Das Exit-Jahr 2012 lässt sich gut an

Volatilität erschwert Börsengänge

Der Deutsche Aktienindex Dax (www.dax-indices.com) hat im März die 7.000er-Marke überschritten, die Stimmung hat sich aufgehellt, nachdem es unter kurzatmigen Aufs und Abs schon seit dem Tief von 2009 tendenziell aufwärts gegangen war. Ob sich nun das Fenster für Börsengänge weiter öffnet als bisher, bleibt jedoch abzuwarten. Bislang jedenfalls waren die Schwankungen an der Börse sehr stark, zu viele Unwägbarkeiten wegen der Euroschuldenkrise und der weltwirtschaftlichen Entwicklung machten ein Initial Public Offering (IPO) nur schwer planbar. Der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungskonzern PricewaterhouseCoopers beschreibt das in seinem Barometer IPO-Watch so: „Volatilität und Unsicherheit über das beste Timing eines Börsengangs prägten das IPO-Klima des Jahres 2011.“ Dabei war die zweite Jahreshälfte schwächer als die erste, und auch im ersten Quartal 2012 ist lediglich eine geringfügige Besserung eingetreten.

Ein schmaler Pfad

Für Beteiligungsgesellschaften, die Unternehmen aus ihren Portfolios verkaufen wollen, ist dieser Exit-Weg deshalb schon seit längerer Zeit nur ein schmaler, schwer begehbarer Pfad. „An der Börse ist ein sofortiger Exit aufgrund vereinbarter Mindesthaltefristen, sogenannter Lock-up-Fristen, selten möglich“, sagt Dr. Karsten Zippel, Vorstand der M&A-Beratungsgesellschaft Aquin & Cie (www.acquin-cie.com). „Der Aktienprimärmarkt zeigt sich bislang als wenig tragfähig, allenfalls handverlesene Assets in einer bestimmten Größenordnung haben Chancen auf einen Erfolg“, erklärt Christian Niederle, Managing Partner bei der Beratungsgesellschaft Network Corporate Finance (NCF, www.ncf.de). Bei einer Besserung in der Staatsschuldenkrise könne sich das Szenario aber auch wieder etwas aufhellen. „Außerdem gibt es noch sehr viel Anlagegeld, das nach einer höheren Rendite als bei Festgeld strebt“, so Niederle.

Trade Sales mit 42% Anteil

Angesichts der Börsenschwankungen ist es naheliegend, dass Finanzinvestoren den Verkauf an Strategen (Trade Sales) und an andere Beteiligungsfonds (Secondary Buyouts) bevorzugen. Und hier ist die Situation auch deutlich besser als an der Börse. Das zeigen auch die Zahlen des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK, www.bvkap.de). Trade Sales dominierten 2011 mit einem 42%-Anteil an den Divestments in Deutschland, vor den Verkäufen an andere Beteiligungsgesellschaften (18%) und den Verkäufen über die Börse (IPOs oder Aktienverkäufe nach einem Börsengang, 17%). Es gab lediglich sechs IPOs von Unternehmen, die eine Beteiligungsgesellschaft im Gesellschafterkreis hatten. Insgesamt wurden 2011 laut BVK mehr Divestments getätigt als 2010, sie erreichten ein Volumen von 4,13 Mrd. EUR, was ein Plus von 28% gegenüber den 3,22 Mrd. EUR des Vorjahres bedeutet. Dieses war fast ausschließlich auf den Anstieg der Trade Sales – von 0,7 Mrd. auf 1,72 Mrd. EUR – zurückzuführen. Für 2012 gibt sich die Branche ebenfalls einigermaßen optimistisch – kritisch dagegen bleiben die Einschätzungen bezüglich der Exit-Chancen über einen Börsengang.

