Neun Fragen an Helmut Juskewycz von lingohub

lingohub GmbH

VC Magazin: Wie kam es zu der Idee für Ihr Start-up?

Juskewycz: Mit lingohub (lingohub.com) haben wir einen Service entwickelt, der Übersetzung reibungslos in den Prozess der Software- oder App-Entwicklung integriert. Gleichzeitig bieten wir Übersetzern ein kontextreiches Browser Interface. Somit können sich beide unserer Zielgruppen auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren, was eine enorme Produktivitätssteigerung bedeutet.

Die Idee dazu hatte ich während meiner vorherigen Aktivitäten bei den Start-ups Runtastic und Jumio. Die ständigen Probleme mit Lokalisierung resultieren in großen Overhead bei Entwicklern. Viele schreckt dies ganz einfach davon ab, ihre Produkte überhaupt multilingual auszurollen. Einzelne Verträge mit Freelancern oder Agenturen abzuwickeln, übersetzte Texte wieder zurück in das Produkt integrieren, Textversionen abgleichen, all das verursacht Kopfschmerzen und vergeudet wertvolle Ressourcen – je kleiner das Unternehmen, desto fataler. Gleichzeitig kann man von Übersetzern nicht erwarten, sich mit komplizierten Entwicklertools und Dateiformaten herumzuschlagen.

VC Magazin: Wie haben Sie erste Finanzierung Ihrer Gründungsidee gestemmt und wie verlief die weitere Suche nach Kapital(-gebern)?

Juskewycz: Wir haben anfangs selbst finanziert bis zum Beta Status und sind letztes Jahr im Sommer in den staatlich finanzierten Inkubator tech2b aufgenommen worden. Der Inkubator läuft im Sommer diesen Jahres ab, und nun sind wir gerade auf der Suche nach geeigneter Folgefinanzierung. Erste Gespräche sind sehr vielversprechend, vor allem da das Produkt schon weit fortgeschritten ist. Unsere ersten Kunden sind sehr zufrieden mit lingohub und tragen mit ihrem Feedback auch viel zur Verbesserung bei. Das bestärkt uns darin weitere Ressourcen zu investieren.

VC Magazin: Was sprach gegen die Karriere als Angestellter und wie hat sich das Gründerteam zusammengefunden?

Juskewycz: Generell wußte ich immer, dass ich mein eigenes Ding machen will. Nach dem Studium habe ich dem Karrieredruck zwar erst einmal nachgegeben und bei Siemens gearbeitet, dort jedoch bereits nach einigen Monaten gekündigt und mein Freelancer-Dasein gestartet. Dadurch bin ich auch mit der Start-up-Szene in Kontakt gekommen. An echten Lösungen zu arbeiten, und innovative Produkte von Grund auf mit aufzubauen, ist um so viel spannender als ein Rädchen in einer Organisation zu sein.

Bei Siemens VAI schon habe ich Markus Merzinger kennen gelernt, mit ihm als CTO haben wir lingohub letzten Sommer gegründet. Da ich vor Siemens schon im Bankensektor gearbeitet habe, bringe ich einen Finanzbackground mit, der mir heute ein wichtiges Element in der Entscheidungsfindung ist. Erst durch das Studium der Wirtschaftsinformatik bin ich bei der Softwareentwicklung gelandet – nicht zuletzt die Erfahrungen die ich bei den Startups Jumio und Runtastic gesammelt habe, haben mir gezeigt wie wichtig Weitblick und Management sind.

VC Magazin: Wenn Sie auf Ihre bisherigen unternehmerischen Erfahrungen zurückblicken: Welche Entscheidungen würden Sie erneut treffen?

Juskewycz: Ich bin heilfroh, den Schritt in die Start-up-Branche gemacht zu haben. Ich finde es wichtig, erste Erfahrungen als Nicht-Gründer zu sammeln, dadurch bekommt man einen guten Einblick in die Funktionsnatur von Start-ups und lernt viel aus der Bootstrapping-Phase. Als Unternehmer muss einem klar sein, wie wichtig es ist, flexibel und immer auf der Suche nach dem richtigen Business Model zu sein. Eine klare Vision zu haben bedeutet nicht, dass man bei der Produktentwicklung nicht den Kurs wechselt. Gute Entscheider vermitteln dem Team die Gründe und halten den Kurs auf Effizienz. Ein Produkt wir oft erst iterativ zum Business, bis dahin ist es harte Arbeit. Von daher fühle ich mich in unserer Strategie bestärkt, in erster Linie ein solides Produkt abzuliefern, diese Entscheidung würde ich wieder treffen

VC Magazin: Verbrannte Finger gelten als gute Lehrmeister. Aus welchen schmerzhaften Erfahrungen konnten Sie besonders viel lernen?

