Neue Trends bieten Chancen für Investoren

Panthermedia/Bartlomiej Szewczyk

Immer offensichtlicher wird, dass große Pharmafirmen und immer mehr Biotechfirmen verstanden haben, dass personalisierte Medizin die „Medizin der Zukunft“ darstellen wird und damit die gesamte Gesundheitsbranche revolutionieren könnte. Es ist eben nicht mehr „nur“ Roche, die diese Vision als Unternehmensstrategie verinnerlicht und vielleicht auch derzeit noch am besten innerhalb einer Unternehmensgruppe aufgestellt hat, indem dort die Diagnostika- und die Pharma-Entwicklung von Anfang an eng verzahnt und parallel vorangetrieben werden. Immer häufiger sieht man die großen Übernahmen von Diagnostika-Anbietern durch Big Pharma. Manchmal kauft sich damit ein Unternehmen nur neue „Umsätze“ hinzu, etwa um Reduktionen im Therapeutikasektor zumindest etwas kompensieren zu können. Zusätzlich bringt die Verknüpfung von Diagnostik und Therapeutika unter einem Dach auch starke Umstrukturierungen mit sich. Wenn man es ernst meint mit der personalisierten Medizin, müssen die Entwicklungsprozesse so umgestellt werden, dass zeitgleich zur Therapie auch ein sogenanntes Companion Diagnostic entwickelt wird. Denn auch noch so wünschenswert erscheinende Fusionen können in der Realität auch scheitern – das weiß man nicht erst seit der Scheidung von Daimler und Chrysler vor einigen Jahren.

Pharma + Diagnostik = Zukunft

Dieser mit einer solchen Übernahme startende horizontale Integrationsprozess der beiden bisher stark getrennten Welten kann für Investoren also ein erster Hinweis sein, welche Unternehmen sich hier überhaupt auf den Zukunftspfad begeben. Beobachten sollte man also, wo Pharma und Diagnostik zusammengehen oder auch sehr stark zusammenarbeiten. Und beobachten sollte man auch die Biotech-Firmen: So übernahm beispielsweise das in Deutschland größte Biotech-Unternehmen Qiagen erst kürzlich das US-Unternehmen Ingenuity für satte 108 Mio. USD. Mit deren Know-how der Dateninterpretation aus Genomsequenzierung entwickelt sich Qiagen immer mehr zu einer vollintegrierten „Genom- und DNA-Firma“. Begonnen hatte diese in den 1980er-Jahren mit Substanzen und Labor-Kits, die beim Aufreinigen und Isolieren von DNA-Material für die Forschung und Entwicklung helfen. Auch eine andere Firmenübernahme spielt in diesen Bereich hinein, wenn das auf den ersten Blick vielleicht auch eher nach „Bereinigung“ im Laborausrüsterumfeld aussehen mag: Thermo Fischer Scientific hat Life Technologies übernommen – und den Investoren einen schönen Gewinn von über 45% ermöglicht. Interessant dabei ist, dass Life Technologies bei aller Vielfalt seiner Produkte ein Schwergewicht in der Genomforschung mit direktem Bezug zur Diagnostik ist. Man darf gespannt sein, wie sich dieser große Player nach erfolgreicher Integration im Markt bewegt.

Mit wem und für wen?

Wenn die Übernahmewellen anschwellen, bleiben plötzlich nur noch immer weniger Unternehmen übrig, deren Wert damit auch automatisch steigt. Oder etwa nicht? So einfach ist es in der komplexen Welt der Life Sciences dann auch wieder nicht. Man wird sehr genau hinsehen müssen, welche Unternehmen immer wieder als Übernahmekandidat gehandelt werden – und warum sie es vielleicht doch nie bis zur vollzogenen (und hoffentlich realen) „Hochzeit im Himmel“ schaffen. Denn nicht jede Diagnostikfirma ist automatisch für die personalisierte Medizin aufgestellt – und vielleicht ist auch das Geschäftsmodell einer personalisierten, genombasierten Diagnostik in unseren Breiten und innerhalb der europäischen Gesundheitssysteme noch nicht vollständig erkennbar oder gar etabliert. Plötzlich stärker in den Vordergrund treten jedenfalls die Labordiagnostikbetriebe, die langjährige Erfahrung und hervorragendes Know-how in der Anwendung neuester Genomsequenzier-, aber auch Datenanalysetechnologie besitzen und anbieten können. Doch wem anbieten? Dem Endverbraucher, sprich dem individuellen Patienten? Als hochpreisige Spezialdiagnose, die irgendwo bei oder oberhalb der Vaterschaftstests angesiedelt werden soll? Oder wird dies ein allgemein zugänglicher und implementierter Teil der Gesundheitsvorsorge sowie -versorgung? Ein paar Fragezeichen gibt es da wohl noch.

Verschiedene Märkte

Klar ist auf der anderen Seite, dass die personalisierte Genomdiagnostik kein Massenmarkt sein wird, da man pro Patient in der Regel nur einen solchen Test durchführen wird. Im Bereich der Therapieverlaufskontrolle, des Monitoring eines Ansprechens des Patienten auf eine bestimmte Behandlung, sieht dies schon wieder ganz anders aus: In diesem Bereich ist mit einer stärkeren Zunahme des Gesamtprobenaufkommens zu rechnen, mit entsprechenden Folgen für die Umsätze der spezialisierten Anbieter von Analysegeräten oder des Gesamtservice. Auch hier spielt unter anderem die oben erwähnte Thermo Fisher Group sicherlich auch in Zukunft eine große Rolle.

Entwicklungsprogramm im Fokus

Bleibt noch ein kurzer Blick auf die kleinen und mittelgroßen Therapeutika-Entwickler, in der Regel hierzulande kleine Biotechnologiefirmen. Hier hat sich schon frühzeitig die Erkenntnis durchgesetzt, dass der gewählte Wirkstoff nicht nur etwas ganz Besonderes sein muss – etwa für eine bisher gar nicht behandelbare Krankheit –, sondern dass er auch hochspezifisch und zielgerichtet wirken muss. Für die klinische Erprobung von so einem zielgerichteten Wirkstoff ist daher häufig auch bereits ein Biomarker bekannt, der genau die Patienten identifiziert, die von dem speziellen Wirkmechanismus voraussichtlich optimal profitieren werden. Genau diese Entwicklungsprogramme geraten nun auch immer stärker in den Fokus der Pharmafirmen und sollten daher auch für Investoren auf dem Radar aufscheinen. Jüngstes Beispiel ist das Unternehmen Corimmun aus Martinsried bei München, das für einen stolzen dreistelligen Millionenbetrag im letzten Jahr von Janssen-Cilag/Johnson&Johnson gekauft wurde.

Fazit:

Bei aller Komplexität liegt viel Fantasie und Zukunftsmusik im Trendthema personalisierte Medizin –das sollte für Investoren ja schon Hinweis genug sein.