Viel Geld und Anlagedruck

Bei den beiden Käufergruppen Strategen und Beteiligungsfonds ist eine Menge Liquidität und zum Teil auch ein gehöriger Anlagedruck vorhanden. „Es gibt viele Industrielle mit viel Liquidität, die investieren wollen und müssen“, sagt Niederle. Ähnlich sieht dies Dr. Michael Drill, CEO der M&A-Investmentbank Lincoln International (www.lincolninternational.com): „Es gibt etliche strategische Käufer, die in den letzten zwei Jahren und insbesondere seit dem Hochkochen der Euroschuldenkrise zurückhaltend waren und nun wieder aktiver werden wollen.“ Im Vordergrund sieht Drill dabei insbesondere kleine und mittelgroße Zusatzakquisitionen: „Die Konzerne haben viel Geld in der Kasse und wollen wieder passende Add-ons erwerben. Sie müssen wachsen und auch regional nach Ergänzungen für ihre bestehenden Tochterunternehmen suchen.“ Zu den Kaufinteressenten zählten dabei maßgeblich auch Strategen aus den USA sowie aus Asien, hier laut Drill besonders die Japaner wegen des niedrigen Eurostands zum Yen und die Chinesen mit ihrem Interesse an deutscher Technologie.

Gutes Zeitfenster für Verkäufe

Deshalb ist laut Einschätzung vieler Experten jetzt eine günstige Zeit für einen Verkauf an Strategen. Die deutschen Unternehmen in den Portfolien der Venture Capital- und Private Equity-Fonds können meist solide bzw. gute Bilanzen der Jahre 2010 und 2011 vorweisen. Und die Perspektiven sind für viele ebenfalls recht gut. Auf Basis der Gewinne von 2011 sind – selbst wenn die Multiples unverändert bleiben – auch gute Preise erzielbar. Insbesondere wegen der weiterhin eher zurückhaltenden Fremdkapitalvergabe der Banken und wegen der vollen Kassen bei vielen Konzernen haben Strategen nach Einschätzung von Niederle weiterhin die Oberhand im Markt. „Aber auch im Bereich der Secondary Buyouts werden wir sicher noch einige Transaktionen sehen.“ Die Assets seien nun transparenter und besser zu bewerten als noch vor ein oder zwei Jahren. Manche Fonds seien auch aufgrund ihres nahenden Laufzeitendes gezwungen zu verkaufen.
Interesse an Secondary Buyouts

Für Secondary Buyouts sprechen zudem zwei weitere Gründe: Finanzinvestoren haben noch ausreichend Eigenkapital zur Verfügung. Und es gibt ein steigendes Interesse von ausländischen Beteiligungsgesellschaften an deutschen Unternehmen – wegen deren guter Lage und der insgesamt starken Stellung des Wirtschaftsstandorts Deutschland. Niederle beobachtet bei mittelständischen Portfoliounternehmen aber auch den Verkauf von Minderheitsbeteiligungen an die Manager oder an die Altgesellschafter (per Rückkauf) als häufige Lösung – sozusagen die Inhouse-Variante.

Pharma, Gesundheit, Medtech gefragt

In der Branchenbetrachtung sieht Aquin-Vorstand Zippel gute Exit-Chancen für Portfoliounternehmen aus den Bereichen IT und Software, Teilbereiche des Handels „und insgesamt alle, die ein starkes Wachstum vorweisen können“. Weniger gut seien die Chancen bei erneuerbaren Energien, insbesondere Photovoltaik, und bei speziell ausgerichteten (Nischen-)Unternehmen mit wenig Weiterentwicklungs- bzw. Wachstumspotenzial. Drill von Lincoln International stuft als gesuchte Branchen insbesondere Healthcare/Gesundheit, Medizintechnik und Business Services ein, aber auch Anlagenbau und Chemie, „auch wenn dort die Verkaufsprozesse länger dauern“, wie er sagt. Niederle von NCF sieht ebenfalls den Pharma- und Gesundheitsbereich für einen zügigen Verkauf besser prädestiniert als zyklische Branchen wie den Maschinenbau. Insgesamt aber hält der seit Jahren zu beobachtende Trend an, dass die Transaktionsprozesse grundsätzlich länger dauern und dass die Investoren genauer und gewissenhafter prüfen, bevor sie einen Deal abschließen.

Fazit/Ausblick:

Die Exit-Situation ist durchwachsen bis gut, auch für den weiteren Jahresverlauf überwiegt in der Beteiligungsbranche die Zuversicht. Die meisten Portfoliounternehmen stehen solide da und wecken nicht nur im Inland, sondern auch bei ausländischen Investoren Begehrlichkeiten. Alles in allem hat 2012 die Chance, noch ein besseres Exit-Jahr zu werden als 2011.
Bernd Frank