„Wir sehen einen Silberstreif am Horizont“

VC Magazin: Welchen Einfluss hatten die jüngsten wirtschaftlichen Entwicklungen auf Venture Capital-Unternehmen?

Achtmann: Vor allem auf die Portfoliounternehmen und das Fundraising der Kapitalgesellschaften hat sich die Krise sehr stark negativ ausgewirkt. Wegen sinkender oder fehlender Umsätze haben die Portfoliounternehmen mehr Geld benötigt zu einem Zeitpunkt, zu dem man weniger auftreiben kann – eine schlechte Kombination. Dies hat zu einer sehr darwinistischen industrieweiten Portfoliobereinigung geführt. Da die Portfolioentwicklung stark das Fundraising der Kapitalgesellschaften beeinflusst, hat sich die Marktbereinigung auch unter den Venture Capital-Gesellschaften fortgesetzt.

Seibold: Wir sehen im Moment einen Silberstreif am Horizont. Nach einer langen Phase der Konsolidierung sind einige starke Venture Capital-Firmen übrig geblieben. Und die können aus einem guten Fundus an Geschäftskonzepten die besten auswählen. Natürlich haben einige Portfoliounternehmen im Later Stage-Bereich die Auswirkungen der Finanzkrise deutlich zu spüren bekommen. Im Early Stage-Bereich hingegen beobachten wir sehr positive Entwicklungen. Denn mit dem richtigen Konzept findet man auch in Krisenzeiten einen Markt.

Weber: Die Möglichkeit, Seed-Investments einzugehen, wurde von der Krise überhaupt nicht beeinflusst, denn es gab und gibt in diesem Bereich kaum Anbieter – niemand will derzeit so hohe Risiken eingehen, und auch in besseren Zeiten sind wenige Investoren bereit, frühphasig zu investieren. Selbst sogenannte Wagnisfinanzierer verhalten sich hier risikoavers. Anschlussfinanzierungen sind in Krisenzeiten schwieriger, und nur die wenigen Rock Stars unter den Firmen erhalten problemlos Anschlussfinanzierungen mit höheren Bewertungen.

VC Magazin: Herr Gruber, können Sie als Unternehmer bestätigen, dass Unternehmen, die es wirklich verdienen, problemlos eine Finanzierung erhalten?

Gruber: Da muss ich klar widersprechen. Für Unternehmensgründer ist es derzeit alles andere als einfach, an Kapital zu kommen. In Deutschland wird gerade in Seed-Unternehmen nur außerordentlich zögerlich investiert. Es gibt staatliche Seed-Fonds, die aber sehr bürokratisch sind – es ist bereits sehr aufwendig, auch nur kleine Summen zu bekommen. Am besten ist es, Investoren aus dem persönlichen Netzwerk von seiner Idee zu überzeugen und möglichst den High-Tech Gründerfonds dazuzuholen, der immer noch intensiv finanziert.

VC Magazin: Wie steht die deutsche Politik zur Venture Capital-Industrie und ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung?

Müller: Die hiesige Politik hat vor Jahren erkannt, dass es im Seed-Bereich eine Finanzierungslücke gibt, und hat deshalb den High-Tech Gründerfonds ins Leben gerufen. Die Gesellschaft ist hierzulande mittlerweile der aktivste Seed-Investor und stellt Summen bis 1 Mio. EUR bereit. Wird ein Co-Investor an Bord geholt, gibt es oft maximal 1,5 bis 2 Mio. EUR. Die meisten Firmen schaffen es aber nicht, sich damit weit genug zu entwickeln, um die Profitabilität zu erreichen, und sind somit auf eine Anschlussfinanzierung angewiesen. Hier reißt die Finanzierungskette in Deutschland häufig ab. Der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Bundesregierung behandelt dieses Problem zumindest in einigen Sätzen und stellt ein Programm in Aussicht, das einige der Finanzierungsrisiken übernehmen soll. Doch im Moment wartet Berlin auf die Entscheidung über die AIFM-Richtlinie in Brüssel.

