Interview mit Hendrik Lesser, remote control productions, und Michael Reul, iVentureCapital

Panthermedia/Patinya Indrawoot

Wooga, Bigpoint, HitFox, remote control – der deutsche Games-Markt präsentiert sich vielschichtig und bunt. Leistungsfähige Smartphones und Tablets holen das Spielen weg vom heimischen Computer und ermöglichen den Fans Gaming-Freuden auch unterwegs. Auch Investoren interessieren sich zunehmend für den Wachstumsmarkt und sind bereit, Finanzierungsrunden im zum Teil zweistelligen Millionenbereich einzugehen.

VC Magazin: Branchengrößen wie Zynga oder Bigpoint haben in der jüngeren Vergangenheit hauptsächlich durch Mitarbeiterentlassungen Aufsehen erregt. Wohin steuert der Online-Games-Markt?

Lesser: Diese Firmen sind ganz besonders schnell gewachsen und machen nun betriebswirtschaftlich das Richtige und stellen sich auf die Veränderung des Marktes ein. Dies beinhaltet Überkapazitäten wieder abzubauen und auch zu restrukturieren. Der Online-Gaming-Markt insgesamt ist weiterhin positiv und wächst, allerdings nicht mehr so atemberaubend wie vor Jahren und mittlerweile teils in neuen Sektoren – zum Beispiel Mobile – und in anderen Territorien. Der Games-Markt als solcher ist weiter stark und muss letztlich auch breiter gedacht werden als nur in den Begriffen social, mobile, online etc.
Reul: Auch wenn es in der internationalen Berichterstattung gerne so gedeutet wird, so ist diese Entwicklung für mich kein Zeichen einer Krise, sondern vielmehr sehe ich die junge Online-Games-Branche in einer Konsolidierungsphase. Das rasante Wachstum einzelner Firmen in diesem Segment hat sich durch den Markteintritt vieler neuer Spieleanbieter verlangsamt. Gleichzeitig wurden überambitionierte Expansionspläne mit dieser neuen Realität konfrontiert. Wir legen daher bei allen von uns getätigten Beteiligungen sehr großen Wert auf eine realistische Einschätzung von KPIs, die den Ist-Zustand wiedergeben. Wie sich Spieletitel über einen längeren Zeitraum entwickeln hängt letztlich von sehr vielen Faktoren ab. Ich bin der Überzeugung, dass es trotz der großen Konkurrenz im Online-Games-Markt möglich ist, sich durch einzigartige Merkmale, Features, guter Monetarisierungs- und Vermarktungsstrategien erfolgreich zu positionieren. So wie es Farbflut Entertainment erfolgreich mit dem satirischen „Pennergame“ macht oder Pro 3 Games, die in dem Online-Game Starforcedelta eine konsolengleiche Grafik bieten.

VC Magazin: Die meisten Online-Spiele sind im Free to Play-Sektor angesiedelt und finanzieren sich über den Verkauf von digitalen Gegenständen. Hat dieses Modell vor dem Hintergrund der Diskussionen um Paywalls das Potenzial, Vorbildcharakter für andere Branchen wie Verlage zu entwickeln?

Reul: Mit dem Free to Play-Geschäftsmodell verdient die Games-Branche gutes Geld. Das Modell verfügt über einige große Vorteile, die sich auch auf andere Branchen übertragen lassen. Größter Vorteil ist sicherlich die Tatsache, dass Spieler erst ausgiebig testen können, ob ihnen ein Online-Game gefällt, bevor sie Geld dafür ausgeben. Es liegt in der Hand des Game-Entwicklers, den Spieler frühzeitig zu überzeugen und ihm den „Unterhaltungswert“ zu vermitteln. Haben die Spieler einen Spieletitel gefunden, der ihnen Spaß macht, so ist die eigentliche Transaktion in der Regel über eine Vielzahl integrierter Zahlungsdienstleister ohne Aufwand möglich. Wichtig ist, die jeweils landesüblichen Zahlmethoden anzubieten und dass der Vorgang mit wenigen Klicks abgeschlossen werden kann. Wenn andere Branchen und Verlage daraus Lehren ziehen wollen, dann sollten diese meiner Einschätzung nach darin liegen, dass auch Leser oder Käufer sonstiger digitaler Inhalte erst wissen wollen, was sie für ihr Geld erwartet. Anschließend muss die eigentliche Transaktion so einfach wie möglich für den Nutzer sein. Paywalls, die ausschließlich auf Subskription setzen, sind meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß in einer Zeit, in der es immer weniger Stammleser bestimmter Publikationen gibt. Das Angebot muss heute auch „Digital Natives“ ansprechen, die an einem unkomplizierten Zugang zu hochwertigen Inhalten interessiert sind – und im Zweifel „stückchenweise“.
Lesser: Aufgrund der generell verschiedenen Struktur des Unterhaltungsangebotes sehen wir hier nur begrenzte Möglichkeiten, ein solches Payment-System sinnvoll in nicht interaktives Entertainment zu integrieren. Paywalls sind ein davon unabhängiges Thema, das nicht verallgemeinert werden kann, da hier die Mentalitäten der Spielergemeinden auf der ganzen Welt eine extrem große Rolle spielen. Die Monetarisierung von Free to Play-Spielen muss genau auf die Spieler-Community eingestellt sein.