MBO-Sektor leidet unter Schuldenkrise

Karin von Kienlin ist Partnerin und Deutschland-Chefin der internationalen Strategieberatung L.E.K. Consulting.

Negativer Trend setzt sich fort

Die Private Equity-Experten von L.E.K. Consulting analysieren regelmäßig den internationalen MBO-Sektor. Demnach stand das erste Quartal 2012 in der DACH-Region ganz im Zeichen des schwachen Ausklangs von 2011. Somit hat sich der negative Trend des zweiten Halbjahres 2011 im Wesentlichen fortgesetzt, was sich anhand eines sehr niedrigen Deal-Niveaus und der geringen Anzahl an Verkaufsprozessen zeigt, die (noch) nicht finalisiert sind. Insgesamt konnten im ersten Quartal 2012 in der deutschsprachigen Region nur 20 Transaktionen abgeschlossen werden, von denen 90% in Deutschland stattfanden. Dies ist ein Rückgang von fast 50% im Vergleich zum Jahr 2011 und von über 30% im Vergleich zu den bereits schwachen Jahren 2009 und 2010. Im Vergleich zum vierten Quartal 2011 schneidet das erste Quartal 2012 gleich ab.

Sehr starkes erstes Quartal 2011

Zwei wesentliche Punkte haben zu diesem starken Rückgang im ersten Quartal 2012 beigetragen: Zum einen war das Vergleichsquartal Q1/2011 außergewöhnlich stark und zum anderen wirkte sich die europäische Schuldenkrise deutlich aus. Im ersten Quartal 2011 war die Anzahl der abgeschlossenen Transaktionen sehr hoch, weil viele Private Equity-Firmen die positive Stimmung des zweiten Halbjahres 2010 genutzt hatten, um nach zwei schwierigen Jahren Neuinvestitionen zu tätigen und Portfoliounternehmen zu veräußern. In ähnlichem Maße haben Unternehmen mit bereinigter und gestärkter Bilanz kleinere oder schwächelnde Wettbewerber aufgekauft beziehungsweise ihre Unternehmen weiter in neuen Bereichen ausgebaut.

Schuldenkrise schlägt durch

Im starken Abfall von Q1/2012 im Vergleich zu allen Vorjahren machen sich die Dauer und die Auswirkungen der Schuldenkrise seit Mitte 2011 in Europa deutlich bemerkbar. Dementsprechend ist die Verfügbarkeit von Fremdfinanzierungen für Transaktionen stark zurückgegangen und sogar fast zum Erliegen gekommen. Besonders problematisch war dieser Mangel an Finanzierungen für größere Transaktionen. Jedoch waren auch immer mehr kleinere Transaktionen von diesem Trend betroffen. Hinzu kamen die Verschlechterung in den makroökonomischen Indizes und eine zunehmende Volatilität der Kapitalmärkte, die das Transaktionsumfeld weiter belastet haben. Vor diesem Hintergrund erscheinen sowohl Q1/2011 als auch Q1/2012 als Ausreißer nach oben beziehungsweise unten.

Automobil auf dem Vormarsch

Bei der Betrachtung des Branchenmix in der DACH-Region seit 2007 fällt auf, dass die Bereiche Automobil und Handel/Konsumgüter an Bedeutung gewonnen haben. Der Gesundheits- oder der Finanzsektor wurden dagegen von Investoren eher gemieden. Angesichts der starken Automobilindustrie und der relativ positiven gesamtwirtschaftlichen Dynamik in der DACH-Region – im Gegensatz zum weiterhin angespannten Staatshaushalt und dem unsicheren regulatorischen Umfeld – erfolgte diese Entwicklung nicht unerwartet.

Private Equity und Corporates weiterhin aktiv

Dagegen haben sich im ersten Quartal 2012 bei den Käufern und Verkäufern am Markt keine größeren Verschiebungen ergeben. Private Eigentümer und private Investoren haben sich bei Käufen und Verkäufen zum großen Teil zurückgehalten, wohingegen Private Equity-Firmen und Konzerne weiterhin am Markt als Käufer und Verkäufer tätig waren. Die Trends der letzten drei Jahre und das veränderte Umfeld haben bei vielen Private Equity-Firmen in der DACH-Region wie auch in anderen Region dazu geführt, mehr Gewicht auf das Portfoliomanagement zu legen. Dies hat auch zur Verringerung von Transaktionen beigetragen.

Ausblick

Die Auswirkungen der Finanzkrise werden sich auch noch im zweiten Quartal 2012 bemerkbar machen. Jedoch verfügt die DACH-Region im Vergleich zu anderen europäischen Ländern über viele Vorteile, die sich mittelfristig positiv auswirken: Im Vergleich mit Südeuropa befindet sich die DACH-Region in einer relativ guten wirtschaftlichen Lage. Investoren werden die südlichen Länder zunehmend meiden und Investitionsaktivitäten verlagern. Dieser Trend spiegelt sich bereits im dokumentierten Interesse von Investoren an Transaktionen in der DACH-Region wider. Deutschland steht als Investitionsland bei vielen Fonds an erster Stelle, da sie ihren Beteiligungsanteil in der DACH-Region erhöhen möchten. Dank eines ausgeprägten Small und Mid Cap-Mittelstands mit vielen Nischen-Weltmarktführern sind Transaktionen in der DACH-Region häufig kleiner und Finanzierungen für diese Deals einfacher zu arrangieren als für größere Transaktionen. Die Finanzierung der europäischen Banken hat sich stabilisiert und Interbanking Rates haben sich reduziert. Künftig sollten sich Deal-Multiples im Durchschnitt verringern und damit die Attraktivität von Transaktionen erhöhen. Minderheiteninvestitionen, häufig als erster Schritt für eine langfristige Übernahme, sind weiter verbreitet als in anderen europäischen Ländern. Es kommen wieder mehr Zielobjekte auf den Markt – nach unseren Schätzungen befinden sich derzeit etwa 170 Unternehmen in mehr oder weniger stark strukturierten Verkaufsprozessen.


Zur Autorin:

Karin von Kienlin ist Partnerin und Deutschland-Chefin der internationalen Strategieberatung L.E.K. Consulting (www.lek.com) und seit 17 Jahren beim Unternehmen mit Stationen in den Büros in London, Boston, Los Angeles, Chicago und München. Ihr Beratungsschwerpunkt liegt u.a. auf Private Equity.