Silverfleet Capital GmbH: Wachstum durch Zukäufe

Eine Gesellschaft, drei Sichtweisen

Es kommt auf die Perspektive an: Für den einen ist Silverfleet Capital ein gestandener Investor mit mehr als einem Vierteljahrhundert auf dem Buckel, für den anderen ein Newcomer mit gerade einmal zehn Jahren an Erfahrung. Spitzfindige kommen sogar auf eine noch kleinere Zahl, denn in ihren Unterlagen finden sie erste Einträge der Gesellschaft erst ab Ende 2007. Tatsächlich treffen aber alle drei Sichtweisen zu, denn es geht hier um die Gründung in Großbritannien, den Markteintritt in Deutschland und den Spin-off vom Mutterkonzern. Seinen Ursprung hat Silverfleet Capital unter dem Namen PPM Ventures als Investment-Arm des britischen Versicherungskonzerns Prudential, der ab 1985 attraktive Renditen im Bereich der Eigenkapitalfinanzierung suchte. Mit Managing Partner Neil MacDougall aus dem Büro in London hat ein Recke fast die ganze Entwicklung live miterlebt – er ist seit 1989 an Bord. Er konnte auch die europäische Expansion verfolgen, bei der Übernahmen von mittelständischen Unternehmen erst von London aus koordiniert wurden und später regional vor Ort: ab 1999 in Paris für den französischen und ab 2001 in München für den deutschsprachigen Markt. Neben dem koordinierten Wachstum spricht für Silverfleet auch die Kontinuität bei den handelnden Personen – sieben von elf Partnern sind 2001 oder früher eingestiegen –, wie sie beispielsweise am Team in der bayerischen Hauptstadt sichtbar wird.

Ordentlicher Track Record mit einem Mangel

„Guido May und ich sind seit dem ersten Tag im Jahr 2001 dabei“, erklärt Dr. Sebastian Kern, Partner von Silverfleet Capital. Der Aufbau eines Büros für einen Finanzinvestor war zu diesem Zeitpunkt beinahe schon Routine, denn Kern übernahm diese Aufgabe zuvor für den Münchner Standort des britischen Private Equity-Hauses 3i. Erste M&A-Erfahrungen sammelte er bis 1997 bei der IKB Deutsche Industriebank, wo er als Direktor das Geschäft der Akquisitionsfinanzierungen verantwortete. Auch May wechselte von 3i Deutschland, verbrachte seine Zeit davor aber als Senior Executive in der Industrie. Vor diesem Hintergrund verfügt Silverfleet über alle Standorte hinweg zwar über einen ordentlichen Track Record bei den Investments, muss an einer Stelle aber Mut zur Lücke beweisen – belastbare Daten zur Entwicklung von Fonds fehlen. Dafür gibt es jedoch eine einfache Erklärung: „Unter dem Dach von Prudential konnten wir Mittel der Prudential Insurance investieren“, klärt Kern auf. Mit dem Management Buyout Ende 2007 und der Verselbstständigung stand erstmals das Thema Fundraising auf der Tagesordnung. Die ehemalige Mutter engagierte sich auch im neuen Fonds als Anker-Investor.

Fundraising und Investitionen

„Prudential hat zu unserem ersten Fonds gut die Hälfte des Volumens von schließlich 670 Mio. EUR beigetragen“, berichtet Kern. Weitere Kapitalgeber waren Pensionskassen, Versicherungen und Banken, mit einem Schwerpunkt auf Europa und einzelnen Vertretern aus Asien oder den USA. Das Final Closing erfolgte im Frühjahr 2009. „Bislang wurden mit den Mitteln drei Deals finanziert, sodass noch rund zwei Drittel des Fonds für fünf bis sechs Investments bereitstehen“, fasst Kern die bisherige Mittelverwendung zusammen. Kurzfristig stünde das Thema Fund­raising daher nicht auf der Tagesordnung, vielmehr könnte sich das Team auf das eigentliche Tagesgeschäft konzentrieren: Buyouts im Mittelstand. Quellen für den Dealflow können sowohl andere Finanzinvestoren als auch Investmentbanken oder sonstige Berater sein. Die Zusammenarbeit mit den anderen Büros spielt jedenfalls eine wichtige Rolle im Konzept der Gesellschaft. „Die erste Vorauswahl treffen selbstverständlich die Manager vor Ort. Ob wir aber in eine vertiefte Due Diligence einsteigen wollen, diskutieren wir im Partnerkreis“, unterstreicht Kern. Fällt die erste Entscheidungsrunde zugunsten des potenziellen Übernahmekandidaten aus, wird der Ball wieder zum jeweiligen Standort zurückgespielt. Investiert werden in der Regel zwischen 30 und 100 Mio. EUR Eigenkapital, das Augenmerk liegt auf Unternehmen mit einem ausgewiesenen Wachstumspotenzial, die aber aus unterschiedlichen Branchen stammen können.