VC Magazin: Wo sehen Sie den deutschen Venture Capital-Markt in fünf Jahren?

Weber: Die Branche steht hierzulande unter großem Druck. Wenn die Venture Capital-Gesellschaften ihre Mentalität nicht ändern, wird es ihnen kaum besser ergehen als in den vergangenen zehn Jahren. Ich sähe gerne mehr pragmatische, verlässliche Investoren, die schnelle Entscheidungen treffen.

Seibold
: In fünf Jahren wird die Situation wohl eine ganz andere sein, wenn sich die große Wahlmöglichkeit, die wir im Moment haben, auszahlt: Wenn man als Investor die allerbesten Unternehmen auswählen und zu guten Konditionen einsteigen kann, muss die Rendite entsprechend ausfallen. Deshalb werden wir in fünf Jahren eine Reihe interessanter Erfolgsgeschichten sehen. Hoffentlich wird der Exit-Markt die Entwicklung unterstützen. Dann, glauben wir, wird es einen Run auf innovative Geschäftsmodelle und Venture-Investments geben.

VC Magazin: Wie stehen Sie sogenannten Klonen gegenüber, also Gründungen, die auf Geschäftsideen beruhen, die im Ausland, meist den USA, bereits zum Erfolg geführt haben?

Gruber: Ich glaube, Klone funktionieren in Deutschland nicht. Bei uns gibt es sehr gut ausgebildete Ingenieure und viele gute Ideen und Innovationen – klonen können andere besser.

Weber: Meiner Meinung nach geht es im Bereich Neue Medien/Internet weniger um Innovation als um die Umsetzung. Warum sollen sich Firmengründer nicht die Geschäftsmodelle anderer Unternehmer anschauen, daraus lernen und ihre Schlüsse ziehen? Es kommt hier nicht so sehr auf die primäre Einzigartigkeit der Geschäftsidee an, sondern auf die Adaption und Umsetzung im jeweiligen Markt und auf das Team.

Seibold: Das sehe ich genauso. Der Markt in den deutschsprachigen Ländern ist sehr groß – warum sollte man erfolgreiche Geschäftsmodelle nicht hierher bringen?

VC Magazin: Wie beliebt sind studentische Gründer bei Investoren? Investieren Sie in Studenten und Absolventen?

Weber: Studentische Gründer finanzieren wir ständig! Hochschulabsolventen haben eine gute analytische Ausbildung, und wenn sie dann auch noch relevante Praktika vorzuweisen haben, gibt es keinen Grund, ihnen ihre Chance zu verweigern. Zumal wir sie über reines Kapital hinaus mit unserem Rat und unserer Erfahrung unterstützen. In unserem Portfolio haben wir Unternehmer, die direkt nach der Uni gegründet haben und nach dem zweiten Jahr bereits Umsätze im mehrstelligen Millionenbereich gemacht haben – eine tolle Leistung!

Müller: Mark Zuckerberg, Michael Dell, Bill Gates – viele der größten und erfolgreichsten Unternehmen wurden von jungen Leuten aufgebaut. Wir selbst fördern junge Gründer, auf die wir beispielsweise bei Businessplan-Wettbewerben aufmerksam geworden sind. Also: Versucht euer Glück!

VC Magazin: Vielen Dank für die Beiträge.         

Protokolliert von Susanne Harrer.
susanne.harrer[ at ]vc-magazin.de

Zu den Panel-Teilnehmern

Eric Achtmann ist Managing Partner bei PolyTechnos Venture-Partners. Kurt Müller ist General Partner bei Target Partners und seit 2007 Mitglied des Vorstands des Bundesverbands Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK). Wolfgang Seibold und Martin Weber sind jeweils General Partner bei Earlybird Venture Capital bzw. Holtzbrinck Ventures. Werner Gruber gründete 2006 die Clean Mobile AG, die Antriebssysteme für elektrische Leichtfahrzeuge entwickelt. Die Moderation übernahm Stuart Ellman, RRE Ventures.