„Überzogene Notarkosten für Finanzierungsrunden sind mir ein Dorn im Auge“

VC Magazin: Wie bewerten Sie die Entwicklung der Gesetzgebung der letzten vier Jahre?

Weitnauer: Es wurden gut gemeinte, aber untaugliche Versuche unternommen. Insbesondere mit dem MoRaKG, dem Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen, sollten steuerliche Nachteile, mit denen VC-finanzierte junge Unternehmen vor allem bei der Behandlung von Verlustvorträgen belastet sind, gemildert und überdies ein Anreiz für Business Angels durch einen erhöhten Freibetrag geschaffen werden. Dies alles ist ebenso wie das Sanierungsprivileg am Votum der EU-Kommission gescheitert. Dass man aus einem Zuviel an Regulierung nicht herausfindet, weil man dies als verbotene Beihilfe betrachtet, ist ein deutlicher Standortnachteil.

VC Magazin: Sehen Sie Lösungsansätze?

Weitnauer: Die Umsetzung der sogenannten AIFM-Richtlinie wird zu einer Nivellierung der Rahmenbedingungen in Europa führen. In diesem Kontext werden hoffentlich hierzulande im Gefolge einer Überarbeitung des Investmentgesetzes auch steuerliche Grundfragen, wie die Transparenz von Fonds, ihr vermögensverwaltender Status und die Umsatzsteuerpflichtigkeit von Managementgebühren, gelöst. Jetzt bietet sich die Chance, regulatorische Standortnachteile zu beheben.


VC Magazin: Welche weiteren offenen Baustellen aus Investorensicht sehen Sie derzeit?

Weitnauer: Sie liegen vor allem wiederum im steuerlichen Bereich. Zu nennen ist erneut § 8c KStG. Hier sollte zumindest für die schädliche Kapitalerhöhungsquote die Durchrechnung auf die Fondsinvestoren bei einer transparenten Fondsstruktur nicht an einer Zusammenrechnung wegen „gleichgerichteter Interessen“ scheitern. Inwieweit Verlustvorträge wegen inländischer stiller Reserven bestehen bleiben können, ist mit Bewertungsunsicherheiten verbunden. Auch kann sich Mezzanine-Kapital, z.B. in Form von Nachrangdarlehen, beim Exit als Verkaufshindernis erweisen; der Verzicht auf nachrangige Gesellschafterdarlehen sollte steuerlich ohne Rücksicht auf ihre Werthaltigkeit als Einlage behandelt werden. Im Kartellrecht sollte die Bagatellklausel, die kleine Unternehmen von der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle befreit, auf übliche Seed-Runden-Gestaltungen mit Corporate VCs und Fonds mit öffentlichem Hintergrund Anwendung finden, auch wenn jedem Investor Vetorechte bei Grundsatzentscheidungen zugewiesen werden. Dass in diesen Fällen derzeit eine Zusammenschlusskontrolle durchzuführen ist, ist ein Ärgernis.

VC Magazin: Haben Kapitalgeber auch ihre Probleme mit Gründern?

Weitnauer: Ich habe es erlebt, dass Folgefinanzierungen am Widerstand von Minderheitsgesellschaftern, auch Gründern, scheitern, die das Unternehmen lieber in die Insolvenz gehen ließen. Wenn ein Gesellschafter bei der Insolvenz alles verlieren würde, wie in aller Regel der Fall, muss er die mit der weiteren Finanzierung verbundene Verwässerung hinnehmen und darf sich auch einer Liquidationspräferenz für frisches Geld nicht entgegenstellen. Das folgt an sich schon aus der Treuepflicht, doch kann man dies auch im Vorfeld vertraglich regeln.


VC Magazin: Und welche Aspekte müssten aus der Perspektive der Gründer dringend angegangen werden?

Weitnauer: Das Geld aus Finanzierungsrunden ist für den Aufbau des Unternehmens bestimmt. Hier ist mir die Belastung durch überzogene Notarkosten in jüngster Zeit ein Dorn im Auge. Mitveräußerungspflichten, wie insbesondere beim Drag Along, machen, wenn im Beteiligungsvertrag geregelt, diesen insgesamt beurkundungsbedürftig. Da hierdurch alle Anteile erfasst werden, kann für die Gebührenberechnung auf die gesamte Post Money-Bewertung abgestellt werden. Und auch wenn die Kapitalerhöhung nur zu nominal erfolgt, rechnen einige Notare hierfür aus dem höheren Wert ab, der ihnen aus dem zuvor beurkundeten Beteiligungsvertrag bekannt ist. Dies hat in Einzelfällen zu Notarstundensätzen von 5.000 EUR und mehr geführt und ist schlicht überzogen. Dem kann man durch eine Umstrukturierung des Vertragswerks begegnen.

VC Magazin: Welche Dinge haben sich für Gründer positiv entwickelt?

Weitnauer: Liquidationspräferenzen, über die Investoren ihren Einsatz bevorzugt zurückerhalten, halten sich inzwischen in einem angemessenen Rahmen. Zwei- bis dreifache Multiples gibt es immer seltener. Auch Vesting-Klauseln werden mit Augenmaß eingesetzt und sogar meist auf Bad Leaver-Fälle beschränkt. Bei Garantien müssen die Gründer eben genau überlegen, was sie garantieren. In der Praxis habe ich es noch nicht erlebt, dass sie wegen Garantieverletzung persönlich in Anspruch genommen worden sind.

VC Magazin: Angesichts der Veränderungen in der Branche seit 2007: Wie viel Arbeit mussten Sie in das neue Handbuch Venture Capital stecken?

Weitnauer: Jede Auflage war für mich wie ein neues Buch, da sie immer auf ein verändertes Umfeld traf. So auch dieses Mal. Ich habe meine weiteren Erfahrungen aus der Praxis einfließen lassen. Das Ganze hat mich gut ein Jahr beschäftigt. Dabei habe ich auch ein mit der KfW abgestimmtes Mustervertragswerk für Business Angels und englische Vertragsmuster eingestellt, da diese vor allem in Folgefinanzierungsrunden immer gebräuchlicher werden.

VC Magazin: Wie viele Auflagen des Handbuches werden noch folgen?

Weitnauer: Solange ich als Anwalt aktiv bin, und das wird hoffentlich noch lange sein, mache ich weiter. Die fünfte Auflage werde ich vermutlich angehen, wenn die AIFM-Richtlinie umgesetzt worden ist.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview!


Das Interview führte Torsten Paßmann.


Zum Gesprächspartner
Dr. Wolfgang Weitnauer, M.C.L., ist Rechtsanwalt und Gründungsgesellschafter von Weitnauer Rechtsanwälte Wirtschaftsprüfer Steuerberater. Seine Schwerpunkte sind Unternehmensfinanzierung und -beteiligungen, Unternehmensrestrukturierungen und M&A.