und Lieferanten der WCF Abnehmer für unsere Dienstleistungen werden.

Engberding: Die EOS Gruppe ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Mittlerweile gehören über 40 Unternehmen in 20 Ländern zum Unternehmen. Etwa zwei Drittel dieser Unternehmen haben wir akquiriert, ein Drittel wurde neu gegründet.

VC Magazin: Wer sind wichtige Kunden für WCF in Deutschland?

Schneider: Die prominentesten Kunden sind Tom Tailor, Lech Stahlwerke, die Max Aicher Gruppe oder Solpower, ein Anlagenbauer im Bereich Photovoltaik.

VC Magazin: Welche Umsatzsteigerung erwarten Sie von der WCF in der nächsten Zeit?

Hecking-Veltman: Aufgrund der aktuellen Krisensituation prüfen Kreditinstitute sehr gründlich, wem sie Kredite in welcher Höhe gewähren. Für den Mittelstand ist es daher wichtig, ergänzende Liquiditätsquellen zu erschließen und das Working Capital zu optimieren. Einkaufsseitig wird Finetrading in Zukunft das zentrale Instrument sein, um diese Ziele zu erreichen. Wir gehen davon aus, dass sich die Umsatzvolumina bei Finetrading in den nächsten Jahren verdoppeln werden.

VC Magazin: Und wie machen Sie kulturelle Due Diligence? Was sind dabei die Kernwerte für EOS?

Engberding: Bei EOS haben wir vier Kernwerte: Verlässlichkeit, Offenheit, Vielseitigkeit und Zielstrebigkeit. Darauf legen wir sehr großen Wert. Darüber hinaus sind uns Transparenz und die Nachhaltigkeit von Aussagen wichtig: also keine verborgenen Agenden.

Hecking-Veltman: Der M&A-Prozess ist sehr intensiv. Neben den reinen Zahlenwerten ist für uns immer auch wichtig, dass wir mit den handelnden Personen gut zusammenarbeiten können. Um das sicherzustellen, führen wir im Vorfeld sehr viele Gespräche. Wenn es mit dem Unternehmer nicht passt, passt es in der Regel mit dem Unternehmen selbst nicht. Zwar müssen wir nicht zusammen Karten spielen oder im Kegelklub sein, aber wir legen großen Wert darauf, dass der Unternehmer im Unternehmen verbleibt.

VC Magazin: Eine Forderung an den Gesetzgeber.

Schneider: Wir haben den Eindruck, dass die Verfolgung von Ansprüchen im Insolvenzfall eines Kunden schwieriger geworden ist. Der Beruf des Insolvenzverwalters ist recht weit gefasst. Die Gesetzgebung sollte genauere Vorgaben machen über die Dauer einer Insolvenz und über die Intensität, in der sie bearbeitet werden muss. Auch beim Thema Zinsschranke gibt es unserer Meinung nach Optimierungsbedarf. Der Anstieg der Grenze betrifft zwar vorrangig die Factoring-Gesellschaften, aber auch uns flankiert er in wenigen Fällen.

Engberding: Den Nachteil haben die Mittelständler. Sie gehen mit dem Thema Außenstände bei Lieferanten oft sorglos um. Viele reagieren nicht schnell und sensibel genug, zumal Ausfallrisiken oft exponentiell steigen, je länger die Außenstände bestehen. Diese Risiken können sie durch Finetrading und die Zusammenarbeit mit einem Spezialisten im Forderungsmanagement reduzieren.

VC Magazin: Magazin: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung von Finetrading ein?

Schneider: Der gesamte Factoring-Markt liegt in Deutschland bei etwa 100 Mrd. EUR Umsatz, in ganz Europa bereits im Billionenbereich. Die Factoring-Anbieter haben in den letzten sechs Jahren ihren Umsatz verdoppelt. Wegen der Kreditklemme und Finanzierungsengpässen glauben wir, dass dieser Trend anhalten wird. Als Zukunftsprodukt mit großem Potenzial wird Finetrading in diesem Kanon mitspielen.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Georg von Stein.

Zu den Gesprächspartnern
1974 als Deutscher Inkasso-Dienst gegründet, beschäftigt die EOS Gruppe heute weltweit über 4.000 Mitarbeiter in 20 Ländern. Die 100%ige Tochter der Otto Group bietet Dienstleistungen von der Kundengewinnung über die elektronische Zahlungsabwicklung bis hin zu Inkasso und Forderungskauf. CFO der EOS Gruppe ist Justus Hecking-Veltman, Klaus Engberding ist Geschäftsführer für Deutschland. Vor Kurzem hat EOS die WCF Finetrading GmbH mehrheitlich übernommen, deren Geschäftsfeld die Vorfinanzierung von Working Capital ist. Ihr Geschäftsführer ist Arno Schneider.