„Der Rettungsschirm und die Maßnahmen der Notenbanken führen nicht zu einer Inflation“

VC Magazin: Für Griechenland gab es einen sogenannten Schuldenschnitt. Welche Anreize setzt das anderen Schuldenstaaten?

Rees: Der Kompromiss, dass es einen Schuldenschnitt gibt und Griechenland mit Reformen harte Sparmaßnahmen umsetzt, ist eine gute Kombination aus Hilfestellung und eigenem Engagement. Von daher möchte ich daraus keine negative Anreizwirkung für andere Länder ableiten wollen.

VC Magazin: Italien ist die größte Volkswirtschaft unter den derzeitigen fünf Krisenstaaten. Welche Folgen erwarten Sie, wenn die dringendsten strukturellen Reformen ausbleiben?

Rees: Ich schließe mich nicht der kritischen Einschätzung der Kapitalmärkte an, die sich in bis zu 7,5% Zinsen für zehn Jahre laufende italienische Anleihen ausdrückt. Unter der neuen Führung wird Italien die notwendigen Reformen sehr schnell umsetzen. Vor zehn Jahren hat das Beispiel Deutschland gezeigt, dass Sparen und Kürzungen allein zu wenig sind und es Maßnahmen für Wachstum braucht. Als Folge der Agenda 2010 sind die Wachstumskräfte zurückgekehrt. So wird es auch in Italien sowie in Portugal, Spanien und Griechenland sein, wenn der Arbeitsmarkt aufgebrochen wird. Liberalisierung auf diesem Feld ist eine wichtige Maßnahme.

VC Magazin: Der sogenannte Rettungsschirm EFSF soll mittels Krediten auf über 1.000 Mrd. EUR gehebelt werden. Akzeptiert der Kapitalmarkt dieses Konstrukt?

Rees: Auf die richtige Mischung kommt es an. Wenn wir einen Zweiklang haben – auf der einen Seite die Hebelung und auf der anderen die notwendigen strukturellen Reformen –, wird es von den Investoren gut angenommen werden. Als Zeichner für Bonds kommen neben Japan vor allem Schwellenländer wie China und Russland infrage, die über Überschüsse in der Leistungsbilanz und hohe Devisenreserven verfügen. Teilweise haben diese Länder auch wegen ihrer hohen Exportquoten ein Eigeninteresse daran, dass die Schuldenkrise ein Ende findet. Daneben werden aber auch institutionelle Investoren aus Industrieländern zugreifen, wenn der EFSF durch die Hebelung über ein hohes Volumen verfügt und Reformen umgesetzt werden.

VC Magazin: Welche konkrete Gefahr einer Inflation sehen Sie angesichts der immens hohen Rettungspakete?

Rees: Der Rettungsschirm und die Maßnahmen der Notenbanken führen nicht zu einer Inflation, ich sehe da keinen kausalen Zusammenhang. Das zeigt auch die Erfahrung der vergangenen drei Jahre: Wir hatten erhebliche Liquiditätsspritzen durch die verschiedenen europäischen und internationalen Notenbanken und es gab keine Inflation. Nach meiner Einschätzung ist diese Liquidität im Finanzsektor geblieben und wird dort auch bleiben.

VC Magazin: Nach dem Lehman-Crash steuerte Deutschland in eine Rezession. Wie sieht Ihre Prognose angesichts der gewaltigen Garantieverpflichtungen aus?

Rees: Der Rettungsschirm EFSF verfügt mit der Hebelung über die Mittel, um Spanien und Italien zwei Jahre vom Kapitalmarkt zu nehmen. Das hat eine so abschreckende Wirkung, dass die Garantien nicht gezogen werden. Allgemein auf die Konjunktur bezogen, gehen wir von einem Wirtschaftswachstum von 1,25% im Jahr 2012 aus. Die deutschen Unternehmen haben hohe Auftragsbestände und können davon zehren. Sie sind in den letzten Monaten vorsichtiger geworden, lassen sich aber nicht verrückt machen. Wir werden eine starke Wachstumsverlangsamung erleben, aber keinen Absturz.

VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch!   

Das Interview führte Torsten Paßmann.

Zum Gesprächspartner
Andreas Rees ist Chef-Volkswirt Deutschland bei der Unicredit Bank AG. Er beschäftigt sich mit Fragestellungen rund um die europäische und deutsche Konjunktur. Darüber hinaus entwickelt und implementiert er quantitative Prognosemodelle.

Ursprünglich erschienen am 25. November im VentureCapital Magazin 12/2011.