Eine Strategie als Schwerpunkt

Fiel auch die finale Investitionsentscheidung im Partnerkreis positiv aus, schlägt Silverfleet bei den Portfoliounternehmen bevorzugt den Wachstumskurs mittels Buy and Build-Strategie ein. „Eigentlich ist das mittlerweile ein entleerter Modebegriff, aber auf uns trifft er zu“, ver­sichert Kern. Tatsächlich haben sich die Münchener in drei der vier aktuellen deutschen Fälle für diesen Weg entschieden. Das Healthcare-Unternehmen Müller & Weygandt, ein Versandhändler für dentale Verbrauchsgüter im europäischen Raum, wurde 2004 für 110 Mio. EUR übernommen. Erst wurden 2006 der tschechische Marktführer Dentamed und sein Wettbewerber Stomatol einverleibt, dann folgte InteraDent Zahntechnik aus Deutschland. Im Mai 2007 war Prodent, der führende Dentalhändler in Slowenien und Kroatien, die vierte Akquisition. Momentan werden 33.000 Zahnarztpraxen und Dentallabors jährlich aus Büdingen in der hessischen Provinz beliefert. Ähnlich sieht die Lage bei Orizon aus, das 2006 für 185 Mio. EUR Teil des Portfolios wurde: Im Folgejahr gingen die kleineren Wettbewerber jobs in time und SIR Industrieservice in Orizon auf. Mit nahezu 10.000 Mitarbeitern an über 100 Standorten zählt der Personaldienstleister zu den führenden Branchenvertretern in Deutschland. Kalle, ein Hersteller von Wursthüllen, Schwammtüchern und Bratfolie, wurde 2009 für 212,5 Mio. EUR von Montagu Private Equity erworben. Kern: „Ein Jahr später haben wir JiF-Pak in den USA übernommen und damit unsere führende Position ausgebaut.“

Exit mit strategischen oder Finanzinvestoren

Das vierte deutsche Unternehmen im Bunde ist seit 2010 die Schneider Group, ein diversifizierter Versandhändler. „Meine Frau kannte die Kataloge von Conleys und Impressionen schon sehr gut, bevor die Gesellschaft für uns relevant wurde“, bekennt Kern mit einem Schmunzeln. Hier strebt Silverfleet organisches Wachstum an. „Vorbesitzer Barclays hat den Schwerpunkt von Werbeartikeln bereits in Lifestyle-Produkte umgedreht, wir bauen jetzt den Bereich E-Commerce aus“, fasst Kern die Pläne zusammen. Wenn dieser Bereich dann voll erschlossen ist und die Internationalisierung ansteht, kann sich Kern den Verkauf an einen anderen Finanzinvestor vorstellen. „Neben einem strategischen Käufer ist das unsere bevorzugte Exit-Route“, erklärt er.

Fazit:

Im Kern lässt sich der paneuropäische Buyout-Investor mit einem Wort beschreiben: Kontinuität. Dies betrifft einerseits die handelnden Personen auf Partnerebene, denn der überwiegende Teil von ihnen ist seit mindestens zehn Jahren dabei. Auf der anderen Seite gilt dies auch für die Strategie, mit Portfoliounternehmen umzugehen. Sind Wachstumspotenziale erkennbar, folgt bevorzugt eine Buy and Build-Strategie. Bislang ist das Team damit gut gefahren, wie die Unterstützung der ehemaligen Muttergesellschaft zeigt: Nach dem Spin-off Ende 2007 steuerte der Versicherungskonzern Prudential gut die Hälfte des Fondsvolumens bei.    
 
 
 Torsten Paßmann
 
 
Beteiligungskriterien

–           Investitionssumme je Beteiligung: 30 bis 120 Mio. EUR
–           Investitionsphasen: MBO, MBI, Spin-off, Later Stage
–           Branchenfokus/Spezialisierung: Dienstleistungen, Gesundheitswesen, Unterhaltung, Freizeit, Handel/Konsumgüter, Industrie

Kurzprofil: Silverfleet Capital GmbH 

Typ:      Private Equity-Gesellschaft
Standort:          Chicago, London, München, Paris
Gründung:         1985
Verwaltetes Kapital:      670 Mio. EUR
Zahl der Investment Professionals:         6 (München)
Internet:            www.silverfleetcapital.com

Portfoliounternehmen in Deutschland
Name   //   Branche   //   Standort
Kalle   //   Wursthüllen   //   Wiesbaden
Müller & Weygandt    //   Healthcare   //   Büdingen
Orizon   //   Personaldienstleistung   //   Augsburg
Schneider Group   //   Versandhaus   //   Wedel