Juskewycz: Glücklicherweise musste ich noch keine folgenhaft-schmerzhaften Erfahrungen machen. Aber als Unternehmer muss man öfters aus seiner eigenen Komfortzone ausbrechen – was Spaß macht, aber auch viel Energie kostet. Das betrifft zum einen gute Leadership, die auch bedeutet, sein Team in schwierigen Phasen anzuspornen, oder sich von Mitarbeitern auch trennen zu können. Zum anderen heißt das, auch loslassen zu können, sich von Ideen oder Funktionen zu verabschieden, weil sie einfach nicht funktionieren. Selbst jeden Tag aufs neue ins kalte Wasser zu springen ist eine gute Schule – und man muss aufs Fehler machen auch gefasst sein.

VC Magazin: Was sind aus Ihrer Sicht bei den Rahmenbedingungen in Österreich der größte Pluspunkt und das größte Manko für junge Unternehmen?

Juskewycz: Österreich ist ein kleines Land und hat eine noch kleinere Start-up-Szene. Ein Pluspunkt ist sicher, dass man sich untereinander kennt und durch die Größe einfallsreich sein muss. Events wie das Pioneer’s Festival oder StartupEurope zeigen dass sich viel bewegt, doch ein Manko bleibt eindeutig die Finanzierung. Zwar versucht der Staat durch Programme Abhilfe zu leisten, diese gehen aber teilweise an der Zielgruppe vorbei. Aber mit Berlin – das letztenendes nicht so weit weg ist – hat man eine gute Alternative, und der Nord-Süd Austausch ist recht intensiv. Was ich aus Gesprächen mitnehme, die ich mit anderen Gründern und Investoren geführt habe, ist, dass die im Vergleich zu den USA schwierigeren Bedingungen eigentlich gut sind, denn sie fördern Kreativität und eine Troubleshooter-Fähigkeit, um im kunterbunten Europa schnell nach vorne zu kommen.

VC Magazin: Gibt es (Internet-)Unternehmer, die Sie als Vorbilder oder Idole sehen?

Juskewycz: Besonders beeindruckt hat mich Tim Ferriss, Autor u.a. von „The 4-Hour Workweek“. Von ihm habe ich gelernt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Und der Jajah- und Jumio-Gründer Daniel Mattes ist für mich ebenso ein Vorbild. Er hat mich dazu inspiriert, auch aus dem kleinen Österreich heraus groß zu denken.

VC Magazin: Welche drei bis fünf Apps für Smartphones sind die wichtigsten Helferlein in Ihrem Alltag?

Juskewycz: Mittlerweile quasi App-Status: Die Telefonfunktion, trotz allem Internet greife ich gerne zum Hörer – der direkte Kontakt ist mir vor allem bei Geschäftspartnern sehr wichtig. Ohne Gmail geht prinzipiell nichts, und die neue iOS App dafür ist spitze. Für meine verrückten Ideen vertraue ich meist auf Evernote, und beim unverzichtbaren Ausgleichssport setze ich auf Runtastic.

VC Magazin: Wie sehen die mittelfristigen Planungen für Ihr Start-up und Ihre unternehmerische Zukunft aus?

Juskewycz: Wir wollen noch in diesem Halbjahr stark wachsen, und stellen dafür gerade die Weichen. Dabei steht internationales Wachstum automatisch mit auf dem Plan, das steckt schon in der DNA unserer Geschäftsidee (Go Global, Be Local – unseren Slogan leben wir), und viel Potential sehen wir z.B. in den schnell wachsenden Ländern wie Brasilien. Dazu gehört definitiv zusätzliche Finanzierung, mittelfristig definitv auch mit Venture Capital. Ein Verkauf schwebt uns allerdings nicht vor. Worüber wir derzeit nachdenken ist, andere Formate mit in unser Leistungsspektrum aufzunehmen und vom Lösungsanbieter für Softwareentwickler bei der Lokalisierung auch in andere Sparten vorzudringen in denen die Problemstellung vergleichbar sind.

VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.

Die Fragen stellte Torsten Paßmann.

Zum Gesprächspartner
Helmut Juskewyzc ist CEO/Geschäftsführer der lingohub GmbH (www.lingohub.com), die er im Sommer 2012 zusammen mit Markus Merzinger (CTO) gegründet hat. Das Start-up aus Linz in Oberösterreich will mit seinem Dienst die Reibungen aus der Software-Lokalisierung minimieren und so zu einer mehrsprachigeren Online-Welt beitragen. Juskewycz ist seit Jahren in der österreischischen Start-up-Szene aktiv. Nach seinem Studium in Wirtschaftsinformatik und Erfahrungen im Finanzsektor und in der Industrie bei Siemens war er u.a. Chefentwickler bei Jumio.

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den Jajah- und Jumio-Gründer